19. Februar 2016
Gesetzesentwurf, Fremdpersonaleinsatz
Arbeitsrecht

Gesetzesentwurf zur Regulierung des Fremdpersonaleinsatzes „reloaded“

Das BMAS hat eine überarbeitete Fassung des heftig kritisierten Gesetzesentwurfs zur Regulierung des Fremdpersonaleinsatzes veröffentlicht.

Nachdem das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) im November 2015 einen ersten – dem Vernehmen nach unabgestimmten – und unabhängig von der politische Couleur heftig kritisierten Gesetzesentwurf zur Regulierung des Fremdpersonaleinsatzes veröffentlicht hat, ist am 17.02.2016 eine überarbeitete Fassung verbreitet worden. Nachfolgend werden die wesentlichen Änderungen dargestellt:

Grundsätzliche Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten

Der Gesetzesentwurf sieht – insoweit wenig überraschend – weiterhin eine grundsätzliche Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten vor (§ 1 Abs. 1b S. 1 AÜG-E). Von dieser sollte – nach oben oder auch nach unten – ursprünglich nur durch einen Tarifvertrag der Einsatzbranche oder einer aufgrund eines solchen Tarifvertrages abgeschlossenen Betriebs-/Dienstvereinbarung abgewichen werden können. Mithin sollten nur tarifgebundene Unternehmen von einer (erweiterten) Höchstüberlassungsdauer profitieren können.

Inhaltsgleiche Übernahme der abweichenden tariflichen Höchstüberlassungsdauer durch tarifungebundene Kundenunternehmen

In dem überarbeiteten Entwurf ist nun eine Regelung enthalten, nach der im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags auch tarifungebundene Kundenunternehmen durch eine Betriebs-/Dienstvereinbarung die abweichende tarifliche Höchstüberlassungsdauer inhaltsgleich übernehmen können. Ist in einem Tarifvertrag der Einsatzbranche eine Öffnungsklausel zugunsten einer Betriebs-/Dienstvereinbarung vorgesehen, können die Betriebspartner selbst eine Höchstüberlassungsdauer festlegen. Nicht tarifgebundene Kundenunternehmen können sich ebenfalls auf diese Öffnungsklausel stützen, allerdings ist die zulässige Höchstüberlassungsdauer in diesem Fall auf 24 Monate begrenzt.

Besserungen in Sicht – aber nicht ohne Bedenken

Positiv zu bewerten ist, dass nunmehr nicht tarifgebundenen Kundenunternehmen die Möglichkeit haben, von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten abweichen zu können. Der ursprüngliche „Tarifzwang″, der auch aus grundrechtlichen Erwägungen kritisch zu bewerten war, wird damit zumindest verwässert. Trotz Anpassung des Entwurfs verbleiben aber dennoch massive Bedenken, die grundsätzlich gegen den gewählten Regelungsmechanismus sprechen. Die Höchstüberlassungsdauer soll zum einen von den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranchen und gerade nicht von den Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit geregelt werden. Den letztgenannten wird damit eine Regelungskompetenz entzogen, die sich auf die massiven Grundsätze der Tätigkeit der in den betreffenden Verbänden organisierten Zeitarbeitsunternehmen bezieht und auf die Kunden bzw. die dort zuständigen Tarifpartner übertragen. Zum anderen schließt der Gesetzesentwurf nach wie vor Unternehmen von der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer verlängerten Höchstüberlassungsdauer aus, wenn im Kundenbetrieb kein Betriebsrat gewählt worden ist.

Zwingende Geltung des Gleichstellungsgrundsatzes

In § 8 Abs. 1 AÜG-E ist – wie bisher – die grundsätzlich zwingende Anwendung des Gleichstellungsgrundsatzes verortet. Dort heißt es wörtlich:

„Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz).″

In dem überarbeiteten Entwurf findet sich nunmehr folgende Ergänzung:

„Erhält der Leiharbeitnehmer das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers im Entleihbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltendes tarifvertragliches Arbeitsentgelt, wird vermutet, dass der Leiharbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitsentgelts im Sinne von Satz 1 gleichgestellt ist.″

