13. September 2012
Stilleben mit Zeit
Arbeitsrecht

CGZP: Offenes Rennen bei der Bezugnahme auf mehrgliedrigen CGB/AMP-Tarifvertrag

In der Zeitarbeitsbranche ist das „Rennen“ bislang offen: Kann durch eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die von der CGZP sowie von mehreren CGB-Gewerkschaften und dem AMP im März 2010 abgeschlossenen (mehrgliedrigen) Tarifverträge (= selbständige Vereinbarungen zwischen der jeweiligen Gewerkschaft und dem Arbeitgeberverband, die lediglich in einer Urkunde zusammengefasst wurden) wirksam der gesetzlich vorgesehene equal pay-Anspruch (§§ 10 Abs. 4, 9 Ziff. 2 AÜG) ausgeschlossen werden?

Die Arbeitsgerichte haben bislang uneinheitlich entschieden (für eine Wirksamkeit: LAG Rh.-Pf. v. 01.06.2012 – 9 Sa 24/12; LAG Düsseldorf v. 08.12.2011 – 11 Sa 852/11; ArbG Mainz v. 29.11.2011 – 6 Ca 755/11; ArbG Düsseldorf v. 06.06.2011 – 4 Ca 8180/10; ArbG Trier v. 14.02.2012 – 3 Ca 880/11; Bissels, jurisPR-ArbR 36/2012 Anm. 5 m.w.N.; a.A. LAG Niedersachsen v. 19.04.2012 – 5 Sa 1607/11; LAG Hamm v. 25.04.2012 – 3 Sa 1657/11; LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11; ArbG Lübeck v. 15.03.2011 – 3 Ca 3147/10).

In jüngst veröffentlichen Urteilen haben sich nunmehr sowohl das LAG Schleswig-Holstein (Urt. v. 25.04.2012 – 2 Sa 370/11) als auch das Sächs. LAG (Urt. v. 23.05.2012 – 2 Sa 615/11) der Auffassung angeschlossen, dass eine entsprechende Verweisungsklausel AGB-rechtlich intransparent und damit unwirksam ist. Der Arbeitsvertrag enthalte keine Regelung dazu, welche der möglichen tariflichen Regelungen unter welchen Voraussetzungen Anwendung finden sollten. Das wäre aber erforderlich gewesen. Die verschiedenen in Bezug genommenen Tarifverträge könnten unabhängig voneinander zu unterschiedlichen Zeitpunkten gekündigt, neu abgeschlossen oder inhaltlich geändert werden. Diese sich dann möglicherweise widersprechenden Tarifverträge fänden ungeachtet dessen alle aufgrund der dynamischen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, ohne dass sich im Konfliktfall bestimmen ließe, welcher Tarifvertrag der maßgebliche sei.

Diese Argumentation überzeugt nicht: Für die AGB-rechtliche Transparenz ist ausreichend, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung bestimmbar ist, welcher Tarifvertrag einschlägig ist. Dies ist jedoch unabhängig von der Anzahl der geschlossenen Tarifverträge und unabhängig von deren nachfolgender, ggf. nicht einheitlich erfolgender Änderung immer der Fall. Ggf. hypothetische Szenarien bzgl. der Entwicklungen der einzelnen Tarifverträge können nicht zu einer Intransparenz im Hier und Jetzt führen, da diese gegenwärtig inhaltlich nicht voneinander abweichen.

Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung dieser Frage besteht bedauerlicherweise eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit. Personaldienstleister müssen sich im Rahmen eines equal pay-Verfahrens – sofern die Klage nicht bereits aus anderen Gründen, z.B. aufgrund von Ausschlussfristen, abgewiesen werden muss – darüber klarwerden, ob sie den Spatz in der Hand oder die Taube auf dem Dach wählen wollen, sofern sich – wie in der Praxis regelmäßig – die Frage stellt, ob diese zur vergleichsweisen Verständigung einen anteiligen Betrag der Klageforderung zahlen möchten. Ob dies in Betracht kommt, dürfte nicht ausschließlich von der hier angesprochenen Thematik abhängen. Vielmehr sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (sonstige Einwendungen gegen den Anspruch, weitere Klagen anhängig, „negative Vorbildwirkung“ etc.). Hier ist vor allem das Fingerspitzengefühl des Personaldienstleisters gefragt.

Tags: AÜG CGB CGZP equal pay mehrgliedriger Tarifvertrag Transparenz Verweisungsklausel