10. Juni 2016
Arbeitsrecht Fußball-EM
Arbeitsrecht

Arbeitsrecht und Fußball-EM – das müssen Sie beachten!

Das Land ist angesichts der anstehenden Fußball-EM im Ausnahmezustand. Wir klären die Besonderheiten im Arbeitsrecht während der allgemeinen Euphorie.

Endlich ist es wieder soweit: Autos werden mit Fahnen dekoriert, die Supermärkte rüsten auf und halten Equipment für Fußball-Grillpartys bereit, Biergärten stellen Leinwände auf, Vuvuzelas tönen durch die Straßen und das ganze Land ist im Fußballfieber.

Austragungsland der Fußball-EM ist dieses Mal unser Nachbarland Frankreich. Zeitverschiebung und Fußballspiele in der Nacht wie bei der letzten WM bereiten dieses Mal daher keine Probleme. Allerdings findet eine Reihe von Spielen unter der Woche nachmittags um 15 Uhr statt. Dies ist zumindest für erwerbstätige Fußballfans ungünstig.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass in der Praxis selten handfeste arbeitsrechtliche Probleme auftreten, da die meisten Arbeitgeber die Fußballbegeisterung ihrer Mitarbeiter teilen. Für den Fall, dass es dann aber doch zu Konflikten kommt und Grenzen aufgezeigt werden müssen, haben wir eine Reihe arbeitsrechtlicher Fragestellungen rund um die EM zusammengestellt.

Muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer – gegebenenfalls sogar kurzfristig – für den Zeitraum der Fußball-EM Urlaub gewähren?

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dem Urlaubsantrag seines Arbeitnehmers entsprechen. Allerdings können betriebliche Belange einem Urlaub zur Fußball-EM entgegenstehen.

Sind durch die Abwesenheit eines Arbeitnehmers erhebliche Beeinträchtigungen im Betriebsablauf zu erwarten, kann der Arbeitgeber den Urlaub verweigern. Das dürfte allerdings in der Regel nur bei kurzfristigen Anfragen ein Problem sein. Beantragt der Arbeitnehmer lange im Voraus seinen Urlaub, muss das Unternehmen für einen Ersatz sorgen.

Tragen mehrere Mitarbeiter denselben Urlaubswunsch vor, so ist vom Arbeitgeber eine Abwägung unter sozialen Gesichtspunkten vorzunehmen. Hat der Arbeitgeber bereits einem seiner Mitarbeiter Urlaub in einem bestimmten Zeitraum gewährt, so kann er dies den anderen Angestellten entgegenhalten.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter auch an Einzeltagen Urlaub gewähren muss. Schließlich interessieren sich viele Zuschauer lediglich für Spiele ihrer Heimatnation, sodass sie nicht für den ganzen Zeitraum der Fußball-EM Urlaub benötigen. Hier gilt – zumindest für den gesetzlichen Urlaubsanspruch – der Grundsatz des Vorrangs des ungeteilten Urlaubs. Dies gibt dem Arbeitnehmer das Recht, den Urlaub an aufeinanderfolgenden Tagen gewährt zu bekommen. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass der Arbeitgeber vereinzelte Urlaubstage ablehnen kann.

Kann ein Arbeitnehmer, der in Schichtarbeit tätig ist, verlangen, in eine andere Schicht umgesetzt zu werden, um ein spezielles Fußballspiel verfolgen zu können?

Die Einteilung der Mitarbeiter in Schichten unterliegt dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht. Der Arbeitgeber hat dabei nach „billigem Ermessen“ zu entscheiden. Die Hobbys seiner Mitarbeiter muss er nicht zwangsläufig berücksichtigen.

Ist also ein fußballbegeisterter Mitarbeiter einmal in eine Schicht eingeteilt worden, so ist dies für ihn verbindlich.

Darf der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz früher verlassen, um ein Spiel sehen zu können? Was passiert, wenn der Arbeitnehmer aufgrund ausgiebiger Siegesfeiern wiederholt morgens zu spät zur Arbeit kommt?

Auch wenn beide Fragen auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhen, unterscheidet sich ihre Beantwortung im Endeffekt nicht. Soweit arbeitsvertraglich oder durch kollektive Regelungen feste Arbeitszeiten vereinbart wurden, gilt bei verfrühtem Gehen oder verspätetem Kommen Folgendes:

Wer die versprochene Leistung nicht erbringt, verletzt seine vertraglichen Pflichten. Es bedarf also einer vorherigen Absprache mit dem Arbeitgeber. Andernfalls kann bei Fernbleiben von der Arbeit innerhalb der Arbeitszeit abgemahnt und im Wiederholungsfall auch gekündigt werden.

Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer natürlich auch keinen Vergütungsanspruch für diese Zeit. Das gilt auch, wenn der Grund der Verspätung des Mitarbeiters nicht die vorabendliche Feier, sondern der Verkehr in der Stadt ist. Liegt beispielsweise eine abgesperrte Fanmeile zum „Public Viewing“ auf der Fahrtstrecke und löst diese ein Verkehrschaos aus, trägt der Arbeitnehmer das sogenannte „Wegerisiko“.

Anders verhält es sich selbstverständlich, wenn flexible Arbeitszeiten vereinbart wurden. Dann darf der Mitarbeiter außerhalb der Kernarbeitszeit grundsätzlich frei über seine Arbeitszeiten disponieren. Aber auch hier kann es Ausnahmen geben. In der Regel verlangen flexible Arbeitszeitmodelle, dass gewährleistet sein muss, dass nicht eine ganze Abteilung bereits ab 15 Uhr unbesetzt ist.

Erhält der Mitarbeiter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wenn er aufgrund eines „Katers“ nicht zur Arbeit kommen kann, oder wenn er sich im Rahmen einer Fußball-EM-Feierlichkeit verletzt hat?

Den Arbeitgeber trifft nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) eine Pflicht zur Gehaltszahlung im Krankheitsfall, solange die Krankheit unverschuldet ist. Ein Verschulden liegt beispielsweise dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Schlägerei provoziert, bei welcher er verletzt und infolgedessen arbeitsunfähig wird.

Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer einen Autounfall verursacht und Alkoholeinfluss hauptursächlich dafür war. Kann ein Mitarbeiter wegen zu hohen Alkoholkonsums am Vorabend nicht zur Arbeit erscheinen – sei es, dass er morgens noch stark alkoholisiert ist, sei es, dass er mit „Kater“ das Bett hütet – hat er dies ebenfalls verschuldet und dürfte aus der Entgeltfortzahlung herausfallen.

Allerdings ist für den Arbeitgeber in der Praxis der Nachweis schwierig, weil kaum ein Mitarbeiter ein eigenes Verschulden zugeben dürfte.

Welche Handhabe hat der Arbeitgeber, wenn der Mitarbeiter eine Krankheit ankündigt?

Will der Mitarbeiter nach einer Fußballnacht ausschlafen oder sich nicht genehmigten Urlaub über Krankheitstage hereinholen und kündigt er dies vorher am Arbeitsplatz an, so kann der Arbeitgeber fristlos kündigen, wenn er nachweisen kann, dass der Mitarbeiter tatsächlich nicht krank war. Eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entfällt selbstverständlich.

Dürfen Arbeitnehmer während der Arbeitszeit ein Fußballspiel im Radio oder gar im Fernsehen verfolgen?

Viele Unternehmen organisieren während der Fußball-EM einen Fernseher und bieten den Mitarbeitern an, gemeinschaftlich Fußball zu sehen. Auch gibt es zahlreiche Betriebe, in denen Radiohören sogar außerhalb von EM-Zeiten üblich ist.

Ist beides nicht der Fall, wird gegen Radiohören oder auch Fernsehen am Arbeitsplatz während der Fußball-EM in der Regel nichts einzuwenden sein, soweit die Art der Arbeit oder eventueller Kundenkontakt dies zulässt und die Kollegen sich nicht gestört fühlen. Ein Recht darauf besteht jedoch nicht.

Können Mitarbeiter die Spiele über Liveticker im Internet verfolgen?

Eine weitere Möglichkeit, sich über den aktuellen Spielverlauf auf dem Laufenden zu halten, ist der Liveticker im Internet. Aber auch dieser darf nicht ohne Weiteres vom Mitarbeiter verwendet werden. Hier kommt es darauf an, wie die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit geregelt ist. Selbst wenn diese grundsätzlich erlaubt ist, ist eine ausschweifende Nutzung davon in aller Regel nicht umfasst. Soweit ein ganzes Fußballspiel am Liveticker verfolgt wird, ist von einem solch exzessiven Gebrauch auszugehen. Verwendet der Arbeitnehmer trotz eines privaten Nutzungsverbots das Internet in dieser Form, kann dies ein Grund für eine Abmahnung oder gar eine Kündigung sein.

Darf der Arbeitnehmer über das betriebsinterne E-Mail-System Tickets für EM-Spiele oder für das Public Viewing anbieten/erwerben?

Wie der Gebrauch des Livetickers stellt der An-/Verkauf von Tickets eine private Nutzung des Systems dar. Auch hier kommt es also wieder darauf an, wie die private Nutzung des firmeneigenen Internets im Unternehmen geregelt ist.

Im Gegensatz zur exzessiven Nutzung eines Livetickers wird man aber nicht sofort eine Kündigung aussprechen können. Es muss zuvor eine Abmahnung erfolgen.

