2. Juni 2015
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Arbeitsrecht

Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis – Wettbewerbswidrig? 

Ein Personaldienstleister kann wettbewerbsrechtlich nicht gegen ein Unternehmen vorgehen, das ohne eine Erlaubnis Arbeitnehmerüberlassung betreibt.

Fest steht, dass eine illegale Arbeitnehmerüberlassung mit einschneidenden Konsequenzen verbunden sein kann, insbesondere für das Kundenunternehmen, das auf Grundlage der gesetzlichen Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem eingesetzten Mitarbeiter (§ 10 Abs. 1 S. 1 AÜG) ohne sein Zutun auf einmal mehr Arbeitnehmer beschäftigt, als diesem wohl lieb sein dürfte.

Umgekehrt werden dem Personaldienstleister ggf. für dessen Betrieb wichtige Mitarbeiter entzogen; dem Arbeitnehmer wird – auch ohne und sogar gegen seinen Willen – ein neuer Arbeitgeber „aufgedrängt″.

Bislang ist allerdings nicht höchstrichterlich entschieden, ob auch außerhalb dieses für die Arbeitnehmerüberlassung typischen Dreiecksverhältnisses zwischen Personaldienstleister, Kunden und Zeitarbeitnehmer stehende „Wettbewerber″ Ansprüche aus oder wegen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung ableiten können.

OLG Frankfurt: Unterlassung aus wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht möglich

Das OLG Frankfurt a.M. musste sich damit befassen, ob ein Personaldienstleister unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten Unterlassung von einem Unternehmen verlangen kann, das ohne eine Erlaubnis nach § 1 AÜG Arbeitnehmerüberlassung betrieben hat. Dies hat das Gericht im Ergebnis abgelehnt (Urt. v. 29.01.2015 – 6 U 63/14).

Die Erlaubnispflicht in § 1 AÜG stellt zwar nach Ansicht des OLG Frankfurt eine Marktzutrittsregel dar. Verstöße gegen eine solche würden von § 4 Nr. 11 UWG erfasst, wenn die Vorschrift zugleich als Marktverhaltensregelung zu qualifizieren sei. Eine solche Doppelfunktion liege in der Regel vor, wenn die Betätigung auf einem bestimmten Markt einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnis bedürfe und die betreffende Norm damit gleichzeitig im Interesse der Marktpartner eine bestimmte Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der angebotenen Waren oder Dienstleistungen sicherstellen wolle.

Diese Schutzfunktion besäßen z. B. Vorschriften, die als Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten, etwa ärztlicher Behandlungen, anderer freiberuflicher oder aber handwerklicher Tätigkeiten, im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit den Nachweis besonderer fachlicher Fähigkeiten forderten.

AÜG mit sozialpolitischer Zielsetzung – ohne Marktbezug

Die Regelungen des AÜG und namentlich die dort festgelegte Erlaubnispflicht hätten allerdings eine sozialpolitische Zielsetzung. Sie sollten den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutz der überlassenen Mitarbeiter sicherstellen. Arbeitnehmerschutzvorschriften würden dabei regelmäßig allein den Interessen der Beschäftigten dienen und wiesen deshalb nicht den erforderlichen Marktbezug auf. Arbeitnehmer seien nämlich bereits keine Teilnehmer am Markt derjenigen Produkte oder Dienstleistungen, an deren Herstellung oder Erbringung sie selbst mitwirkten.

Dem sozialpolitischen Ziel des § 1 AÜG lasse sich auch weder entnehmen, dass ein unmittelbar marktbezogener Zweck verfolgt würde (wie bei Ladenschlussregelungen), oder dass sie die wettbewerbsbezogene Zielrichtung hätten, „Schmutzkonkurrenz“ auf den jeweiligen Güter- und Dienstleistungsmärkten zu verhindern (wie bei den Vorschriften über den Mindestlohn).

Bis zur Klärung durch BGH sind die Behörden gefragt

Soweit bekannt, befasst sich erstmals ein Oberlandesgericht mit der Frage, ob ein Zeitarbeitsunternehmen gegen einen „Konkurrenten″, der ohne über eine entsprechende Erlaubnis zu verfügen, Arbeitnehmerüberlassung betreibt, wettbewerbsrechtlich vorgehen und die Unterlassung der Geschäftspraktiken gerichtlich untersagen lassen kann. Dies hat das OLG Frankfurt zwar verneint, indem es § 1 AÜG die vom BGH für Marktverhaltensregeln geforderte wettbewerbsbezogene sekundäre Schutzfunktion abspricht. Ob dieser Ansatz im Ergebnis überzeugend ist, soll an dieser Stelle nicht vertieft erörtert werden (kritisch dazu: Eifinger, GRUR 2015, 150).

Auf Grundlage des Urteils des OLG Frankfurt ist aber zunächst davon auszugehen, dass Zeitarbeitsunternehmen – zumindest aus wettbewerbsrechtlicher Sicht – nicht erfolgreich gegen „schwarze Schafe″ in der „Branche″ vorgehen können. Vielmehr sind die Behörden am Zug, die bei einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung Bußgelder verhängen können (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 AÜG).

Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist allerdings nicht rechtskräftig. Inzwischen hat der unterlegene Personaldienstleister Revision eingelegt, die unter dem Az. I ZR 71/15 geführt wird. Ob der BGH der Ansicht des OLG Frankfurt tatsächlich folgen wird, bleibt abzuwarten. Trotz der abschlägigen Entscheidung aus Frankfurt ist es selbstverständlich weiterhin möglich, dass Personaldienstleister – im Zweifel im Zuständigkeitsbereich anderer Oberlandesgerichte – „Wettbewerber″ bei einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Das Urteil des OLG Frankfurt ist insoweit nicht bindend, so dass bei einer entsprechend überzeugenden Argumentation nicht ausgeschlossen ist, dass aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ein entsprechender Anspruch auf Unterlassung auch „durchgewinkt″ wird. Endgültige Rechtssicherheit wird in diesem Zusammenhang allerdings erst eine Entscheidung des BGH bringen.

Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie der Mai-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, mit dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen zu beziehen, schreiben Sie mir bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com).

Tags: Arbeitnehmerüberlassung AÜG Marktbezug Personaldienstleister Zeitarbeit