8. März 2017
Notarzt Sozialversicherungspflicht
Arbeitsrecht

Beitragsbefreiung für Honorar-Notärzte in der Sozialversicherung

Einnahmen aus Tätigkeiten als Notarzt im Rettungsdienst sind unter Umständen nicht beitragspflichtig. Änderungen gelten aber nicht für Altverträge.

Überraschend hat der Bundestag am 16.Februar 2017 mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG) für Honorar-Notärzte im Rettungsdienst die Beitragsfreiheit in der gesetzlichen Sozialversicherung beschlossen. Beitragsfreiheit besteht dann, wenn die Honorar-Notärzte entweder in eigener Praxis niedergelassen oder anderweitig mit mindestens 15 Wochenstunden beschäftigt sind (BT-Ds. 18/11205).

Dies ist angesichts der strikten Rechtsprechung der Sozialgerichte zu Honorarärzten eine kleine Sensation. Der Gesetzgeber führt maßgebliche praktische Erwägungen an und hebt die Sicherstellung der notärztlichen Versorgung, insbesondere in ländlichen Regionen hervor.

Honorarärzte im Rettungsdienst inzwischen Realität

Der Einsatz von Honorarärzten entspricht schon länger der Versorgungsrealität in Deutschland. Rund 2/3 aller deutschen Krankenhäuser setzen Honorarärzte ein. Insbesondere im ländlichen Raum werden seit vielen Jahren zu einem erheblichen Anteil Notärzte auf Honorarbasis eingesetzt.

Die Praxis war zuletzt durch ein Urteil des Landessozialgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 17. April 2015 (L 7 R 60/12) alarmiert. In einem konkreten Fall wurde die Tätigkeit von Notärzten, die auf Honorarbasis tätig sind, als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eingestuft. Die daraufhin ergangene Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 01. August 2016 (B 12 R 19/15 B), die entsprechende Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen, ist vielfach als Entscheidung in der Sache fehlinterpretiert worden.

Geblieben ist die Verunsicherung, ob der Einsatz von Honorarnotärzten im Rettungsdienst regelmäßig als sozialversicherungspflichtig eingestuft werden könnte. Die gesetzliche Neuregelung will diese Unsicherheit beheben. Die Regelungen zur Beitragsbefreiung treten am Tag nach der Verkündung des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG) im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Beitragsfreiheit nur unter bestimmten Voraussetzungen, § 23c Abs. 2 SGB IV

Die Beitragsfreiheit gilt nicht für alle Notärzte im Rettungsdienst, die auf Honorarbasis tätig werden. Zentrales Element ist die Regelung in § 23c Abs. 2 SGB IV n.F. Danach sind Einnahmen aus Tätigkeiten als Notärztin und Notarzt im Rettungsdienst nur dann nicht beitragspflichtig, wenn diese Tätigkeiten neben

  1. einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes, oder
  2. einer Tätigkeit als niedergelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung ausgeübt werden.

Für Tätigkeiten, bei denen die Einnahmen nach Satz 1 nicht beitragspflichtig sind, bestehen zudem keine Meldepflichten nach dem SGB IV.

Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Notarztversorgung in Deutschland weit überwiegend durch Ärztinnen und Ärzte erfolgt, die diese zusätzlich zu einer anderen Tätigkeit übernehmen. Durch die gesetzliche Neuregelung sind aber „echte″ Honorar-Notärzte, also ohne anderweitiges (sozialversicherungspflichtiges) Beschäftigungsverhältnis oder Niederlassung, von der Befreiung ausgeschlossen. Dies gilt auch für anderweitig angestellte Ärzte, deren Beschäftigungsumfang regelmäßig weniger als 15 Stunden wöchentlich beträgt.

Die Anforderungen an das anderweitige Beschäftigungsverhältnis sind gering; erforderlich ist nur, dass die anderweitige Tätigkeit „außerhalb des Rettungsdienstes″ stattfindet. Ferner trifft der Gesetzgeber keine Unterscheidung nach der Art der vertragsärztlichen Niederlassung (Voll- oder Teilzulassung), bezieht aber Privatpraxen ausdrücklich mit ein.

