8. Januar 2015
Vatikan - Basilika
Arbeitsrecht

Zweite Ehe ist eine zu viel – Bundesverfassungsgericht stärkt Selbstbestimmungsrecht der Kirchen

Chefarzt muss nach Scheidung und Neuheirat nicht weiter beschäftigt werden. Die Kirche darf ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben und ihm kündigen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 22. Oktober 2014 (2 BVR 661/12) seit langem wieder grundlegend zur Prüfungskompetenz staatlicher Gerichte im Rahmen von Loyalitätsverstößen Stellung genommen. Damit hob es ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (08. September 2011 – 2 AZR 543/10) auf, welches für großes Aufsehen gesorgt hatte, weil es die Kündigung eines in zweiter Ehe verheirateten Chefarztes für unwirksam erachtet hatte. Insbesondere auf Gewerkschaftsseite war das aufgehobene Urteil des Bundesarbeitsgerichts als zeitgemäß begrüßt worden.

Da das kirchliche Arbeitsrecht in jüngster Vergangenheit in Rechtsprechung, Politik und Gesellschaft vermehrt in den Fokus gerückt ist, war es nur eine Frage der Zeit wann sich das Bundesverfassungsgericht wieder mit der Thematik würde beschäftigen müssen.

BAG: Chefarzt muss weiter beschäftigt werden

Der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses hatte nach der Scheidung von seiner ersten Frau erneut standesamtlich geheiratet. Die erste Ehe war nach kirchlichen Ritus geschlossen worden und ein eingeleitetes Annullierungsverfahren zum Zeitpunkt der zweiten Eheschließung noch nicht abgeschlossen.

Dem (damaligen) Geschäftsführer des Krankenhauses war seit 2 Jahren bekannt, dass der Chefarzt von seiner Ehefrau getrennt und zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau lebte. Zudem wurden auch nicht katholische Arbeitnehmer auf Chefarztpositionen beschäftigt und in Einzelfällen bereits widerverheiratete, katholische Chefärzte weiterbeschäftigt.

Das Bundesarbeitsgericht ging nunmehr davon aus, dass der Chefarzt durch die erneute Eheschließung gegen seine Loyalitätspflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen habe. Die gebotene Interessenabwägung führe allerdings dazu, dass dem Krankenhaus die Fortführung des Arbeitsverhältnisses weiterhin zumutbar sei.

Als Begründung führten die Richter an, dass die Interessen der Arbeitgeberin geschwächt seien. Wenn sie auch nichtkatholische Personen mit leitenden Aufgaben betraut, andere geschiedene und erneut verheiratete Chefärzte beschäftigt und jedenfalls das ehelose Zusammenleben des Chefarztes hinnimmt, sei sie selbst nicht an einer ausnahmslosen Durchsetzung ihrer sittlichen Ansprüche zur Wahrung der Glaubwürdigkeit interessiert.

BVerfG: Eingriff in Selbstbestimmungsrecht der Kirche nicht gerechtfertigt

Das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Entscheidung, dass das Autonomierecht der Kirche auch beinhalte, nach den eigenen Rechtssätzen und eigenem Ermessen auf ein Verhalten ihrer Mitglieder und Arbeitnehmer zu reagieren. Die Grundordnung der katholischen Kirche stelle klar, dass die erneute Heirat des Chefarztes als einen leitenden Angestellten und Zugehörigen der katholischen Kirche eine Weiterbeschäftigung in aller Regel ausschließe und das Absehen von einer Kündigung nur in Ausnahmefällen in Betracht komme.

Mit der Entscheidung, in Ausnahmefällen auch nicht katholische Arbeitnehmer auf leitenden Positionen zu beschäftigen, habe die Kirche in verfassungskonformer Weise ihr Selbstbestimmungsrecht ausgeübt. Indem das Bundesarbeitsgericht diese Entscheidung bewertet, habe es jedoch in unzulässiger Weise seine eigene Einschätzung der Gewichtung des begangenen Verstoßes an die Stelle der verfassten Kirche gesetzt.

Fälle, in denen ein katholischer Chefarzt nach erneuter Heirat weiterbeschäftigt wurde, habe es zwar gegeben. Allerdings seien diese Entscheidungen Umständen geschuldet gewesen, die mit dem konkreten Fall nicht vergleichbar seien. Diese Kompromissbereitschaft aufgrund besonderer Umstände sei jedoch kein Nachweis dafür, dass Verstöße dieser Art nicht grundsätzlich als gravierend eingestuft würden.

Letztlich werde nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch das Argument, wonach das ehelose Zusammenleben seit langem bekannt gewesen sei, dadurch entkräftet, dass dieser Umstand nach der Einschätzung der verfassten Kirche eine andere Qualität gehabt habe und eben nicht in einem vergleichbaren Maße dem Ethos der römisch-katholischen Kirche widersprochen habe.

Konsequente Fortführung bekannter Rechtsprechung

Das Bundesarbeitsgericht wird sich nunmehr erneut mit der Sache befassen und dabei im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG eine neue Abwägung der Interessen vornehmen müssen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Kündigung nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für wirksam erachtet wird.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fügt sich nahtlos in die Reihe vorheriger Beschlüsse ein (Beispielsweise BVerfG, 04.Juni 1985, 2 BvR 1703/83, 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84; BVerfG, 07. März 2002 – 1 BvR 1962/01). Abermals wurde den staatlichen Gerichten verdeutlicht, dass sie die Bewertung der Qualität eines Verstoßes gegen Loyalitätspflichten den verfassten Kirchen überlassen müssen.

Allerdings wird durch die Entscheidung auch deutlich, dass die verfassten Kirchen bei der Durchsetzung der Loyalitätspflichten in vergleichbaren Fällen konsequent handeln müssen. Vorliegend waren die Sachverhalte, in denen katholische Chefärzte nach Wiederheirat weiterbeschäftigt wurden, vor dem Hintergrund der konkreten besonderen Umstände zwar anders bewertbar. Die staatlichen Gerichte werden aber auch in Zukunft genau hinschauen, ob in gleichgelagerten Fällen einheitlich vorgegangen wird.

Tags: Kirche Krankenhaus Kündigung Selbstbestimmungsrecht