21. März 2012
NS-Raubkunst
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NS Raubkunst: Rückgabe einst verschollener Werke einklagbar

Der BGH (Az.: V ZR 279/10) hat entschieden, dass der Eigentümer eines durch nationalsozialistisches Unrecht entzogenen Kunstwerks, dieses nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften von dem heutigen Besitzer herausverlangen kann. Dies gilt jedenfalls, wenn das Kunstwerk nach dem Krieg verschollen war und deshalb nicht nach den Vorschriften des alliierten Rückerstattungsrechts zurückverlangt werden konnte.

In dem Fall ging es um die Plakatsammlung Sachs, die sich heute im Deutschen Historischen Museum befindet. Das Reichspropagandaministerium ließ die Sammlung 1938 aus der Wohnung von Dr. Sachs in Berlin-Schöneberg wegnehmen. Sachs emigrierte Ende 1938 in die USA. Nach dem Krieg war die Sammlung verschollen. Für ihren Verlust bekam Sachs 1961 im Vergleichsweg eine Widergutmachungszahlung von 225.000 DM nach dem Bundesrückerstattungsgesetz. Erst später erfuhr er, dass Teile der Sammlung in einem Museum der DDR aufgetaucht waren.

Anders als das Landgericht Berlin und nun der BGH, hatte das Kammergericht eine Rückgabe abgelehnt. Auch die „Beratende Kommission″ unter Vorsitz der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, die in Streitfällen über NS-Raubkunst schlichten soll, hatte sich auf die Seite des Deutschen Historischen Museums gestellt.

Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Die genaue Tragweite des Urteils ist daher noch unklar.

In seiner Pressemitteilung zu dem Urteil hebt der BGH hervor: Anders als in anderen Fällen, die der BGH bislang zu entscheiden hatte, war der verfolgungsbedingt entzogene Vermögensgegenstand in diesem Fall nach dem Krieg verschollen und erst nach Ablauf der Anmeldefrist für Rückerstattungsansprüche wieder aufgetaucht (in dem konkreten Fall der 30.06.1950 gem. Art. 50 Abs. 2 Satz 1 REAO). War der Verbleib des entzogenen Gegenstands bis zum Ablauf dieser Frist unbekannt, konnte der Geschädigte im Rahmen des Rückerstattungsverfahrens nicht dessen Rückgabe erreichen, sondern nur eine Entschädigung in Geld verlangen. Bliebe es auch nach Wiederauftauchen des entzogenen Gegenstands dabei, wäre dem Geschädigten – trotz fortbestehenden Eigentums – durch die alliierten Rückerstattungsvorschriften jede Möglichkeit genommen, die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands zu verlangen. Das ist jedoch, so der BGH in seiner Pressemitteilung, mit dem Zweck der alliierten Rückerstattungsvorschriften, die Interessen der Geschädigten zu schützen, nicht vereinbar. Zumindest in dieser Fallkonstellation ist also auch heute noch die Rückgabe von verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut einklagbar.

Tags: Beutekunst BGH Eigentum Herausgabe Kunstrecht Raubkunst Restitutionsrecht
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Katharina Garbers-von Boehm