Weiterhin offene Fragen

Auch mit der obigen Ergänzung ist die Erfüllung des gesetzlich vorgesehen equal pay-Gebotes nach wie vor mit erheblichen Problemen behaftet. Denn unklar ist weiterhin, wie das relevante „geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt″ definiert wird und insbesondere welche „Lohnbestandteile″ konkret zu berücksichtigen sind. Wünschenswert wäre, wenn der Gesetzgeber eine klare Definition vornimmt, was als „Arbeitsentgelt″ in Sinne der obigen Regelung zu verstehen ist. Dabei ist es u.a. vorstellbar, auf das (tarifliche) Grundentgelt zzgl. etwaiger Zuschläge abzustellen. Dies wäre eine einfach zu bestimmende Größe, die Rechtssicherheit herstellen und den mit der obigen Bestimmung verbundenen erheblichen Organisations- und Dokumentationsaufwand zumindest reduzieren könnte.

Abweichung vom equal pay-Grundsatz

Im Gesetzesentwurf wurde die bisher schon vorgesehene Möglichkeit, vom equal pay-Grundsatz durch einen Tarifvertrag oder eine entsprechende Bezugnahme auf einen solchen abzuweichen, modifiziert. In § 8 Abs. 4 AÜG-E heißt es nun:

„Ein Tarifvertrag […] kann hinsichtlich des Arbeitsentgelts vom Gleichstellungsgrundsatz für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Entleiher abweichen. Eine längere Abweichung durch Tarifvertrag ist nur zulässig, wenn

a) nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung an einen Entleiher mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist, und

b) nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt.″

Anwendbarkeit eines Branchenzuschlagstarifvertrags

Es bleibt damit dabei, dass eine Abweichung von dem gesetzlich vorgesehenen equal pay-Prinzip grundsätzlich nur für einen Zeitraum von neun Monaten möglich ist. Eine Ausnahme, die im neuen Entwurf von 12 auf immerhin 15 Monate erweitert wurde, besteht nur, wenn für den Einsatz ein sog. Branchenzuschlagstarifvertrag anwendbar ist, der zu einer Annäherung des dem Zeitarbeitnehmer gezahlten Entgelts an die Vergütung der im Kundenbetrieb beschäftigten Stammmitarbeiter führt. Derartige, von den Arbeitgeberverbänden der Zeitarbeit mit den DGB-Gewerkschaften geschlossene Tarifverträge gelten bereits jetzt im zahlreichen Branchen, z.B. in der Metall- und Elektroindustrie und der Chemie. Dabei ermöglichen die gesetzlichen Vorschriften auch, dass durch die Anwendung der Branchenzuschläge – zumindest bei Überlassungen von bis zu 15 Monaten – in der letzten Stufe der tariflichen Näherung an das gesetzlich vorgesehene equal pay keine vollkommene Lohngleichheit eintreten muss. Den Tarifvertragsparteien bleibt es vorbehalten, eine Vergütung zu definieren, die „mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche″ als gleichwertig anzusehen ist. Dies kann aber auch ein Betrag sein, der – wie in den gegenwärtig geltenden Branchenzuschlagstarifverträgen vorgesehen – unter 100% des Vergleichsentgelts liegt (in der Regel bei maximal 90%).

Kriterienkatalog zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von anderen Vertragsverhältnissen verschwunden

Der ursprünglich in § 611a BGB-E vorgesehene Kriterienkatalog zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von anderen Vertragsverhältnissen ist in dem neuen Gesetzesentwurf nicht mehr enthalten. Gleiches gilt für die ursprünglich vorgesehene (widerlegbare) Vermutungswirkung, nach der von einem Arbeitsverhältnis auszugehen sein sollte, wenn die DRV Bund im Rahmen eines Statusverfahrens ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis festgestellt hat. Stattdessen sollen nach den gesetzgeberischen Vorstellungen folgende drei Kriterien maßgeblich für die Arbeitnehmereigenschaft sein: die Weisungsgebundenheit, die Fremdbestimmtheit sowie die persönliche Abhängigkeit (§ 611a S. 1 BGB-E).

