13. November 2013
Kanzleialltag

Vom Nadelstreifen- zum Strampelanzug – und zurück

Vielfach heißt es, dass Familie und die Tätigkeit in einer Großkanzlei vor allem für Associates kaum zu vereinbaren seien. Ich möchte im „Selbstversuch″ das Gegenteil beweisen. Während meiner bisherigen Babypause zeichnen sich bereits zwei wichtige Erfolgsfaktoren ab: große Unterstützung im beruflichen und im privaten Umfeld sowie die eigene positive Einstellung.

Vorher

Bis zu Beginn des Mutterschutzes habe ich an unserem Münchener Standort im Bereich Corporate / M&A gearbeitet – und zwar mit großer Freude. Ich fühle mich in meinem Beruf sehr wohl, einschließlich der wenig planbaren Arbeitszeiten und der ab und an bis in die Nacht dauernden Verhandlungen und Telefonkonferenzen. Aber: Würde diese Welt wirklich mit einem Familienleben kompatibel sein?

Die Vereinbarkeitsdebatte flammte erst kürzlich wieder auf, und auch ich wurde während der Schwangerschaft häufig skeptisch gefragt, wie ich das alles organisieren würde und ob ich denn tatsächlich wieder anfangen wolle zu arbeiten.

Für mich ist klar: Mama sein ist großartig, aber ich will auf jeden Fall zurück in meinen Job. Die Arbeit im Büro und der Austausch mit Kollegen fehlen mir und ich will im Januar in Vollzeit wieder einsteigen. In meiner beruflichen Welt der Nadelstreifenanzüge müssen wir oft kurzfristig große Projektteams mobilisieren und schnell verfügbar sein. Sollte sich nicht auch so ein langfristiges Vorhaben wie das „Projekt Strampelanzug″ organisieren lassen?

Bislang jedenfalls hat sich Schritt für Schritt alles regeln lassen. Schon während der späteren Schwangerschaft habe ich meine abendliche Präsenz etwas eingeschränkt und manchmal etwas von zu Hause erledigt, was ich sonst im Büro getan hätte. Mir ist nicht bewusst, dass Kollegen hierfür kein Verständnis gehabt hätten.

Schließlich hat auch die Kanzlei ein starkes Signal gegeben, das meine Motivation zur raschen Rückkehr in den Beruf noch verstärkt hat: Während meiner Schwangerschaft stand die Entscheidung über den nächsten Karriereschritt an und ich wurde zwei Wochen nach Beginn des Mutterschutzes zum Counsel befördert.

Nachher

Seit vor drei Monaten meine Tochter geboren wurde, bin ich in die Welt der Strampelanzüge, Windeln und Kuscheltiere eingetaucht. Mein erster Eindruck: Die Organisation ist insgesamt schwieriger, aber keinesfalls unmöglich. Hier muss wahrscheinlich jeder seine individuell maßgeschneiderte Lösung finden.

Es steht und fällt natürlich mit der Unterstützung zu Hause und am Arbeitsplatz – hier habe ich es sowohl mit meinem Mann als auch mit meinem Mentor gut getroffen. Die Vorbereitungen für meine Rückkehr in den Job laufen. Zurzeit plane ich, unterstützt von meinem Mentor, das anstehende Auslandssecondment für April bis Oktober 2014. Meine Familie wird mich in dieser Zeit in die USA begleiten. Für die Zeit danach haben wir bereits einen Krippenplatz „ergattert″. Bei der Suche hat uns ein von der Kanzlei engagierter Familienservice unterstützt.

Um den Kontakt zu Kanzlei und Kollegen zu halten und auf dem Laufenden zu bleiben, bin ich momentan relativ häufig „zu Besuch″, und sei es nur für ein Mittagessen. Außerdem habe ich noch während der Elternzeit an einer zweitägigen internen Weiterbildung teilgenommen – auch hier haben wir eine kinderkompatible Lösung gefunden.

Ausblick

Mit Blick auf das kommende Jahr denke ich, dass es trotz aller Unterstützung zuweilen nicht einfach sein wird, Familie und Job unter einen Hut zu bekommen. Die zusätzlichen Herausforderungen werden aber durch die große Freude über meine Tochter mehr als aufgewogen.

Das Entgegenkommen der Kanzlei und meines Mentors ist eine große Hilfe. Dies hat meine Freude auf die Rückkehr in den Beruf noch verstärkt, und ich berichte gerne bei Gelegenheit weiter, wie sich die damit verbundenen Herausforderungen meistern lassen.

P.S.

Ich bin sicher, dass meine Tochter in einigen Jahren – sollte sie diesen Beitrag je lesen – lachen und sich darüber wundern wird, was damals als so problematisch erschien, dass es einen Blogbeitrag wert war. Das Thema „Familie und Beruf″ sollte (spätestens dann) so selbstverständlich sein, dass keiner mehr darüber schreiben muss oder will.

Tags: Elternzeit Familie und Beruf Kind und Karriere Vereinbarkeit