12. Mai 2016
AÜG Reform
Arbeitsrecht

Reform des AÜG: ein Teil-Durchbruch

Regulierung des Fremdpersonaleinsatzes schreitet voran: Ein politischer, aber kein inhaltlich zufriedenstellender Durchbruch!

Nach den ersten „Anstrengungen″ von Schwarz-Rot vom 16. November 2015 und die Anpassungen am 17. Februar 2016 befasste sich der Koalitionsausschuss im April 2016 mit dem Gesetzesvorhaben. Am 10. Mai 2016 konnte schließlich ein politischer (wenn auch inhaltlich nicht zufriedenstellender) Durchbruch erzielt werden.

Der Koalitionsausschuss hat sich darauf verständigt, dass das Gesetz zur Regulierung des Fremdpersonaleinsatzes vom Bundeskabinett beschlossen werden soll. Bis zu dessen Beschluss sollen die in der Ressortabstimmung offen gebliebenen Punkte mit den nachfolgend dargestellten Änderungen angepasst werden.

Höchstüberlassungsdauer wird modifiziert

Die Regelung zur Überlassungshöchstdauer (Grundsatz: maximal 18 Monate) wird so modifiziert, dass auch nicht tarifgebundene Unternehmen („OT-Betriebe'‘) ohne zeitliche Begrenzung von tariflichen Öffnungsklauseln Gebrauch machen können. Von dem im Referentenentwurf noch enthaltenen „Deckel″ von 24 Monaten kann abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag für Betriebsver­einbarungen eine abweichende Höchstgrenze ausdrücklich festlegt. Nur wenn der Tarifvertrag für Betriebsvereinbarungen keine eigene Höchstüberlas­sungsdauer vorsieht, können nicht tarifgebundene Unternehmen eine solche von maximal 24 Monaten vorsehen.

Bei der Berechnung der Höchstüberlassungsdauer eines Arbeitnehmers wird die Unter­brechungszeit von sechs auf drei Monate verkürzt. Dies hat zur Folge, dass bei einer „Aussetzung″ des Einsatzes von bis zu drei Monaten alle davor und danach liegenden Überlas­sungszeiten zur Bestimmung des Zeitpunktes, wann die jeweils maßgebliche Höchstüberlassungsdauer erreicht ist, zusammengerechnet werden.

Equal pay: nur Überlassungszeiten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zählen

Die Einsatzdauer von neun Monaten ist grundsätzlich maßgeblich für den zwingenden Anspruch des Zeitarbeitnehmers auf equal pay. Entgegen dem bisherigen Entwurf sollen auch bei der Einsatzdauer von neun Monaten nur Überlassungszeiten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes mitzählen. Die Arbeitgeber erhalten – wie auch bei der Höchstüberlassungsdauer – also eine Übergangsfrist, so dass der Anspruch auf ein zwingendes equal pay frühestens ab dem 01. Oktober 2017 entstehen kann.

Dieser Zeitpunkt kann sich noch weiter nach hinten schieben, da noch nicht abschließend geklärt zu sein scheint, ob die geplanten gesetzlichen Änderungen tatsächlich schon zum 01. Januar 2017 oder doch erst zum 01. Juli 2017 in Kraft treten werden. Hier scheint es noch Diskussionsbedarf zu geben. Es bleibt abzuwarten, welches Datum sich in dem noch vorzulegenden Gesetzesentwurf wiederfinden wird.

Die Unterbrechungszeiten zur Errechnung des für den Anspruch auf equal pay maßgeblichen Zeitraums (im Grundsatz: neun Monate) werden – wie bei der Höchstüberlassungsdauer – von sechs auf drei Monate verkürzt. Bei einer Unterbrechung des Einsatzes von mehr als drei Monate bedarf es also einer erneuten, mindestens neun Monate andauernden Überlassung in den Einsatzbetrieb, bevor ein zwingender equal pay-Anspruch entstehen kann.

Kein Streikbruch durch Zeitarbeitnehmer

Das Kundenunternehmen darf Zeitarbeitnehmer nicht einsetzen, wenn dessen Betrieb unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist, also bestreikt wird. Zeitarbeitnehmer dürfen dann weiter überlassen werden, wenn sichergestellt ist, dass diese nicht (ggf. in der Kette) Aufgaben wahrnehmen, die bisher von streikenden Stammbeschäftigten verrichtet wurden. Das Konzernprivileg soll dadurch nicht beeinträchtigt werden.

Schwellenwerte der unternehmerischen Mitbestimmung

Zeitarbeitnehmern sollen bei der Bestimmung der Schwellenwerte bei der Unternehmensmitbestimmung beim Einsatzunternehmen mitzählen, wenn die Gesamtdauer der Überlassung sechs Monate übersteigt.