Widersprüchliche Regelung

In § 611a S. 2 BGB-E geht es dann allerdings nicht um eine Weisungsgebundenheit, sondern um ein Weisungsrecht, das „Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann.″ Zunächst ist festzustellen, dass sich diese Regelung in einen Widerspruch zur Definition des Weisungsrechts des Arbeitgebers in § 106 GewO setzt. Dort heißt es nämlich: „Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen.“ Es findet sich in der geltenden Definition in § 106 GewO also nur die Leistungspflicht nach Zeit, Ort und Art wieder. Die Kriterien Durchführung und Dauer sind darin nicht enthalten. Warum § 611a BGB-E darüber hinaus geht, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon ist vollkommen unklar, wie sich die „Durchführung“ vom „Inhalt“ und die „Dauer“ von der „Zeit“ der Arbeitsleistung unterscheiden soll.

Fehlende Definition des Grades der persönlichen Abhängigkeit

Unverständlich ist ebenfalls § 611a S. 3 HS. 2 BGB-E. Dort heißt es: „der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab.“ In diesem Zusammenhang soll anscheinend das in § 611a S. 1 BGB-E genannte Merkmal „persönliche Abhängigkeit“ definiert werden. Es bleibt dabei aber völlig offen, ab welchem Grad der persönlichen Abhängigkeit von der Eigenschaft als Arbeitnehmer ausgegangen werden kann.

Erstaunlich ist zudem, dass der Gesetzeswortlaut im Wesentlichen darin besteht, dass der Gesetzgeber – mitunter wörtlich – inhaltliche Erwägungen des BAG „abschreibt″ (vgl. BAG v. 14.03.2007 – 5 AZR 499/06; BAG v. vom 20.05.2009 – 5 AZR 31/08) und diese in ein Gesetz zu gießen beabsichtigt. In den Entscheidungen heißt es:

„Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend.“

Fehlender Nutzen für die Praxis

Letztlich muss sich das BMAS fragen, was tatsächlich durch die Anpassung des BGB gewonnen wird, wenn sich im Wesentlichen darauf beschränkt wird, Urteile des BAG wörtlich wiederzugeben. In der Praxis hilft dies nicht, da durch die verwendeten abstrakten Rechtsbegriffe weiterhin eine am konkreten Sachverhalt durchzuführende Einzelfallbewertung durchgeführt werden muss, ohne dass sich aus dem Gesetz Anhaltspunkte ergeben, wie diese ausfallen soll. Im Ergebnis ist die Regelung vollkommen überflüssig und sollte gestrichen werden. Es sei in diesem Zusammenhang an den von Montesquieu geprägten Satz zu verweisen: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.″ Treffender kann man in Zusammenhang mit § 611a BGB-E nicht formulieren.

Zwar dürften die vorgesehenen Änderungen, wenn man den Fremdpersonaleinsatz denn schon wieder stärker gesetzlich regulieren will, mit Blick auf den zunächst eingeschlagenen Weg als Verbesserung bezeichnet werden. Dennoch sind die Neuerungen nicht ausreichend. Hinsichtlich der verbleibenden (zahlreichen) Kritikpunkte wird auf die bisherigen Veröffentlichungen verwiesen, die auch unter dem neuen Gesetzesvorschlag nach wie vor Geltung beanspruchen.

Über das Ziel hinaus geschossen

Der Entwurf geht zudem weiterhin an zahlreichen Stellen über die im Koalitionsvertrag getroffenen Festlegungen hinaus. Dies gilt insbesondere bei der Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei Schwellenwerten der unternehmerischen Mitbestimmung und der Erweiterung des Privilegierungstatbestandes in § 1 Abs. 3 AÜG-E, der bewirkt, dass das Gesetz im Bereich des öffentlichen Dienstes und der Kirchen nicht anwendbar ist.

Nach Medienberichten ist beabsichtigt, den entschärften Gesetzesentwurf Anfang kommender Woche zur Abstimmung den übrigen Ministerien zukommen zu lassen. Am 09.03.2016 könnte dieser dann im Bundeskabinett beschlossen werden. Daraufhin soll das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren folgen.

Es bleibt zu hoffen, dass in diesem Rahmen weitere Anpassungen erfolgen und sich die Große Koalition mit Blick auf die geplanten Änderungen an das hält, was sie im Koalitionsvertrag vereinbart hat – und zwar ohne darüber hinaus gehende Regulationen. Frau Merkel hat sich in diesem Zusammenhang als „Hüterin des Koalitionsvertrages″ bezeichnet – daran wird sie sich später messen lassen müssen.

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