27. Juli 2017
Mitbestimmungspflicht Outlook
Arbeitsrecht

Mitbestimmungspflicht bei MS Outlook und Facebook: Abschalten erlaubt

Mit der Digitalisierung nimmt die Kreativität der Betriebsräte zu: Mitbestimmungspflicht bei der Einführung eines Gruppenkalenders bei Microsoft Outlook.

Auf Basis des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG werden immer spektakulärere Mitbestimmungsrechte geltend gemacht:

Ging den Richtern vom BAG ein Mitbestimmungsrecht zu der Nutzung von „Google-Maps″ zur Kontrolle einer Reisekostenabrechnung noch zu weit, sieht das bei Facebook und dem Outlook-Gruppenkalender ganz anders aus.

BAG: Facebook-Auftritt kann dem Mitbestimmungsrecht unterliegen

Auch Facebook-Auftritte eines Unternehmens können dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unterliegen. Die Einführung sowie der Betrieb einer Facebook-Seite, die Besuchern die Möglichkeit bietet, Kommentare über das Verhalten und die Leistung von Mitarbeitern zu posten, ist insoweit mitbestimmungspflichtig. Der betroffene Arbeitnehmer könnte zu „Unrecht an den Pranger″ gestellt werden (BAG, Beschluss v. 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15).

Ist diese Funktion deaktiviert, besteht nur dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn nur ein einzelner Arbeitnehmer für den Facebook-Auftritt zuständig ist. Teilen sich hingegen mehrere Arbeitnehmer den Zugang, kann die Urheberschaft der Beiträge nicht mehr auf den Einzelnen heruntergebrochen werden. Ist der Betroffene nicht individualisierbar, kann keine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle stattfinden, sodass kein Raum für betriebliche Mitbestimmungsrechte besteht.

LAG Nürnberg: Mitbestimmungsrecht bei einem Outlook-Gruppenkalender

In einer neueren Entscheidung zu § 87 I Nr. 6 BetrVG hatte das LAG Nürnberg (Urteil v. 21. Februar 2017 – 7 Sa 441/16) über die Mitbestimmungspflicht bei der Einführung eines Gruppenkalenders bei Microsoft Outlook zu entscheiden. Im konkreten Fall hatten lediglich drei weitere Kollegen, die der gleichen Tätigkeit nachgehen, und der Vorgesetzte, Zugriff auf den Kalender. In diesen sollten betriebliche Termine eingetragen werden.

Der Schutzzweck der Norm besteht darin, das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers vor unkontrollierter Überwachung durch technische Einrichtungen zu schützen. Eingriffe seien nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Inwiefern allerdings eine Übersicht über betrieblich veranlasste Termine das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers beeinträchtigen kann, ist schwer nachzuvollziehen.

LAG Nürnberg: Outlook-Gruppenkalender lässt Rückschluss auf die Leistung oder das Verhalten einzelner Mitarbeiter zu

Nach Ansicht des LAG Nürnberg könne der Arbeitgeber durch die Eintragungen im Kalender Rückschlüsse auf die Koordination der Termine oder die Termindichte und damit auf die Leistung des Arbeitnehmers ziehen. Dabei spiele allerdings auch die Heimlichkeit der Maßnahme eine Rolle.

Dem ist entgegenzuhalten, dass zum einen keine privaten Termine angezeigt werden. Aus der Termindichte lässt sich zwar entnehmen, wie viel Arbeitszeit der Arbeitnehmer voraussichtlich in Terminen verbringt. Allerdings ermöglicht die Kalenderfunktion keine Leistungskontrolle hinsichtlich der Ergebnisse der Termine. Darüber hinaus dient die Kalenderfunktion nicht als Bestätigung dafür, dass die Termine auch tatsächlich in dem angesetzten Umfang stattgefunden haben. Die einzige praktische Kontrollmöglichkeit besteht darin, dass der Arbeitnehmer gegenüber seinem Vorgesetzten schlecht behaupten kann, er sei „beschäftigt″, wenn kein Termin eingetragen ist.

Interessant ist der Fall aber nicht nur deswegen, weil eine weitere Funktion eines „Alltagstools″ mitbestimmungspflichtig ist, sondern weil das LAG Nürnberg ausdrücklich nur auf die Rechtsprechung des BAG zu „Google-Maps″ aus dem Jahr 2014 Bezug nimmt. Demnach müsse die Überwachung durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu müsse diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar, also wenigstens in ihrem Kern, die Überwachung vornehmen, indem sie das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer kontrolliert. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs durch die technische Einrichtung erfolgt.

Das seit Jahrzehnten diskutierte Unmittelbarkeitskriterium hat das BAG in seinem „Facebook-Urteil″ leider nicht aufgegriffen.

Der Ausuferung des Tatbestands des § 87 I Nr. 6 BetrVG sollte entgegengewirkt werden

Das Mitbestimmungsrecht stammt aus einer Zeit, in der noch nicht von einer derart rasanten technischen Entwicklung auszugehen war. Daher hat das BAG betont, dass es nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen sei, durch die Einführung von § 87 I Nr. 6 BetrVG Innovationsprozesse zu vereiteln (BAG, Beschluss v. 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12).

Die Praxis sieht jedoch oft anders aus: Die Verhandlungen über die Einführung von IT-Applikationen dauern oft Monate und sind regelmäßig Teil von umfangreichen Deals mit dem Betriebsrat.

Um aber dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts zu genügen, würde es beispielsweise ausreichen:

  • Nur solche IT-Applikationen in den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsrechts einzubeziehen, die im Sinne des Gesetzeswortlauts „dazu bestimmt sind″, Leistungen des Mitarbeiters zu überprüfen. Dies könnte man mit Beweisverwertungsverboten kombinieren, wenn die Daten mitbestimmungswidrig erlangt wurden.
  • Das BAG könnte wieder auf das Unmittelbarkeitskriterium abstellen, sodass nur noch solche Datenerhebungen und Datenverarbeitungen erfasst sind, die direkt durch die IT-Applikation stattfinden.
  • Der Gesetzgeber könnte aber auch den Tatbestand ändern und von einer grundsätzlichen Erlaubnis der Einführung der IT-Applikation verbunden mit einem Verbot der Auswertung ausgehen. Eine solche Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt ist im Rahmen einer IT-Betriebsvereinbarung üblich.

Entscheidung zum Outlook-Gruppenkalender: Ein Beispiel, um den Reformbedarf im Mitbestimmungsrecht zu unterstreichen

Was für die Feedback-Funktion von Facebook und einem Outlook-Gruppenkalender gilt, kann ohne Weiteres auf andere Social-Media-Kanäle wie Twitter oder LinkedIn übertragen werden.

Angenommen, ein namentlicher Beitrag wird auf dem unternehmenseigenen Twitter-Account verlinkt und Sie als Leser sind der Meinung, der Beitrag sei aus welchen Gründen auch immer schlecht. Ihnen bleibt dann die Möglichkeit als fachkundiger und aufmerksamer Leser, mit einem eigenen Tweet zu antworten. Ein Betriebsrat könnte allerdings durch eine Unterlassungsverfügung die Abschaltung eines solchen Twitter-Accounts bewirken. Dies würde verhindern, dass durch einen Tweet einzelne Mitarbeiter öffentlich „an den Pranger gestellt werden″.

Die Entscheidungen zu Facebook und dem Outlook-Gruppenkalender verdeutlichen, wie groß der Abstand zwischen Rechtsprechung auf der einen Seite und den praktischen Bedürfnissen von Unternehmen und Digital Natives auf der anderen Seite ist.

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