12. Juni 2014
ehrenamtliche Helfer
Arbeitsrecht

Katastropheneinsätze ehrenamtlicher Mitarbeiter bei THW und Feuerwehr – Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis

Der starke Orkan, der Anfang dieser Woche in großen Teilen Nordrhein-Westfalens große Schäden angerichtet hat, hat einmal mehr gezeigt, wie unentbehrlich freiwillige Helfer sind. Allein mit den zuständigen Berufsträgern wäre es sicherlich nicht möglich, die betroffenen Gebiete angemessen zu unterstützen. Fast alle ehrenamtlichen Helfer gehen hauptberuflich einer anderen Tätigkeit nach. Der Einsatz bei Katastrophen wirft daher eine Reihe arbeitsrechtlicher Fragen auf.

Freistellungsanspruch bei Katastrophen

Finden Einsätze im Katastrophenschutz während der Arbeitszeit statt, sind die betreffenden Arbeitnehmer von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung qua Gesetz freigestellt. Für ehrenamtliche Helfer des THW ergibt sich dies aus § 3 Abs. 1 Satz 2 des Bundesgesetzes über das Technische Hilfswerk (THW-Gesetz), bei Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr folgt dies für Nordrhein-Westfalen aus § 12 Abs. 2 Satz 2 des NRW-Landesgesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG).

Für die Dauer des Einsatzes (inklusive der notwendigen Pausen und Fahrzeiten zum Einsatzort) ist der Arbeitnehmer mithin nicht verpflichtet, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Er muss sie weder nachholen noch für den jeweiligen Einsatz Urlaub nehmen. Da es sich – jedenfalls beim THW-Gesetz – um ein Bundesgesetz handelt, gilt dies auch für solche Einsätze, die außerhalb des Bundeslandes stattfinden, in dem der Helfer üblicherweise einer Tätigkeit nachgeht.

Da die gesetzlichen Regelungen keinen Ausnahmetatbestand vorsehen, besteht für den Arbeitgeber überdies keine Möglichkeit, die Freistellung des Arbeitnehmers unter Verweis auf die eigenen betrieblichen Interessen einseitig zu verweigern. Denn nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 THW-Gesetz beziehungsweise des § 12 Abs. 2 Satz 2 FSHG ist der Mitarbeiter für die Dauer der Teilnahme am Einsatz von der Arbeitsleistung freigestellt, ohne dass die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers im Gesetz in irgendeiner Weise Berücksichtigung finden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass der jeweilige Arbeitnehmer von sich aus sehr wohl die Teilnahme an einem entsprechenden Katastrophenschutzeinsatz ablehnen kann. Für ehrenamtliche Helfer des THW, die sich aufgrund ihrer Mitgliedschaft im THW in einem sogenannten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis befinden, ist dies sogar ausdrücklich in der Richtlinie über die Mitwirkung der Helfer im THW (sogenannte Helferrichtlinie) geregelt. Dort heißt es unter § 5a Abs. 1 wörtlich:

„Von einzelnen Dienstveranstaltungen kann dem Helfer aus wichtigem Grund Dienstbefreiung gewährt werden. Als wichtiger Grund kommen z.B. familiäre oder berufliche Termine von großer Bedeutung in Betracht.“

Entsprechendes gilt – auch wenn hier keine ausdrückliche Regelung besteht – für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr.

Freistellungsanspruch bei Übungen

Der Arbeitnehmer kann nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich sogar bei Ausbildungsveranstaltungen des THW oder der Freiwilligen Feuerwehr, die während der Arbeitszeit stattfinden, seine Freistellung verlangen. Dieser im Gesetz angelegte generelle Vorrang des Dienstes beim THW bzw. der Freiwilligen Feuerwehr mutet allerdings sehr weitreichend an.

Richtigerweise sollte man zwischen tatsächlichen Einsätzen und Aus-/Fortbildungen unterscheiden: Während der absolute Vorrang bei einem Katastrophenschutzeinsatz durchaus zum Schutze der Allgemeinheit und im Interesse der Gefahrenabwehr noch gerechtfertigt erscheint, sind Freistellungen wegen einer Aus-/Fortbildungsveranstaltung anders zu bewerten.

Hier sind durchaus Fälle denkbar, in denen dringende betriebliche Interessen des Arbeitgebers das Interesse an einer Freistellung überwiegen müssen. Ein Beispiel wäre etwa, dass im Betrieb nur ein Mitarbeiter vorhanden ist, der eine bestimmte Tätigkeit erbringen kann. Hier dürfte es sowohl dem Helfer als auch dem THW/der freiwilligen Feuerwehr zumutbar sein, die Ausbildungsveranstaltung entweder auf einen Zeitpunkt außerhalb der Arbeitszeit zu verschieben oder aber auf die Teilnahme des betrieblich verhinderten Arbeitnehmers zu verzichten.

