17. Juli 2014
Zeitarbeit
Arbeitsrecht

Aktuelle Urteile zu den tariflichen Branchenzuschlägen in der Zeitarbeit

Zeitarbeitnehmer haben unter bestimmten Umständen Anspruch auf tarifliche Branchenzuschläge. Wir stellen zwei Entscheidungen von Landesarbeitsgerichten vor.

Zu der Frage, wann ein Anspruch auf tarifliche Branchenzuschläge in der Zeitarbeit besteht, gibt es im Einzelfall immer wieder (gerichtliche) Auseinandersetzungen. Unsere Beispiele drehen sich um die Beweislast hinsichtlich der Anwendung des Tarifvertrags und die Bestimmung der relevanten Einsatzzeiten.

Köln: Wer beweisen muss, dass ein Branchentarifvertrag gilt

Das LAG Köln musste sich im Rahmen der tariflichen Branchenzuschläge in der Zeitarbeit damit befassen, wer für die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags darlegungs- und beweisbelastet ist (Urteil vom 20. Februar 2014 – 6 Sa 880/13). Nach Ansicht des klagenden Zeitarbeitnehmers war der Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Metall- und Elektroindustrie (TV BZ ME) einschlägig.

Das Gericht geht davon aus, dass der Anspruchssteller, also der Zeitarbeitnehmer, die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und im Zweifel beweisen muss. Dies gelte insbesondere für die Einschlägigkeit des fachlichen Geltungsbereichs des TV BZ ME. Dieser erfordert, dass der Zeitarbeitnehmer in einem Kundenbetrieb eingesetzt wird, der dem Bereich der Metall- und Elektroindustrie zuzuordnen ist.

Etwaigen Schwierigkeiten, die sich mangels eigener Kenntnismöglichkeiten ergäben, sei durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen. Diese griffen ein, wenn ein darlegungspflichtiger Kläger außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs stehe, aber der Beklagte alle wesentlichen Tatsachen kenne oder sich unschwer zu beschaffen könne.

In Anwendung dieser Grundsätze sei es dem Zeitarbeitnehmer nach einer Beweisaufnahme nicht gelungen zu beweisen, dass der fachliche Geltungsbereich des TV BZ ME tatsächlich eröffnet gewesen sei. Das LAG Köln hob im Ergebnis die noch klagestattgebende Entscheidung des ArbG Köln auf.

Bei Mischbetrieben ist die Branchenzuordnung schwierig

In diesem Fall hat die prozessuale Darlegungs- und Beweislast dem klagenden Zeitarbeitnehmer „das Genick gebrochen″. Dieser konnte bereits nicht darstellen, dass der Einsatzbetrieb tatsächlich dem Metall- und Elektro-Bereich zuzuordnen ist. Dort wurden keine Tarifverträge angewendet. Außerdem gab der beklagte Personaldienstleister an, dass der Einsatzbetrieb dem Bereich des Handels zuzuordnen sei.

Gerade bei Mischbetrieben können im Ergebnis erhebliche Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Begründung der Klage entstehen. Zu recht geht das LAG Köln dabei davon aus, dass insoweit der Tätigkeitsschwerpunkt des Betriebs zu ermitteln sei, der – so das Gericht – hier nicht im Metall- und Elektro-Bereich liege.

Mainz: Wann frühere Einsatzzeiten anzurechnen sind

Das LAG Rheinland-Pfalz hat sich mit dem Thema der tariflichen Branchenzuschläge in der Zeitarbeit unter einer anderen Fragestellung befasst (Urteil vom 24. April 2014 – 5 Sa 25/14): Es ging dabei um den Tarifvertrag über Arbeitnehmerüberlassungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie (TV BZ TB), der am 1. April 2013 in Kraft getreten ist. Sind die von dem Zeitarbeitnehmer vor dem Inkrafttreten abgeleisteten Einsatzzeiten im Kundenbetrieb anzurechnen, wenn der Einsatz am 31. März 2013 endete, später aber wieder aufgenommen und fortgesetzt wurde?

Der klagende Zeitarbeitnehmer berief sich auf § 6 Abs. 2 TV BZ TB zur Anrechnung von Voreinsatzzeiten, der wie folgt lautet:

Mit Inkrafttreten des Tarifvertrages beginnen die für die Berechnung des Branchenzuschlags maßgeblichen Einsatzzeiten im jeweiligen Kundenbetrieb neu zu laufen.

Für Mitarbeiter, die am 01.04.2013 bereits 6 Wochen oder länger im ununterbrochenen Einsatz im Kundenbetrieb stehen, gilt die erste Stufe nach § 2 Abs. 3 bereits ab dem 01.04.2013 als erfüllt. Dieser Mitarbeiter erreicht die nächste Stufe am 15.05.2013 und die dann folgenden weiteren Stufen zu den entsprechenden Zeiten.

Zum 31. März 2014 wurde er jedoch abgemeldet und erst aufgrund eines krankheitsbedingten Ausfalls eines Kollegen am 4./5. April 2014 sowie ab dem 6. Mai 2014 wieder in dem Textilbetrieb eingesetzt. Mit seiner Klage macht der Zeitarbeitnehmer ergänzende Branchenzuschläge für die Monate April bis September 2014 geltend.

