9. November 2016
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Commercial

Werbestopper.de von GDVI – Das „gute″ Recht der Verbraucher?

Der Verbraucherdienst werbestopper.de soll Briefkastenwerbung reduzieren. Eine große Herausforderung für werbende Unternehmen.

Aktuell ist der Online-Verbraucherdienst werbestopper.de der Gesellschaft zur Durchsetzung von Verbraucher-Interessen GmbH (GDVI) in aller Munde. In vielen deutschen Großstädten lacht uns Oliver Kahn als Testimonial auf großflächigen Plakaten mit dem Werbeslogan „Ab heute bleibt der Kasten sauber!″ entgegen.

Durch den werbestopper soll es dem Verbraucher ganz im Sinne des Verbraucherschutzes noch leichter gemacht werden, Briefkastenwerbung durch Unternehmen zu untersagen. Zudem soll einerseits das Klima durch reduzierte Papierwerbung geschützt, andererseits der „Werbemüll″ in den Briefkästen gestoppt werden.

Kostenloser Service der GDVI

Die 2014 gegründete GDVI hat es sich zur Aufgabe gemacht, Rechtsdienstleistungen und redaktionelle Inhalte zum Thema „Verbraucherrecht″ anzubieten. Seit September 2016 hat die GDVI den Online-Verbraucherdienst werbestopper.de im Programm und bereits umfangreiche Werbewidersprüche im Namen vielzähliger Verbraucher an Unternehmen versandt.

Die betroffenen Unternehmen müssen dann entscheiden, ob und ggf. wie sie handeln. Die aus rechtlicher Sicht entscheidende Frage ist, ob in dem übermittelten Schreiben ein wirksamer Werbewiderspruch zu sehen ist, auf den die Unternehmen reagieren müssen.

Verfahren von werbestopper.de

Das Prozedere von werbestopper.de ist einfach: In einem ersten Schritt muss sich der Verbraucher unter Angabe von Name und Anschrift auf der Internetseite registrieren. Für die anschließende Abbestellung von Werbung in einem bestimmten Postleitzahlbereich reicht schon ein einziger Mausklick des registrierten Verbrauchers. Dadurch werden alle in diesem Postleitzahlbereich werbenden Unternehmen automatisch auf eine sog. „Blacklist″ gesetzt.

Den Verbrauchern steht es anschließend frei, einzelne Unternehmen von dem umfassenden Werbeverbot durch „Whitelisting″ wieder auszunehmen. Diesen Unternehmen soll es – quasi als Ausnahme in diesem Postleitzahlbereich – weiterhin erlaubt sein, zu werben.

Die GDVI sammelt alle eingehenden Werbewidersprüche und verschickt unter Aufzählung der jeweiligen Verbraucher samt Namen und Adressen einen konsolidierten Werbewiderspruch an die betroffenen Unternehmen. In den undatierten und nicht unterzeichneten Schreiben lässt der Verbraucher den Unternehmen durch die GDVI mitteilen, dass er

„ab sofort keine Werbung Ihres Unternehmens, der mit Ihnen verbundenen Unternehmen und Ihrer Franchisenehmer sowie Vertragshändler (wünscht und bittet), die Zusendung und Übermittlung von Werbung oder anderweitige werbliche Kontaktaufnahme fortan zu unterlassen, und zwar in jeder Form und mit jedem Medium, einschließlich Mails, Postwurf oder teiladressierte Mailings, Fax, E-Mail oder Telefon.″

Werbestopper.de wirbt weiter damit, dass der Verbraucher bei der Durchsetzung seiner Rechte durch kostenlose Vermittlung von Kooperationsanwälten unterstützt wird, wenn die Unternehmen den ausgesprochenen Werbewiderspruch ignorieren sollten.

