15. Dezember 2015
Werkvertrag, Arbeitnehmerüberlassung, Arbeitsrecht
Arbeitsrecht

Die Fallschirmlösung trägt (zunächst) weiter – auch in Rheinland-Pfalz!

LAG RP zur Fallschirmlösung: vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis könne bei "Scheinwerkvertrag" Fiktion eines Arbeitsverhältnisses verhindern.

Die Abgrenzung von Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung fällt aufgrund der Vielfältigkeit der Einsätze in einer arbeitsteilig zusammenwirkenden Wirtschaft oftmals nicht leicht. Die Grenzen, wann noch ein zulässiger Werkvertrag oder schon eine verdeckte oder gar illegale Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, sind fließend.

Um die Risiken zu minimieren, die sich aus einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung ergeben, haben sich in der Vergangenheit zahlreiche auf Grundlage von Werkverträgen beauftragte Dienstleister auch eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verschafft, die als „Fallschirm″ wirken soll, wenn und soweit sich der an sich beabsichtigte Werkvertrag tatsächlich als Arbeitnehmerüberlassung darstellen sollte.

Fallschirmlösung ist umstritten

Die 3. und die 6. Kammer des LAG Baden-Württemberg haben in der Vergangenheit mehrfach bestätigt, dass über die vorsorgliche Erlaubnis die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kundenunternehmen und dem eingesetzten Arbeitnehmer verhindert werden kann (Urt. v. 18.12.2014 – 3 Sa 33/14; Urt. v. 08.04.2015 – 3 Sa 53/14; Urt. v. 07.05.2015 – 6 Sa 78/14; dazu: Bissels/Falter, DB 2015, 1842).

Die Wirkung dieses „Fallschirm″ ist jedoch nicht unumstritten. So hat die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg die legitimierende Wirkung einer vorsorglich eingeholten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bei einem Scheinwerkvertrag abgelehnt (Urt. v. 04.12.2015 – 4 Sa 41/14; dagegen: Bissels/Falter, DB 2015, 1842).

Vor diesem Hintergrund ist eine jüngst veröffentlichte Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz interessant, die sich ausdrücklich der von der 3. und die 6. Kammer des LAG Baden-Württemberg vertretenen Ansicht anschließt (Urt. v. 28.05.2015 – 2 Sa 689/14; so auch die Vorinstanz: ArbG Ludwighafen v. 30.09.2014 – 6 Ca 90/14).

LAG Rheinland-Pfalz: Keine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses

Die Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien nach § 10 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG seien nach Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz nicht erfüllt, weil der Arbeitgeber der klagenden Mitarbeiterin im Zeitraum des Arbeitseinsatzes bei der Beklagten neben dem Werkvertrag unstreitig über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (§ 1 Abs. 1 S. 1 AÜG) verfügte.

Besitze ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten Arbeitnehmer im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung zu überlassen, hindere dies eine unmittelbare Anwendung des § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG. Dies gelte auch, wenn der Einsatz des Zeitarbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolge (BAG v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13; BAG v. 03.06.2014 – 9 AZR 111/13). Gleiches müsse gelten, wenn die Arbeitnehmerüberlassung verdeckt im Rahmen eines Scheinwerkvertrages vorgenommen werde (LAG Baden-Württemberg v. 07.05.2015 – 6 Sa 78/14; LAG Baden-Württemberg v. 18.12.2014 – 3 Sa 33/14). Die nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG erteilte Erlaubnis entfalte als begünstigender Verwaltungsakt während ihres rechtlichen Bestandes Tatbestandswirkung; daran seien die Gerichte gebunden.

Keine planwidrige Regelungslücke

Eine analoge Anwendung von § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG komme ebenfalls nicht in Betracht, so das LAG Rheinland-Pfalz. Hierfür fehle es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.

Jedenfalls sei die Situation eines im Rahmen eines Scheinwerkvertrags de facto mit Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eingesetzten Mitarbeiters nicht mit der Situation eines ohne Erlaubnis überlassenen Beschäftigten vergleichbar. Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG sei erforderlich, weil bei Fehlen der nach § 1 AÜG erforderlichen Erlaubnis der Vertrag des Zeitarbeitnehmers mit dem Personaldienstleister nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam sei. Damit der Mitarbeiter in diesem Fall überhaupt in einem Arbeitsverhältnis stehe, fingiere § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG ein solches zum Kunden. Das AÜG regele demgegenüber nicht, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Dienstleister unwirksam sei bzw. beendet werde, wenn der Mitarbeiter nicht nur vorübergehend überlassen werde (vgl. BAG 10.12.2013 – 9 AZR 51/13) oder die Arbeitnehmerüberlassung verdeckt erfolge. Zwischen den Parteien sei darüber hinaus unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

Der Fallschirm rettet (noch)!

Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz bekräftigt die überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung, dass die Fallschirmlösung noch tragfähig ist. Vor dem Hintergrund der von der „GroKo″ im Koalitionsvertrag getroffenen Ankündigungen und der auch im jüngst veröffentlichten Referentenentwurf aufgenommenen Regelungen dürfte deren „Halbwertzeit″ allerdings begrenzt sein.

Das LAG Rheinland-Pfalz hat die Revision zum BAG zugelassen, so dass die streitgegenständlichen Fragen, insbesondere zur Tragfähigkeit der sog. Fallschirmlösung, einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt werden können.

Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie der November-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, mit dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen zu beziehen, schreiben Sie mir bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com).

Tags: Arbeitnehmerüberlassung Arbeitsrecht Werkvertrag