25. Februar 2013
Reform des Marktmissbrauchsrechts
Aktienrecht

Reform des Marktmissbrauchsrechts: Uneinigkeit in Brüssel

In Brüssel wird seit nunmehr knapp anderthalb Jahren an einer Revision der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) gebastelt. Angefangen mit dem Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Reform des Marktmissbrauchsrechts vom 20.10.2011 (KOM(2011) 651 endgültig) liegen zwischenzeitlich Stellungnahmen aller drei europäischen Institutionen zur Reform des Marktmissbrauchsrechts vor.

Mit einem Abschluss der Verhandlungen zwischen der EU-Kommission, den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament ist voraussichtlich im Laufe des Jahres 2013 zu rechnen.

Einig über die Reichweite der Reformen sind sich die europäischen Institutionen jedoch bei Weitem nicht. Die diskutierten Änderungen könnten jedoch ganz erhebliche Auswirkungen auf das nationale Kapitalmarktrecht haben und erhebliche Änderungen (und Erschwerungen) für börsennotierte Unternehmen mit sich bringen.

Die EU-Kommission sieht in ihrem Verordnungsvorschlag eine deutliche Ausweitung des Begriffs der Insiderinformation vor. Danach muss die künftige „Insiderinformation light″ weder eine „präzise″ Information darstellen, noch muss die Information Kursbeeinflussungspotential haben. Die „Insiderinformation light″ muss für die Anlageentscheidung des Anlegers lediglich „relevant″ sein. Die entsprechenden Regelungen des Verordnungsentwurfs würden in der Praxis dazu führen, dass börsennotierte Unternehmen deutlich früher als bisher das Vorliegen eines möglichen Insiderhandelsverbots prüfen müssten.

In der Stellungnahme des Rats der EU ist die im Verordnungsentwurf der Kommission enthaltene Kategorie der „Insiderinformation light″ dagegen überhaupt nicht enthalten.

Auch im Hinblick auf die Ad hoc-Publizität drohen börsennotierten Unternehmen künftig – neben den noch unklaren Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 28.06.2012 in Sachen Geltl ./. Daimler (Rechtssache C-19/11) – kompliziertere Regelungen. Zum einen könnte das Eingreifen des Insiderhandelsverbots und der Ad hoc-Meldepflichten auseinanderfallen. Denn die von der Kommission vorgeschlagene „Insiderinformation light″ soll zwar dem Insiderhandelsverbot, nicht aber der Ad hoc-Pflicht unterliegen. Hier drohen in der Praxis Abgrenzungsprobleme. Zudem bleibt unklar, in welche Richtung der Rat der EU und das Europäische Parlament im Hinblick auf eine mögliche Verschärfung der Ad hoc-Publizität tendieren. Zudem scheint der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments dahin zu tendieren, die Selbstbefreiungsmöglichkeit des Emittenten durch eine behördliche Entscheidung über einen Aufschub der Ad hoc-Mitteilung ersetzen zu wollen. Aufgrund eines Änderungsvorschlags des Rats der EU wird des Weiteren befürchtet, dass börsennotierte Unternehmen künftig unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein könnten, auf Marktgerüchte im Wege einer Ad hoc-Mitteilung zu reagieren.

Schließlich gibt es auf EU-Ebene Überlegungen, die Meldefrist für Directors‘ Dealings zu verkürzen. Diese soll von derzeit fünf Tagen auf zwei Tage (so die Kommission und der Wirtschafts- und Währungsausschuss) bzw. drei Tage (so der Rat der EU) verkürzt werden. Diese mögliche Fristverkürzung stellt sich vor dem Hintergrund der Überprüfung der Meldungen der Führungskräfte durch die Unternehmen als schwierig dar.

Allein diese wenigen Punkte zeigen, dass man von einer Einigung auf europäischer Ebene über die Einzelheiten des künftig geltenden Marktmissbrauchsrechts noch weit entfernt ist. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Verhandlungen auf EU-Ebene bewegen.

Brisant könnte die Entwicklung insbesondere vor dem Hintergrund sein, dass eine Überführung der Marktmissbrauchsrichtlinie in eine Verordnung geplant ist, die als unmittelbar anwendbares Recht in sämtlichen Mitgliedstaaten gelten würde. Damit bestünden keine Umsetzungsspielräume für den nationalen Gesetzgeber mehr, ein Großteil der Vorschriften des WpHG würde obsolet.

Tags: Ad hoc-Publizität Directors Dealings Insiderinformation Marktmissbrauch Richtlinie Verordnung WpHG