In einem solchen „Wiederholungsfall″ werden offenbar auch entsprechende Abmahnungen ausgesprochen. Wir wurden von einem Mandanten konkret mit der Verteidigung gegen eine von einem Düsseldorfer Rechtsanwalt ausgesprochene Abmahnung beauftragt. In dieser Abmahnung wurde eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verbraucher i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB einerseits und eine Besitzstörung gem. §§ 862, 1004 BGB andererseits behauptet und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass zwischenzeitlich die Vermutung aufgekommen ist, dass besagter Düsseldorfer Rechtsanwalt nicht nur der Kooperationsanwalt der GDVI, sondern gleichzeitig auch einer ihrer Gesellschafter ist. So würde es sich auch erklären, wie es möglich ist, den Dienst werbestopper.de kostenfrei anzubieten. Sofern dies zutreffen sollte, wären die Motive des Dienstes werbestopper.de allerdings in Wahrheit nicht so altruistisch, wie es Glauben zu machen versucht wird, zumal auch der Gegenstandswert der Abmahnung mit 4.000 EUR nicht gerade niedrig angesetzt wurde (in vergleichbaren Fällen wurden z.B. nur zwischen 500 EUR und 1.000 EUR angesetzt).

Rechtslage zu Briefkastenwerbung

Rechtlich sind unmittelbar an das betroffene Unternehmen adressierte Schreiben als Widersprüche gegen die Zustellung von Postwurfwerbung einzuordnen. Alternativ zu einem Widerspruch kann der Verbraucher auch Sperrvermerke in Form von Aufklebern direkt am Briefkasten anbringen, z.B. „Keine Werbung″ oder „Keine Reklame″.

Die Missachtung eines Widerspruchs oder Sperrvermerks führt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einer rechtswidrigen Beeinträchtigung von Eigentum und Besitz des Briefkasteninhabers und einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Der Briefkasteninhaber hat einen Unterlassungsanspruch gem. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB gegen den Werbenden. Dagegen kann der Werbende auch nicht den Arbeits- oder Kostenaufwand zur Berücksichtigung des Widerspruchs einwenden, denn das Interesse des Einzelnen am Schutz seiner Individualsphäre hat grundsätzlich Vorrang vor dem Gewinnstreben der werbenden Wirtschaft.

Liegt ein wirksamer Widerspruch vor, haben sich die betroffenen Unternehmen daran zu halten. Werbende Unternehmen sind u.a. verpflichtet, durch entsprechende Vorkehrungen im Vertrag mit der Verteilerorganisation der Briefkastenwerbung, z.B. der Deutschen Post AG, dafür Sorge zu tragen, dass der Widerspruch beachtet wird. Mögliche Maßnahmen gegenüber der Verteilungsorganisation sind der ausdrückliche Hinweis auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Organisation und Kontrolle, die Überprüfung etwaiger Schutzvorkehrungen und ggf. sogar das Vorsehen von Sanktionen.

Fehlender Legitimationsnachweis der GDVI

Ob die vorliegenden Widersprüche wirksam sind, ist deshalb fraglich, weil bei werbestopper.de eine besondere Konstellation vorliegt: Die Verbraucher äußern die Widersprüche nicht gegenüber den betroffenen Unternehmen selbst, sondern gegenüber der GDVI, die dann im Namen der Verbraucher entsprechende Schreiben an die Unternehmen verschickt.

Unternehmen können sich deshalb auf den Standpunkt berufen, dass zunächst zweifelsfrei nachgewiesen werden muss, dass die Werbewidersprüche von den betreffenden Verbrauchern stammen. Die GDVI muss sich für die Übermittlung eines solchen Schreibens legitimieren. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob die GDVI als bevollmächtigter Vertreter oder als Erklärungsbote auftritt.

Auch wenn sich die GDVI in Ziffer 2 ihrer AGB als Erklärungsbote der jeweiligen Verbraucher bezeichnet, ist eine Unterscheidung zwischen Stellvertreter und Erklärungsboten irrelevant, weil aus Verkehrsschutzgründen für den Erklärungsboten keine geringeren Voraussetzungen an den Legitimationsnachweis zu stellen sind.

