9. Januar 2013
Gesetzesentwurf
Arbeitsrecht Datenschutzrecht

Beschäftigtendatenschutz reloaded: Noch schnell ein Gesetz im Januar!

Wir kommen gerade aus den Tiefen des digitalen Archivs, wo wir die zentimeterdicke Staubschicht von unseren letzten Berichten zum Beschäftigtendatenschutz entfernen mussten. Immerhin verdichteten sich in den vergangenen Tagen die Anzeichen, dass der seit Mai 2010 durchaus gut abgehangene Gesetzentwurf noch in diesem Monat in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden soll. Damit hatten wir – ganz ehrlich – nicht mehr gerechnet. Sollte dieses Vorhaben (was lange währt…) am Ende wirklich gelingen, hätten sowohl Unternehmen als auch Arbeitgeber endlich Sicherheit in einem praxisrelevanten Rechtsbereich.

Ob die Neuregelung wirklich kommt – und wenn ja, in welcher Form - wird indes erst mit Verabschiedung des Gesetzes feststehen: Allzu oft hatte der Gesetzgeber einen raschen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Aussicht gestellt und zuletzt Anfang 2012 bekundet, dass man „im Prinzip durch″ sei. Und selbst wenn das parlamentarische Verfahren durch die zweite und dritte Lesung nun auf die Zielgerade geht, sind auch erhebliche Änderungen in letzter Minute nicht ausgeschlossen (dies war etwa bei den BDSG-Novellen im Jahre 2009 der Fall).

Nach derzeitigem Stand scheint es bei den angekündigten Beratungen vor allem um diese Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf zu gehen:

  • Möglicherweise kommt tatsächlich ein Konzernprivileg – beschränkt auf die Übermittlung von Beschäftigtendaten „zwischen rechtliche selbständigen Unternehmen im Sinne des § 15 AktG (…), soweit dies zur Wahrung eines sich aus der Konzernzugehörigkeit ergebenden berechtigten Interesses erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegt″, so jedenfalls ein noch zu prüfender Vorschlag für § 32m BDSG – Datenübermittlung im Konzern.
  • Die heimliche Videoüberwachung von Beschäftigten soll ausdrücklich unzulässig sein, und zwar auch in Fällen des Verdachts von Straftaten oder anderer schwerwiegender Pflichtverletzungen im Beschäftigungsverhältnis, in denen in gewissem Umfang auch eine sonstige Datenerhebung ohne Kenntnis des Beschäftigten zulässig wäre. Der Einsatz von „Ferngläsern und Fotoapparaten″ bleibt aber wohl statthaft. Die Datenerhebung ohne Kenntnis des Beschäftigten soll insgesamt voraussetzen, dass ein Verdachtsfall vorliegt, bei dem „ein verständiger Arbeitgeber die Kündigung des Beschäftigten aus wichtigem Grunde in Betracht ziehen würde″. Der Regierungsentwurf hatte noch auf die Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung abgestellt – gerade über diesen Punkt könnte auch jetzt noch intensiv diskutiert werden.
  • Das Datenscreening (also der automatisierte Abgleich von Beschäftigtendaten) soll nicht nur bei Straftaten sondern nun auch „zur Erfüllung gesetzlicher Prüf- oder Kontrollpflichten″ zulässig sein. In jedem Fall ist zunächst anonymisiert/pseudonymisiert zu prüfen, erst bei Verdachtsfällen darf eine Personalisierung erfolgen.
  • Praxisnäher sollen die Vorschriften zur Erhebung von Beschäftigtendaten aus allgemein zugänglichen Quellen gestaltet werden: Insbesondere das „Googlen″ von Bewerbern wäre danach zulässig, sofern kein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse des Beschäftigten besteht. Die ursprünglich vorgesehene Informationspflicht soll entfallen, die ursprünglich vorgesehene Differenzierung in „soziale Netzwerke, die der elektronischen Kommunikation dienen″ und „sozialen Netzwerken, die zur Darstellung der beruflichen Qualifikation ihrer Mitglieder bestimmt sind″ wurde dankenswerterweise aufgegeben.
  • Grundsätzlich unzulässig soll die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Beschäftigtendaten aufgrund einer Einwilligung des Beschäftigten sein. Der Gesetzentwurf hatte hierzu schon früher wenige Ausnahmen (etwa im Zusammenhang mit der Erhebung von Beschäftigtendaten bei Dritten, ärztlichen Untersuchungen, Erhebung von biometrischen Merkmalen oder Inhalten ausschließlich beruflicher oder dienstlicher Telekommunikation) vorgesehen. Zukünftig soll eine Einwilligung auch in den Fällen zulässig sein, „in denen Daten zur Erreichung einer für den Beschäftigten rechtlich oder wirtschaftlich vorteilhaften Folge erforderlich sind″, dies gelte insbesondere für freiwillige soziale Leistungen des Arbeitgebers. Neu ist auch eine „Karenzfrist″ von zwei Tagen ab Zugang der Einwilligung; erst nach Ablauf dieser Frist darf die einwilligungsbasierte Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung beginnen.
  • Eine Abweichung von den gesetzlichen Regelungen des neuen Unterabschnitts durch andere Rechtsgrundlagen (etwa Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen) zu Ungunsten von Beschäftigten soll unzulässig sein.
  • Die „sozialübliche betriebliche Kommunikation″ soll aus dem Geltungsbereich der neuen Regelungen ausgenommen werden. Diese auf eine Intervention des Bundesrates zurückgehende Änderung verhindert, dass die freundliche Frage „Wie geht’s″ des Vorgesetzten an den gerade genesenen Kollegen als nicht automatisierte Erhebung von Gesundheitsdaten reguliert wird.

[Update 13.01.2012: Werner Hülsmann hat eine Synopse der geplanten Änderungen zwischenzeitlich auf seinem Blog zum Thema veröffentlicht. Danke an @violalachenmann für Tipp und die eigene Einschätzung. Die Beschlussvorlage für den Innenausschuss findet sich zwischenzeitlich hier.]

Macht der Gesetzgeber seine Ankündigung einer schnellen Verabschiedung nun wirklich wahr, könnten die neuen Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz im Laufe des Jahres in Kraft treten. Arbeitgebern bleiben ab Verkündung des Gesetzes immerhin sechs Monate, um gegebenenfalls erforderliche Anpassungen in der Betriebsorganisation umzusetzen.

Tags: Beschäftigtendatenschutz Bewerberdaten Einwilligung Gesetzgebung Googlen Konzernprivileg Referentenentwurf Regierungsentwurf Screening soziale Netzwerke videoüberwachung