Sind Tippgemeinschaften zur Fußball-EM im Büro statthaft?

Finden die Wetten in der Mittagspause und/oder außerhalb der Arbeitszeit statt und werden die Mitarbeiter nicht von der Arbeit abgehalten, dürfte in der Regel nichts gegen derartige Tippgemeinschaften sprechen.

Darf Alkohol am Arbeitsplatz konsumiert werden? Was kann der Arbeitgeber tun, wenn der Mitarbeiter noch Restalkohol vom Vortag im Blut hat?

Soweit nicht die vertragliche Arbeitsleistung absolute Abstinenz verlangt (zum Beispiel bei Busfahrern, Piloten, Maschinenführern), ist Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet, seine Arbeitsfähigkeit nicht durch Alkoholgenuss zu beeinträchtigen.

Ein generelles Alkoholverbot ohne Rücksicht auf den Arbeitsplatz ist nach einer weit verbreiteten Meinung in der Literatur indes nicht mit dem Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters vereinbar. Nach anderer Auffassung sind absolute Alkoholverbote in Unternehmen durchsetzbar.

Die Rechtsprechung hat sich bislang nicht dazu geäußert. Bei alkoholbedingter Beeinträchtigung der Arbeitsleistung sowie bei Eigen- oder Fremdgefährdung kann der Arbeitgeber jedoch in jedem Fall eine Abmahnung erteilen.

Ist es dem Mitarbeiter gestattet, kostümiert ins Büro zu kommen sowie Büro und/oder Dienstwagen mit Flaggen zu dekorieren?

Eingefleischte Fußballfans tragen während der EM-Zeit gerne ein Fußballtrikot, eine Deutschlandgirlande und andere Accessoires. Soweit die dienstlichen und betrieblichen Belange hierdurch nicht beeinträchtigt werden, bestehen dagegen keine Bedenken.

Gibt es aber Gründe, die gegen eine Kostümierung sprechen, darf der Mitarbeiter bei einem Verstoß gegen diese Kleiderordnung abgemahnt werden. So beispielsweise bei Kundenkontakt, oder wenn in dem Unternehmen gar ein Dresscode oder Arbeitskleidung vorgegeben ist.

Auch gegen die Dekoration des Büros oder des Dienstwagens dürfte grundsätzlich nichts sprechen, soweit nicht interne Vorschriften/Vereinbarungen oder Weisungen des Arbeitgebers etwas anderes regeln oder Kollegen, mit denen das Büro geteilt wird, Anstoß daran nehmen. In Räumlichkeiten, in denen Kundenkontakt besteht und an Fahrzeugen, mit denen Kunden aufgesucht werden, hat eine entsprechende Dekoration im Zweifel zu unterbleiben.

Wann bestehen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats?

Im Hinblick auf die zuvor angesprochenen Fragen steht dem Betriebsrat in dreierlei Hinsicht ein Mitbestimmungsrecht zu:

  1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG darf der Betriebsrat bei Urlaubsfragen mitbestimmen. Dies beinhaltet auch die Festsetzung des Urlaubs für einzelne Mitarbeiter im Streitfalle.
  2. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG ist der Betriebsrat bei der Lage der Arbeitszeit zu beteiligen. Das gilt insbesondere dann, wenn wegen der Fußball-EM die Arbeitszeiten oder die Schichten geändert werden.
  3. 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG regelt Mitbestimmungsrechte im Hinblick auf die Ordnung des Betriebs. Darunter fallen im Zusammenhang mit der EM insbesondere Fragen zur Radio-, Fernseh- und Internetnutzung im Unternehmen, die alle Mitarbeiter betreffen.
  4. 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gibt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei allen IT-Systemen, also auch soweit es um die Nutzung des Internets geht.

Um Streitigkeiten zu vermeiden, bietet es sich an, bereits im Vorfeld der Fußball-EM in Abstimmung mit dem Betriebsrat (Sonder-)Regelungen für diese Zeit zu treffen. Das gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre konkrete Befürchtungen hat. So können Unternehmen beispielsweise einen Fernseher stellen, der es den Mitarbeitern ermöglicht, gemeinsam EM-Spiele zu verfolgen.

Klar geregelt sein sollte dann aber, dass diese Zeit nicht als Arbeitszeit gewertet wird und dass sich die Arbeitnehmer dementsprechend vorher „ausstempeln“. Denkbar wäre auch, großzügigere Regelungen im Hinblick auf die erforderliche Besetzung einzelner Abteilungen/Arbeitsplätze zu treffen – denn zumindest während der Spiele der deutschen Nationalelf wird sich die anfallende Arbeit in vielen Unternehmen reduzieren.

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