24. November 2014
Azubi mit Chef
Arbeitsrecht

Generation Praktikum: eine aussterbende Art?

Das neue MiLoG führt den Mindestlohn für Praktikanten ein. Bestehende Verträge sollten angepasst werden. Auch Auswirkungen auf den Minijob zeichnen sich ab.

Was wurden sie geknechtet und geknebelt: Voll ausgebildete Berufsanfänger hangelten sich als Generation Praktikum nach ihrem abgeschlossenen Studium über Jahre nur von einem Praktikum zum nächsten, um bei den Toparbeitgebern dieser Welt für einen warmen Händedruck arbeiten zu dürfen. Denn arbeiten mussten sie hart und viel.

Wer sich ernsthaft auf einen Arbeitsplatz bewerben wollte, der musste je nach Branche nicht nur Topnoten vorweisen. Nach Möglichkeit wurde auch eine (natürlich durch Praktika erworbene) Berufserfahrung verlangt, mit der man schon fast die neue Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch nehmen könnte. Das hat sich nicht unbedingt mit Facebook & Co erledigt.

Aber damit soll jetzt Schluss sein?

Das Mindestlohngesetz (MiLoG) räumt auf und bezieht Praktikanten ausdrücklich in § 22 in seinen Geltungsbereich mit ein.

Mindestlohn für Praktikanten

Praktikant ist, wer für eine begrenzte Dauer eine bestimmte betriebliche Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit ausübt, um praktische Kenntnisse und Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung handelt. Unerheblich ist, wie das Vertragsverhältnis bezeichnet wird.

  • Praktikanten gelten als Arbeitnehmer, für die der Mindestlohn gilt. Es sei denn es handelt sich um ein für eine Berufsausbildung erforderliches Praktikum. Genannt wird ein Pflichtpraktikum auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie.
  • Nur wenn das Praktikum nicht länger als drei Monate dauert, haben auch Personen, die ein Praktikum für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums, oder begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, keinen Anspruch auf Mindestlohn. Bei letzterem Praktikumstyp darf vorher aber noch kein solches Praktikum mit demselben Ausbildender-Betrieb bestanden haben.
  • Ferner fallen Praktika nicht unter den Mindestlohn, wenn es sich um eine Einstiegsqualifizierung nach §54a SGB III oder um eine Berufsausbildungsvorbereitung nach den §§68 bis 70 des Berufsbildungsgesetzes handelt.

Bisher „übliche″ Praktikanten, die über einen längeren Zeitraum Aufgaben im Betrieb übernehmen, werden daher ab dem 1. Januar 2015 den Mindestlohn beanspruchen können.

Praktikum während des Masterstudiums

Praktika, die länger als 3 Monate dauern, unterfallen nur dann nicht dem Mindestlohn, wenn es sich um einen Teil der Schul- oder Berufsausbildung oder des Studiums handelt. Können Studenten in einem Master-Studiengang dann noch als Praktikanten eingesetzt werden?

Der Bachelor-Abschluss dürfte zwar als Berufsabschluss anzusehen sein. Der Masterstudiengang ist davon unabhängig jedoch gleichfalls ein Studium. Daher gehe ich davon aus, dass Studenten eines Masterstudiengangs weiterhin als Praktikanten eingesetzt werden können.

Ist das Praktikum in den hochschulrechtlichen Bestimmungen des Masterstudiengangs verpflichtend vorgesehen, ist § 22 Abs. 1 Nr. 1 MiLoG maßgeblich. Dann gelten auch keine zeitlichen Höchstgrenzen, der Mindestlohn ist nicht einschlägig.

Hierfür kommt nicht jede Tätigkeit in Frage. In aller Regel schreibt schon der Lehrplan vor, was in einem Ausbildungspraktikum geleistet werden muss – einfacher Telefondienst oder Postverteilung wird man für Studenten wohl kaum als Hochschulpraktikum qualifizieren.

Wie verhält es sich für Studenten anderer Studienanbieter?

Maßgeblich sind die Vorgaben der Studienordnung oder der Ausbildungsordnung. Auch Studenten einer Fachhochschule können nur dann ein Pflichtpraktikum ableisten, wenn die ausgeübte Tätigkeit dem Lehrplan für ein Ausbildungspraktikum während des Studiums entspricht.

Arbeitgeber tun also gut daran, die Vorgaben der jeweiligen Studienordnung durchzusehen. Es ist vorab zu klären, ob die Tätigkeiten, auf denen die Praktikanten eingesetzt werden sollen, den Vorgaben des Pflichtpraktikums entsprechen.

Wenn das Praktikum nicht als Pflichtpraktikum vorgesehen ist, kann der Student nur max. drei Monate „begleitend zu seiner Hochschulausbildung″ ein Praktikum absolvieren; und auch nur, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbilder bestanden hat (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 MiLoG). Auch Masterstudenten wird man immer nur einmal als Praktikanten höchstens drei Monate ohne Mindestlohn einsetzen können.

Ein Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums wird man nur einmal beim jeweiligen Arbeitgeber machen können.

Stirbt auch noch der Minijob?

Das Praktikum oder der Mindestlohn haben übrigens nichts mit der Thematik „Minijob″ zu tun. „Minijob″ ist kein Vertragstyp, sondern eine sozialversicherungsrechtliche Einordnung.

Bei einem Minijob werden Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung nicht nach den üblichen Sätzen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber abhängig vom Bruttogehalt gezahlt. Der Arbeitgeber führt nur einen Pauschalbetrag an die Bundesknappschaft ab.

Beim Arbeitnehmer gibt es keine weiteren Abzüge. Es handelt sich also um einen 450 Euro-Nettolohn. In den meisten Fällen ist ein Minijob ein normales (Teilzeit-)Arbeitsverhältnis. Der Mindestlohn wird hieran nichts ändern.

Durch den Mindestlohn wird sich in einem Minijob aber die zu leistende Stundenzahl verringern. Wer jetzt mit einem Stundensatz von z.B. 5,00 Euro beschäftigt wird, kann für 450 Euro also 90 Stunden im Monat eingesetzt werden. Mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro sind dagegen nur noch knapp 53 Stunden pro Monat zulässig.

Es ist für Arbeitgeber keine Option, wenn in einer Vereinbarung mit dem Praktikanten die Bezahlung festgelegt wird, aber die Stundenzahl offen bleibt. Dieser „Trick″ wird nach hinten losgehen, wenn sich aus Gesamtverdienst und Einsatzstunden eine Vergütung unterhalb des Mindestlohns ergibt. Und da Arbeitgeber nach § 17 MiLoG verpflichtet sind, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit von Minijobbern aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren, lässt sich eine solche Unterschreitung auch leicht nachvollziehen. Ein Formblatt für die Aufzeichnung bietet die Minijob-Zentrale hier an.

Und was wird jetzt?

Ob die Praktikanten der Vergangenheit angehören wird sich zeigen. Arbeitgeber müssen klären, ob ihr bisheriger Praktikanteneinsatz in Zukunft den Mindestlohn verlangt. Bestehende Verträge sollten sinnvollerweise angepasst werden. Bei Minijobbern stellt sich die Frage, ob in Anbetracht der höheren Stundenvergütung eine Reduzierung der Arbeitsstunden vereinbart werden soll, oder ob ein Wechsel in die sogenannte Gleitzone gewünscht ist.

So manch ein Arbeitgeber wird aber auch seinen Business Case überdenken müssen…

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