Der Mitarbeiter dürfte in solchen Fällen im Übrigen schon aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht verpflichtet sein, darauf hinzuwirken, dass er von der Ausbildungsveranstaltung ausgenommen wird. Höchstrichterlich geklärt ist diese – durchaus streitige – Frage bislang allerdings leider noch nicht.

Freistellung bei sonstigen Veranstaltungen

Wichtig ist schließlich auch, dass die gesetzlichen Freistellungsregelungen in § 3 Abs. 1 Satz 2 THW-Gesetz beziehungsweise § 12 Abs. 2 Satz 2 FSHG lediglich für „Einsätze und Ausbildungsveranstaltungen“ gelten. Bei sonstigen Veranstaltungen (etwa der Betreuung von Sportveranstaltungen) greifen die gesetzlichen Regelungen zur Freistellung dagegen nicht. Hier kann der Arbeitgeber die Freistellung stets verweigern und den Arbeitnehmer auf die Inanspruchnahme von Urlaub verweisen.

Entsprechendes dürfte im Übrigen auch gelten, wenn der Mitarbeiter nach einem Einsatz eine weitere Freistellung zum Zwecke der Erholung verlangt. Weder das THW-Gesetz noch das FSHG sehen eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einräumung einer solchen Erholungsphase vor.

Verhältnis zum Urlaubsanspruch

Wurde dem Mitarbeiter bereits Urlaub gewährt und wird der Arbeitnehmer während dieses Urlaubs zu einem (Katastrophen-)Einsatz vom THW bzw. der Freiwilligen Feuerwehr herangezogen, so ist der Arbeitgeber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zur Nachgewährung von (zusätzlichem) Urlaub verpflichtet (BAG vom 10. Mai 2005 – 9 AZR 251/04). Im Ergebnis gelten hier die gleichen Grundsätze, die auch bei einer Erkrankung des Mitarbeiters während des Urlaubs gelten würden.

Anzeige- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers

Unabhängig von der Frage der Freistellung hat der Mitarbeiter – vergleichbar einem Erkrankungsfall – die Pflicht, sich bei seinem Vorgesetzten ab- und auch wieder zurückzumelden, wenn er als ehrenamtlicher Helfer des THW oder als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr zu einem (Katastrophen-)Einsatz herangezogen wird. Der Arbeitnehmer muss insofern sowohl den Einsatzort als auch den Zeitpunkt seiner voraussichtlichen Rückkehr mitteilen, soweit dies bereits möglich ist.

Entsprechendes gilt selbstverständlich auch für Übungen und Lehrgänge, sollten diese ausnahmsweise während der Arbeitszeit stattfinden. Da die Ortsverbände des THW ihre Ausbildungen jeweils langfristig planen, müssen die Helfer ihre Arbeitgeber über etwaige Ausbildungsveranstaltungen frühzeitig informieren, sofern diese während der Arbeitszeit stattfinden. Geschieht dies nicht, kann die Freistellung verweigert werden.

Nach Abschluss des Einsatzes bzw. der Ausbildungsveranstaltung ist der Arbeitnehmer zudem – vergleichbar der AU-Bescheinigung im Krankheitsfall – verpflichtet, anhand entsprechender Unterlagen nachzuweisen, dass er tatsächlich hieran teilgenommen hat.

Verstößt der Mitarbeiter gegen seine Anzeige- oder Nachweispflicht, kann er wegen dieses Verstoßes abgemahnt und bei wiederholtem Fehlverhalten gegebenenfalls auch gekündigt werden. Das gilt insbesondere, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz ohne vorherige Abmeldung beim Vorgesetzten verlässt.

Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers

Die vergütungsrechtlichen Folgen eines (Katastrophenschutz-)Einsatzes sind im THW-Gesetz und dem FSHG weitgehend gleich geregelt. Hiernach ist ein Unternehmen verpflichtet, dem Arbeitnehmer für die Dauer seiner Teilnahme an Einsätzen, Übungen oder Ausbildungsveranstaltungen dasjenige Arbeitsentgelt weiterzuzahlen, das er ohne die Teilnahme hieran erhalten hätte (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 THW-Gesetz, § 12 Abs. 2 Satz 3 FSHG). Aufgrund dieses sogenannten Lohnausfallprinzips kann der Mitarbeiter mithin auch Überstundenzuschläge, Gratifikationen oder sonstige Nebenleistungen beanspruchen, wenn er die jeweiligen Leistungen ohne den Einsatz hätte verlangen können.

