11. Januar 2013
Arbeitsrecht

Beim Teutates! Berliner Rechtsprechungsdurcheinander zur Zeitarbeit

In der Hauptstadt geht es dem Vernehmen nach hin und wieder drunter und drüber. Dieser Eindruck wird zumindest vermittelt, wenn man sich die jüngst veröffentlichten Entscheidungen des LAG Berlin-Brandenburg zur konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung betrachtet. Man ist geneigt – frei nach Obelix – festzustellen: „Die spinnen, die Berliner!“. Was ist geschehen?

Seit dem 01.12.2011 sieht § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG vor, dass die Überlassung von Arbeitnehmern „vorübergehend“ zu erfolgen hat. Streit besteht schon darüber, wann ein Einsatz tatsächlich noch „vorübergehend“ ist. Im Gesetz ist zudem nicht geregelt, welche Rechtsfolgen bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz eintreten sollen.

In einem Urteil vom 16.10.2012 hatte sich die 7. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg mit den individualvertraglichen Konsequenzen genau damit zu beschäftigen. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Kunden des Personaldienstleisters zu Stande gekommen sei, da die Überlassung nicht mehr vorübergehend sei. Im Ergebnis hat das LAG Berlin-Brandenburg die Klage abgewiesen. Dabei geht das Gericht zu Recht davon aus, dass das Gesetz nicht näher regele, wann ein vorübergehender Einsatz anzunehmen sei und welche Rechtsfolgen im Falle einer nicht nur vorübergehender Überlassung einträten (Az. 7 Sa 1182/12, PM Nr. 37/12 vom 16.10.2012). Die 7. Kammer vertritt letztlich die Ansicht, dass selbst bei einer nicht vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis mit dem Kunden zustande komme. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte das Tochterunternehmen einer Krankenhausbetreibergesellschaft, das mit einer entsprechenden Erlaubnis Arbeitnehmerüberlassung betreibt, dieser die als Krankenschwester beschäftigte Klägerin für die gesamte bisher über vierjährige Dauer des Arbeitsverhältnisses überlassen. Das Gericht konnte dabei offenlassen, ob es sich hierbei um eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung handele, zumindest sei die von der Klägerin geltend gemachte Rechtsfolge des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses jedenfalls vom Gesetzgeber nicht vorgesehen worden. Auch ein rechtsmissbräuchliches Strohmanngeschäft könne in derartigen Fällen jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn das Arbeitsverhältnis – wie vorliegenden – vor der Ende 2011 erfolgten Änderung des AÜG abgeschlossen worden sei.

Soweit so gut! Bemerkenswert ist, dass die 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg nach Maßgabe einer jüngst veröffentlichten Pressemitteilung in einem Parallelverfahren eine abweichende Auffassung vertritt (Urt. v. 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12, PM Nr. 01/13 vom 09.01.2013; so auch: ArbG Cottbus, Urt. v. 29.11.2012 – 1 Ca 280/12): diese hat angenommen, eine auf Dauer angelegte Arbeitnehmerüberlassung sei von der erteilten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht gedeckt; es komme daher ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kunden des (vorliegend konzerninternen) Personaldienstleisters und dem Zeitarbeitnehmer zustande. Es stelle einen „institutionellen Rechtsmissbrauch“ dar, wenn das konzerneigene Verleihunternehmen nicht am Markt werbend tätig sei und seine Beauftragung nur dazu diene, Lohnkosten zu senken oder kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen.

Diesem Ergebnis ist nicht zu folgen: es kann nicht Aufgabe der Gerichte sein zu überprüfen, wie weit eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung reicht, und entsprechende Grenzen zu definieren, deren Überschreitung arbeitsrechtlich „sanktioniert“ wird. Ein Arbeitsverhältnis wird nach §§ 10 Abs. 1, 9 Nr. 1 AÜG nur fingiert, wenn keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Dies ist in dem von der 15. Kammer entschiedenen Rechtsstreit gerade der Fall gewesen. Ein Personaldienstleister und auch dessen Kunden müssen sich mit Blick auf die einschneidenden Rechtsfolgen der §§ 10 Abs. 1, 9 Nr. 1 AÜG (Fiktion des Arbeitsverhältnisses) auf die Legitimationswirkung der behördlichen Erlaubnis verlassen können. Für die Praxis ist der gegenwärtige Zustand unter Beachtung der divergierenden Urteile der Gerichte – noch dazu von zwei verschiedenen Kammern desselben LAG – unbefriedigend und unter Berücksichtigung der erheblichen Konsequenzen höchst misslich. Da sowohl die 15. als auch die 7. Kammer jeweils die Revision zugelassen haben, bleibt zu hoffen, dass das BAG – beim Teutates – möglichst zügig im Sinne von Rechtsklarheit und –sicherheit zu den Folgen einer nicht mehr nur vorübergehenden Überlassung entscheidet.

Tags: Arbeitsverhältnis AÜG Fiktion konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung Rechtsmissbrauch vorübergehend