5. März 2015
Arbeitsrecht

Sozialplan: Keine Altersdiskriminierung durch Abfindungshöchstgrenzen

Wenn sich die Abfindung nach Einkommen und Betriebszugehörigkeit bestimmt, verstoßen Abfindungshöchstklauseln in Sozialplänen nicht gegen das AGG.

Betriebsparteien vereinbaren nicht selten sog. Kappungsgrenzen in Sozialplänen. Sie teilen die Einschätzung, dass bei typisierender Betrachtungsweise mit dem festgelegten Höchstbetrag die wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer bereits substantiell abgemildert sind. Eine überproportionale Begünstigung von Arbeitnehmern mit langer Betriebszugehörigkeit – sofern sich die Abfindung u.a. auch nach der Dauer der Beschäftigungszeit richtet – soll vermieden werden.

Eine solche Höchstgrenze hatten auch die Betriebsparteien in einem Fall vereinbart, der dem LAG Nürnberg Ende letzten Jahres (12.11.2014 – 2 Sa 317/14) zur Entscheidung vorlag. Anlass war die Klage eines Arbeitnehmers, dem im Rahmen einer geplanten Betriebsstilllegung betriebsbedingt gekündigt und eine Sozialplanabfindung ausbezahlt worden war. Die Abfindungshöhe betrug im Sinne der festgelegten Kappungsgrenze EUR 100.000,00. Ohne diese Deckelung hätte die Abfindung aufgrund der langjährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers jedoch mehr als EUR 160.000,00 betragen.

Der Kläger sah sich durch die festgelegte Höchstbetragsgrenze mittelbar benachteiligt. Nur ältere Arbeitnehmer mit ebenfalls langjähriger Betriebszugehörigkeit waren von der Deckelung betroffen. Jüngere Arbeitnehmer mit entsprechend weitaus geringerer Betriebszugehörigkeit von der Kappungsgrenze hingegen waren nicht tangiert. Nachdem die Klage durch das Arbeitsgericht Nürnberg abgewiesen wurde, legte der Kläger Berufung hiergegen ein.

Entscheidung des LAG: Höchstbegrenzungsregelung in Sozialplänen rechtmäßig

Das LAG Nürnberg hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Im Ergebnis folge weder aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, noch aus dem Verbot der Altersdiskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) die Rechtswidrigkeit einer Höchstbegrenzungsregelung in Sozialplänen.

Kein Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ziele darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung sei regelmäßig der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck. Gruppenbildungen in Sozialplänen müssten sich an deren Funktion orientieren.

Die Vereinbarung einer Höchstbetragsklausel in Sozialplänen durch die Betriebsparteien habe eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion, bezwecke jedoch nicht die Belohnung etwaiger Betriebstreue. Einer Kappungsgrenze in Sozialplänen liege zudem regelmäßig die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde. Wirtschaftliche Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer würden bei typisierender Betrachtungsweise mit dem entsprechenden Höchstbetrag angemessen ausgeglichen, jedenfalls aber substantiell abgemildert werden. Ein Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht gegeben.

Kein Verstoß gegen das AGG

Weiterhin liege weder eine unmittelbare, noch eine mittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1, 2 AGG vor. Durch eine Höchstbetragsregelung, die nicht nach dem Alter differenziere, würden Arbeitnehmer wegen ihres Alters weder bevorzugt, noch benachteiligt, weswegen eine unmittelbare Diskriminierung nicht vorliege. Nach Ansicht des LAG Nürnberg sei auch eine mittelbare Altersdiskriminierung selbst dann nicht gegeben, wenn von der Höchstbegrenzung, wie im entschiedenen Fall, typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen sind. Denn die älteren Arbeitnehmer würden durch eine Höchstbegrenzungsklausel nicht anders, sondern vielmehr genauso behandelt wie jüngere Arbeitnehmer. Auch liege hierin keine Benachteiligung, sondern vielmehr eine Begrenzung der Bevorzugung von älteren Arbeitnehmern. Im Übrigen sei eine solche Vereinbarung noch im Rahmen des gestalterischen Spielraumes, den die Betriebsparteien hätten.

Da das LAG Nürnberg in seiner Entscheidung also schon das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Benachteiligung im Sinne des § 3 AGG verneint, kam es folgerichtig auf eine mögliche Rechtfertigung nach § 10 AGG nicht mehr an.

Konsequente Fortführung bestehender Rechtsprechung

Das BAG hatte in der Vergangenheit zwar bereits mehrfach zur Zulässigkeit sog. Abfindungshöchstklauseln in Sozialplänen zu entscheiden (BAG, 26.05.2009 – 1 AZR 198/08, BAG 21.07.2009 – 1 AZR 566/08; BAG, 02.10.2007 – 1 AZN 793/07; BAG, 19.10.1999 – 1 AZR 838/98), musste sich dabei jedoch noch nicht zur Frage der Vereinbarkeit einer solchen Kappungsgrenze mit den Bestimmungen des AGG positionieren.

Das LAG Nürnberg erörtert nunmehr erstmals einen möglichen Verstoß einer Deckelung gegen Normen des AGG und lehnt diesen im Ergebnis zu Recht ab. Bereits im Jahr 2007 hatte das BAG entschieden, dass Abfindungshöchstklauseln in Sozialplänen nicht gegen das in Art. 1, Art. 2 Abs. 1, 2, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG normierte Diskriminierungsverbot verstoßen (BAG, 02.10.2007 – 1 AZN 793/07). Da mit dem Erlass des AGG im Jahre 2006 eben jene Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber umgesetzt wurde, ist es nunmehr nur konsequent, dass auch das LAG Nürnberg für Abfindungshöchstklauseln in Sozialplänen – jedenfalls wenn sich die Abfindung nach Einkommen und Betriebszugehörigkeit bestimmt – einen Verstoß gegen das AGG verneint.

Tags: Abfindungshöchstgrenzen Altersdiskriminierung Gleichbehandlungsgrundsatz Sozialplan