Keine Auswirkungen auf bestehende Vertragsverhältnisse, § 118 SGB IV

Die Neuregelung soll allerdings nicht für bestehende Vertragsverhältnisse gelten. § 118 SGB IV sieht eine Übergangsregelung vor, wonach § 23c SGB IV n.F. nicht für (Honorar-)Einnahmen aus einer vor Inkrafttreten des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes vereinbarten Tätigkeit als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst gelten soll. Für diesen Zeitraum bleibt es in Bezug auf die Beitragspflicht zur Sozialversicherung beim bislang geltenden Recht und den damit verbundenen Risiken einer etwaigen Scheinselbständigkeit.

Trotzdem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung, § 2 SGB VII

Notärztinnen und Notärzte bleiben allerdings in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, wenn die Voraussetzungen für die Beitragsfreiheit (§ 23c SGB IV n.F.) erfüllt sind. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. d) sind Personen kraft Gesetzes (unfall-)versichert, die Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben (1.) einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder (2.) einer Tätigkeit als niedergelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung ausgeübt werden.

Damit wird der gesetzliche Unfallversicherungsschutz für Personen, die eine Tätigkeit als Notärztin oder Notarzt zusätzlich zu einer weiteren Tätigkeit ausüben, in einem Versicherungstatbestand zusammengefasst und der Versicherungsschutz für diese Personengruppe sichergestellt. Diese Versicherung ist vorrangig gegenüber der Versicherung nach den allgemeinen Regelungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 9 (Versicherungspflicht außerhalb der Privilegierung), § 135 Abs. 4 SGB VII n.F.

Zuständigkeit und Beitragserhebung richten sich nach den allgemeinen Vorschriften. Zuständig ist der Unfallversicherungsträger des jeweiligen Unternehmens, für das die Notärztin oder der Notarzt tätig wird. Diese Unternehmen sind nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII auch für alle nach der neuen Vorschrift Versicherten beitragspflichtig (BT-Ds 18/11205, S. 79).

Auswirkungen auf Honorarärzte in Krankenhäusern?

Die Neuregelung weckt natürlich Begehrlichkeiten, nun auch Honorarärzte in der ambulanten, insbesondere aber in der stationären Versorgung von der Beitragspflicht auszunehmen. Gerade hier war die Rechtsprechung der Landessozialgerichte besonders restriktiv und nahm regelmäßig eine abhängige Beschäftigung an (zuletzt LSG Schleswig-Holstein, 22.11.2016 –L 5 KR 176/16 B ER; LSG Baden-Württemberg, 27.04.2016 – L 5 R 852/14; LSG Nordrhein-Westfalen, 26.04.2016 – L 8 R 744/15 B ER).

Schon im Gesetzgebungsverfahren haben die Sozialversicherungsträger die Sorge geäußert, dass künftig weitere Berufsgruppen eine entsprechende Ausnahmeregelung fordern (und ggf. auch bekommen) könnten. Allerdings ist die Regelung nach Auffassung der Bundesregierung auf die besondere Situation der Notärzte beschränkt (BT-Ds. 18/11142, S. 11). Ferner sei die Sicherstellung der ärztlichen Akutversorgung im Notfall von herausragender gesellschaftlicher Bedeutung; dies gelte nicht in dem Maße für weitere Berufsgruppen. Die Sicherstellung der ärztlichen (Akut-)Versorgung dürfte jedoch auch dort dieselbe (herausragende) gesellschaftliche Bedeutung haben, wo der Versorgungsauftrag nur noch mit Honorarärzten erfüllt werden kann.

Der sich nur langsam konsolidierende Ärztemangel und die demografische Entwicklung werden das Problem wohl eher verschärfen, auch wenn der Einsatz von Honorarärzten – aus rechtlichen Gründen – in letzter Zeit häufiger als „Auslaufmodell″ bezeichnet wird.

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