Einen solchen Legitimationsnachweis für jeden genannten Verbraucher hat die GDVI ihren Schreiben zumindest bislang nicht beigefügt. Sie gibt zwar Vor- und Nachnamen sowie Adressen an, unklar ist aber zum einen, ob die Widersprüche tatsächlich von den in den Schreiben nummerisch aufgezählten Verbrauchern stammen. Verbraucher können sich auf der Homepage www.werbestopper.de mit ihrem Namen und ihrer Anschrift registrieren. Ob die GDVI eine Überprüfung dieser Angaben vornimmt oder Sicherheitsvorkehrungen trifft, um eine Registrierung unter falscher Identität zu vermeiden, ist nicht festzustellen. Auch wenn Ziffer 4a) der AGB den Verbrauchern untersagt, einen fremden Namen und eine fremde postalische oder E-Mail-Adresse zu verwenden, ist dadurch nicht sichergestellt, dass der Widerspruch auch tatsächlich von den genannten Personen erklärt worden ist.

Blacklisting und Whitelisting nicht transparent

Des Weiteren ist für ein betroffenes Unternehmen nicht nachvollziehbar, ob der geltend gemachte Widerspruch tatsächlich mit Blick auf die Werbung genau dieses Unternehmens erklärt wurde. Die Erklärung ist nicht individualisiert, sondern erfolgt anhand eines vorformulierten Musters ohne ausdrückliche Bezeichnung des Unternehmens. Es ist davon auszugehen, dass alle Unternehmen auf der Blacklist diese vorformulierte Erklärung erhalten.

Allerdings können die registrierten Verbraucher durch explizites Anklicken bestimmte Unternehmen von dem Werbeverbot ausnehmen (sog. Whitelisting). Bislang ist nicht erkennbar, inwieweit die GDVI sicherstellt, dass der Widerspruch tatsächlich nur an solche Unternehmen übermittelt wird, die auf der Blacklist stehen.

Zurückweisung des Werbewiderspruchs

Mangels Legitimation der GDVI wird derzeit mehrheitlich eine unverzügliche Zurückweisung des Werbewiderspruchs im Sinne von § 174 S. 1 BGB empfohlen. Dieses Vorgehen ist den betroffenen Unternehmen in jedem Fall vorsorglich anzuraten, bis eine weitere rechtliche Prüfung erfolgt.

Zu beachten ist jedoch, dass die Zurückweisung „unverzüglich″, also ohne schuldhaftes Zögern vorzunehmen ist. Nicht mehr unverzüglich ist eine Zurückweisung wohl nach einer Woche, teilweise wird eine Verfristung sogar bereits nach drei Tagen angenommen. Insgesamt bedarf es einer zügigen Erledigung, was das Einholen von Rechtsrat aber nicht ausschließt.

Ausblick: Hoher Aufwand für werbende Unternehmen

Es bleibt abzuwarten, wie die GDVI auf eine solche Zurückweisung der Schreiben reagiert und ob sie ihren Schreiben zukünftig umfangreiche Legitimationsnachweise beifügen kann.

Festzuhalten bleibt, dass auf die betroffenen Unternehmen ein enormer Aufwand und hohe Kosten zukommen werden, falls sich die Zulässigkeit des Modells der GDVI in der jetzigen Ausgestaltung und damit die Wirksamkeit eines ohne Legitimationsnachweis übermittelten Werbewiderspruchs auch vor Gericht bestätigen sollte.

Mindestens ebenso wirkungsvoll für den Verbraucher und deutlich kostengünstiger für die Unternehmen wäre wohl weiterhin die Anbringung eines Sperrvermerk-Aufklebers „Keine Werbung!″ auf dem Briefkasten. Dafür ist weder eine Registrierung im Internet samt Datenweitergabe noch ein Mausklick nötig.

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Anna-Luise von Prittwitz und Gaffron