18. Juli 2017
AGG-Hopper
Arbeitsrecht

AGG-Hopper – wie man sich als Arbeitgeber schützen kann

Mit Einführung des AGG kam ein neuer Trend: das AGG-Hopping. Abwehrmittel ist eine sorgfältige Dokumentation des Bewerbungsprozesses, um den Nachweis eines Rechtsmissbrauchs erbringen zu können.

Das AGG brachte mit seiner Einführung diverse Verbesserungen. Allerdings erschuf es auch einen für den Arbeitgeber unschönen Trend: Das AGG-Hopping. Immer wieder versuchen Bewerber, für vermeintliche Diskriminierungen im Bewerbungsverfahren nach dem AGG entschädigt zu werden.

Dies geht soweit, dass die Bewerbung teils nur zu diesem Zweck gestartet wird. Es bewerben sich daher deutlich über- oder auch unterqualifizierte Bewerber für eine Stelle.

Jurist geht gegen Diskriminierung vor und fordert Entschädigung

Im wohl bekanntesten Fall in Deutschland hatte sich ein Jurist im Jahr 2009 für eine Nachwuchs-Stelle bei einer Versicherung beworben. Als Einstellungsvoraussetzung nannte diese unter anderem einen nicht länger als ein Jahr zurückliegenden oder zeitnahen Hochschulabschluss. Der sich bewerbende Jurist gab an, dass er alle Kriterien der Ausschreibung erfülle und als Rechtsanwalt und ehemals leitender Angestellter über große Führungserfahrung verfüge.

Allerdings wurde er abgelehnt und verlangte im Anschluss von der Versicherung zunächst EUR 14.000 wegen Altersdiskriminierung. Danach erfuhr er, dass die vier offenen Stellen ausschließlich mit Frauen besetzt wurden. Dies nahm der Jurist als Grundlage für eine weitere Entschädigungsforderung in Höhe von EUR 3.500. Tatsächlich gab es gleichviele männliche und weibliche Bewerber. Das Verhalten des Unternehmens stelle nach Ansicht des Juristen eine Diskriminierung aufgrund seines Geschlechtes dar.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass einem abgelehnten Bewerber grundsätzlich nicht das Recht zusteht, dass der Arbeitgeber ihm Auskunft darüber erteilt, welcher Bewerber eingestellt wurde und was die dafür maßgeblichen Gründe waren.

EuGH: Kein europarechtlicher Schutz für Scheinbewerbungen – Rechtsmissbrauch im Einzelfall möglich

Nach dem der Fall des abgelehnten Juristen bereits mehrere deutsche Gerichte beschäftigte, wollte das BAG wissen, ob die Rechtsprechung (BAG, Beschluss vom 18.06.2015 – 8 AZR 848/13), wonach eine Berufung auf § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG und damit auch auf § 7 Abs. 1 AGG ausscheidet,

  • wenn eine Person mit ihrer Stellenbewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten,
  • sondern nur den formalen Status als Bewerber erlangen möchte,
  • mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen

mit europäischem Recht vereinbar ist. Dies bestätigte der EuGH (EuGH, Urteil vom 28.07.2016 – C-423/15NZA 2016, 1014). Eine oben beschriebene Situation könne nicht unter die Begriffe „Zugang zur Beschäftigung″ und „abhängige Tätigkeit″ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Lit. a) Richtlinie 2000/78/EG bzw. des Art. 14 Abs.1 Lit.  a) der Richtlinie 2006/54/EG fallen. Zugleich könne das Verhalten als Rechtsmissbrauch bewertet werde. Durch das EuGH-Urteil wird auf den ersten Blick das Recht der Arbeitgeber gestärkt, sich vor Scheinbewerbern zu schützen. Ob allerdings die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens erfüllt sind, müssen nationale Gerichte gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts feststellen. Dazu hat das BAG strenge Anforderungen vorgegeben:

Beweis eines Missbrauchs obliegt dem Arbeitgeber

Es bleibt allerdings bei der für den Arbeitgeber nachteiligen Beweislastverteilung. Im Prozess muss der Arbeitgeber darlegen, dass eine missbräuchliche Bewerbung vorliegt. Der Arbeitgeber muss dafür den Nachweis erbringen, dass ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Bewerbers vorliegt, das auf die Erzielung von Gewinn ausgerichtet ist (BAG, Urteil vom 26.01.2017 – 8 AZR 848/13BeckRS 2017, 112923).

So kann allein aus der Tatsache, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versendet hat und daraufhin mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat, noch nicht geschlossen werden, dass eine missbräuchliche Bewerbung vorliegt (BAG, Urteil vom 24.01.2013 – 8 AZR 429/11NZA-RR 2013, 346).

Der Beweis des Missbrauchs ist im Einzelfall schwer und wird wohl ohne Dokumentation von Seiten des Arbeitgebers schwer zu erbringen sein. Dem Arbeitgeber sei also geraten, die Bewerbungsprozesse sorgfältig zu dokumentieren und auf Grundlage des AGG fair zu gestalten.

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