Stichtagsregelung entscheidend

Das Gericht stellt hierzu Folgendes fest: Steht der Zeitarbeitnehmer am Stichtag (hier: 1. April 2013) in keinem branchenzugehörigen Kundenbetrieb im Einsatz, kann er die erste Stufe der tariflichen Branchenzuschläge nicht bereits am 1. April 2013 beanspruchen. Dies soll nach Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz zumindest gelten, wenn keine rechtsmissbräuchliche Einsatzabmeldung erfolgt sei.

Der Zeitarbeitnehmer habe nach Maßgabe des TV BZ TB keinen über die bereits geleisteten Zahlungen hinaus gehenden Anspruch auf Branchenzuschläge, da der Kläger am Tag des Inkrafttretens des TV BZ TB am 1. April 2013 in keinem Kundenbetrieb der Textil- und Bekleidungsindustrie im Einsatz gewesen sei. Nach § 6 Abs. 1 TV BZ TB beginnen die für die Berechnung des Branchenzuschlags maßgeblichen Einsatzzeiten ab diesem Zeitpunkt neu zu laufen.

Vor dem 1. April 2013 zurückgelegte Zeiten der Beschäftigung im Kundenbetrieb fänden keine Berücksichtigung. Auch sei die Ausnahmeregelung nach § 6 Abs. 2 TV BZ TB vorliegend nicht einschlägig, da der Zeitarbeitnehmer nicht zu dem von der tariflichen Regelung erfassten Personenkreis zähle. Zudem gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abmeldung des Zeitarbeitnehmers rechtsmissbräuchlich erfolgt sei.

Auch die Überlegung, dass fast kein Zeitarbeitnehmer den sofortigen Branchenzuschlag beanspruchen könne, da am 1. April 2013 (Ostermontag) in der Textil- und Bekleidungsindustrie in der Regel nicht gearbeitet werde, sei nicht überzeugend: Schließlich hätten die Tarifvertragsparteien gewusst, dass der relevante Stichtag auf einen gesetzlichen Feiertag falle. Abgesehen davon komme es in Zusammenhang mit § 6 Abs. 2 TV BZ TB nicht darauf an, ob der Zeitarbeitnehmer am Ostermontag tatsächlich gearbeitet habe. Entscheidend sei vielmehr, dass der Einsatz entsprechend andauere.

Überzeugendes Urteil aus Rheinland-Pfalz zu tariflichen Branchenzuschlägen in der Zeitarbeit

Die Tarifvertragsparteien haben in § 6 Abs. 2 TV BZ TB eine eindeutige Stichtagsregelung vorgesehen, die die Anerkennung von Voreinsatzzeiten in einem branchenzugehörigen Betrieb hinsichtlich der Zahlung der tariflichen Branchenzuschläge abschließend regelt. Ist der Einsatz des Zeitarbeitnehmers vor dem betreffenden Stichtag formal beendet, wird dessen „Konto″ auf null gesetzt. Dies bedeutet, dass er bei einem späteren Einsatz im Kundenbetrieb hinsichtlich der relevanten Zeiten neu startet.

Ein „Hineinlesen″ von § 2 Abs. 2 TV BZ TB kommt in diesem Zusammenhang nicht in Betracht, da die Tarifvertragsparteien in § 6 TV BZ TB eine klare Bestimmung getroffen haben, wann und insbesondere unter welchen Umständen Voreinsatzzeiten Berücksichtigung finden sollen. Dieser Regelungswille kann nicht dadurch ausgehebelt werden, dass die getroffene Wertung in einen anderen Zusammenhang übertragen wird.

Anders beurteilen könnte man den Fall, wenn die Unterbrechung des Einsatzes dazu dient, den Anspruch auf Zahlung des tariflichen Branchenzuschlags zu vermeiden. Der klagende Zeitarbeitnehmer trägt für einen entsprechenden Rechtsmissbrauch jedoch die Darlegungs- und Beweislast. Allgemeine Erwägungen und Tatsachen, wie die „zufällige″ Beendigung des Einsatzes in zeitlicher Nähe zu oder einen Tag vor dem relevanten Stichtag, sind insoweit nicht ausreichend. In der Praxis wird es dem Kläger wohl regelmäßig nicht gelingen, einen Rechtsmissbrauch darzustellen, es sei denn, er kann die entsprechende Umgehungsabsicht durch Zeugen oder Schriftstücke darlegen.

Bedauerlicherweise hat das LAG Rheinland-Pfalz die Revision zum BAG nicht zugelassen. Das verwundert ein wenig, sind die relevanten Fragen zur Auslegung des TV BZ TB – auch wegen der vergleichbaren Regelungen in den Tarifverträgen der anderen Branchen – sicherlich von allgemeiner Bedeutung. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das LAG Hamburg hinsichtlich der Auslegung der Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten vor Inkrafttreten des Tarifvertrages zumindest in eine abweichende Richtung zu denken scheint (Urteil vom 11. Februar 2014 – 2 Sa 51/13).

Dieser Blogbeitrag ist angelehnt an einen Artikel der Juli-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, mit dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen zu beziehen, schreiben Sie mir bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com).

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