Zoll: keine Mitteilung bei Verstößen gegen den Arbeitsschutz

Bisher sieht der Gesetzentwurf eine Änderung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) dahingehend vor, dass der Zoll den Arbeitsschutzbehörden eine Mitteilung machen muss, wenn dieser Verstöße gegen den Arbeitsschutz feststellt. Diese Ergänzung entfällt ersatzlos.

Wesentliche Probleme werden nicht beseitigt

In der wohl letzten Diskussionsrunde innerhalb der Großen Koalition vor Einleitung des formellen Gesetzgebungsverfahrens hat die Union der SPD mit Blick auf die geplante Re-Regulierung des Fremdpersonaleinsatzes noch einige Punkte abringen können.

Wesentlich ist dabei insbesondere, dass es bei der Berechnung der Einsatzdauer für die Entstehung eines zwingenden equal pay-Anspruchs nun eine Übergangsfrist gibt. Nicht nachvollziehbar war, warum die vor dem 01. Januar 2017 im Kundenbetrieb absolvierten Zeiten nur bei Höchstüberlassungsdauer, nicht aber beim zwingenden equal pay außen vor bleiben sollten. Insoweit erfolgt eine konsequente Gleichbehandlung der im Gesetzesentwurf vorgesehenen zwei „harten″ Fristen von neun und 18 Monaten.

Auch die Verkürzung der Unterbrechungszeiträume bei der Fristenbestimmung ist zu begrüßen; gleiches gilt für die erweiterten Gestaltungsspielräume von nicht tarifgebundenen Unternehmen mit Blick auf die Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer durch eine Betriebsvereinbarung oder aber die Klarstellung bei dem Einsatz von Zeitarbeitnehmern in bestreikten Betrieben.

Die wesentlichen Probleme hat der Koalitionsausschluss aber auch mit den neuerlichen Anpassungen nicht beseitigt. So darf über die maßgebliche Höchstüberlassungsdauer grundsätzlich nur in Tarifverträgen der Kundenunternehmen, nicht aber der sachnäheren Zeitarbeitsbranche disponiert werden. Zudem verhält sich der Gesetzgeber nicht zu einer genauen Definition, was letztlich equal pay sein soll. Die nach neun Monaten Einsatzdauer durchzuführende Gleichstellung von Zeitarbeitnehmern und Stammbeschäftigten bei der Vergütung wird vor diesem Hintergrund für die Personaldienstleister – um es vorsichtlich zu formulieren – erhebliche organisatorische und administrative Herausforderungen nach sich ziehen. Hier sollte der Gesetzgeber klarere Vorgaben machen, die für die Praxis eine taugliche Orientierung darstellen.

Auch die (leidvolle) Kombination einer Höchstüberlassungsdauer und einem zwingenden equal pay wird beibehalten, obwohl diese für Zeitarbeitnehmer durchaus nachteilig wirken kann, wenn diese nach neun Monaten monetär mit Stammbeschäftigten im Einsatzbetrieb gleichgestellt, aber nach 18 Monaten abgemeldet werden müssen, um sodann bei einem anderen Kunden des Personaldienstleisters für im Zweifel weniger Geld weiterbeschäftigt zu werden. Dass dieses „Konzept″ nicht sinnvoll sein kann, liegt auf der Hand.

Abgesehen davon werden auch durch die aktuellen Anpassungen nicht die über die im Koalitionsvertrag getroffenen Festlegungen überschüssigen Tendenzen beseitigt. Dies gilt insbesondere für die Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei der Bestimmung der Schwellenwerte bei der unternehmerischen Mitbestimmung beim Kunden. Zwar ist jetzt vorgesehen, dass dies erst ab einer Überlassung von mehr als sechs Monaten erfolgen soll. Im Koalitionsvertrag ist aber nur die Rede von den Schwellenwerten der Betriebsverfassung.

„Was lange währt, wird endlich gut″ – so heißt es in einem Sprichwort. Davon ist der Referentenentwurf – auch unter Berücksichtigung der jüngeren Änderungen – noch weit entfernt. Im Vergleich zum Erstvorschlag aus November 2015 sind zwar einige Verbesserungen vorgenommen worden – von „gut″ kann aber nach wie vor keine Rede sein. Es bleibt abzuwarten, ob im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren weitere – aus Sicht der Zeitarbeitsbranche dringend notwendige – Anpassungen durchgesetzt werden können.

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs bei Zeitarbeit und Werkverträgen zunächst durchgewunken.

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