Nicht erfasst sind dagegen Aufwendungserstattungen (insbesondere Spesen), da diese letztlich kein Arbeitsentgelt darstellen.

Erstattungsansprüche des Arbeitgebers

Im Gegenzug ist der jeweilige Träger der Katastrophenschutzeinheit grundsätzlich verpflichtet, das vom Arbeitgeber weitergewährte Arbeitsentgelt einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung für die gesamte Ausfallzeit zu erstatten.

Eine Sonderregelung gilt allerdings für ehrenamtliche Helfer des THW. Hier ist das Arbeitsentgelt dem Arbeitgeber nur bei einem Ausfall der Arbeit von mehr als zwei Stunden am Tag oder von mehr als sieben Stunden innerhalb von zwei Wochen zu erstatten (§ 3 Abs. 2 THW-Gesetz). Werden diese Schwellenwerte überschritten, führt dies allerdings dazu, dass die gesamte Ausfallzeit zu erstatten ist. Einen „Sockelbetrag“, den der Arbeitgeber stets zu tragen hätte, gibt es nicht.

Verletzt sich der Arbeitnehmer während des Einsatzes, ist dem Unternehmen überdies auch diejenige Vergütung zu erstatten, die im Rahmen der Entgeltfortzahlung für die Dauer der Arbeitsunfähig zu leisten ist. Voraussetzung ist allerdings, dass zwischen dem Einsatz und der Arbeitsunfähigkeit ein ursächlicher Zusammenhang besteht.

Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellungen

Insbesondere in kleineren Einheiten kann der plötzliche Ausfall eines Mitarbeiters höchst problematisch werden. Aber auch der Abzug eines Spezialisten ist unter Umständen schmerzlich. Unternehmen, die ehrenamtliche Helfer beschäftigen, müssen ihren Betrieb in jedem Fall so organisieren, dass die Arbeitsabläufe nicht gestört werden, wenn ein Helfer zu einem Einsatz gerufen wird.

Daher besteht ein grundsätzliches Interesse des Arbeitgebers daran, bereits im Vorstellungsgespräch zu erfahren, ob der Mitarbeiter in spe als ehrenamtlicher Helfer aktiv ist. Es stellt sich dann jedoch die Frage, ob der Bewerber verpflichtet ist, diese Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. Nach der Rechtsprechung des BAG besteht grundsätzlich ein Fragerecht des Arbeitgebers, wenn er ein sachlich berechtigtes Interesse an der Beantwortung im Hinblick auf das konkret in Aussicht genommene Arbeitsverhältnis hat.

§ 3 Abs. 1 Satz 1 THW-Gesetz und § 12 Abs. 2 FSHG sehen andererseits vor, dass den Helfern im Arbeitsverhältnis keine Nachteile entstehen dürfen. Nach der Gesetzesbegründung soll dies auch schon im Vorfeld eines Beschäftigungsverhältnisses gelten. Auch wenn die Rechtsprechung sich bislang nicht dazu geäußert hat, wie dieser Konflikt zu lösen ist, sollte ein Unternehmen die Frage daher im Zweifel nur dann stellen, wenn sie für die betreffende Stelle tatsächlich von entscheidender Bedeutung ist.

Nebentätigkeitsklauseln in Arbeitsverträgen

Arbeitnehmer, die einer Nebentätigkeit nachgehen, sind grundsätzlich verpflichtet, ihrem Arbeitgeber dies anzuzeigen, soweit die Interessen des Unternehmens tangiert sein könnten. Dies gilt auch für ehrenamtliche Helfer. In Arbeitsverträgen finden sich häufig Klauseln, die im Detail regeln, welche Tätigkeiten anzeige- und genehmigungspflichtig sind.

Der Arbeitgeber darf ein Nebentätigkeitsverbot aber nur dann aussprechen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht. Dies wird man auch hier – wie schon beim Fragerecht des Arbeitgebers – im Zweifel wohl eher verneinen müssen. Ausnahmen sind aber denkbar. So ist schwer vorstellbar, dass etwa ein Oberarzt, der vornehmlich im operativen Bereich eingesetzt wird, zugleich für die freiwillige Feuerwehr tätig wird. Rechtsprechung existiert zu dieser Frage allerdings nicht.

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