6. November 2013
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – bald wohl noch strengere Regeln gegen Korruption im Gesundheitssektor
Compliance

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – bald wohl noch strengere Regeln gegen Korruption im Gesundheitssektor

Strengere Antikorruptionsregeln im Gesundheitssektor stehen schon seit längerer Zeit auf der politischen Agenda. Aufgrund der Bundestagswahl sind die Reformbemühungen zwar ins Stocken geraten, eine neue Regierung wird die Angelegenheit aber voraussichtlich rasch wieder aufnehmen.

Hintergrund

Die Debatte über den Umfang und die Wirksamkeit von Antikorruptionsregeln im Gesundheitssektor wurde befeuert durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem vergangenen Jahr. Im März 2012 hatte der BGH entschieden, dass Geschenke und Gefälligkeiten, die selbstständigen, in privaten Praxen tätigen Ärzten angeboten werden, keinen Straftatbestand erfüllten.

§ 299 StGB finde keine Anwendung. Denn der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Arzt handele bei der Verordnung von Medikamenten nicht als „Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes“. Schon vom Wortsinn her verlange der Begriff des „Beauftragten“ die Übernahme einer Aufgabe im Interesse des Auftraggebers, der sich den Beauftragten frei auswählen und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit anleiten könne. Daran fehle es. Wir hatten damals über die Einzelheiten berichtet.

Politische Debatte

Die Entscheidung bedeutete für den Umgang mit niedergelassenen Ärzten zwar keine „carte blanche″, weil es eine Reihe von anderen Antikorruptionsvorschriften im Gesundheitswesen gab und gibt. Dennoch löste der Fall eine heftige und kontroverse politische Debatte aus. Zahlreiche Politiker sahen eine Gesetzeslücke, die es so bald wie möglich zu schließen gelte.

Im Frühjahr 2013 veröffentlichte die Bundesregierung einen konkreten Gesetzesentwurf. Die geltenden Regeln sollten – verkürzt gesagt – dahingehend verschärft werden, dass die Bestechung von Ärzten, Apothekern, Krankenkassen und weiteren Anbietern bestraft werden kann – allerdings nur, wenn die öffentlichen Krankenkassen betroffen sind. Folglich sollte diese Veränderung im Sozialgesetzbuch und nicht im Strafgesetzbuch eingeführt werden. Am 27. Juni 2013 beschloss der Bundestag die sogenannten „Anti-Korruptionsvorschriften“ als Anhang zum Präventionsgesetz.

Die politische Opposition kritisierte die geplante Aufnahme der neuen Regelung in das Sozialgesetzbuch. Dies führe letztlich zu einer Drei-Klassen-Rechtsordnung: In Krankenhäusern bei angestellten Ärzten und Beamten gelte weiterhin das Strafrecht, im Bereich der gesetzlich Versicherten fänden die neuen SGB-Vorschriften Anwendung, und im Bereich der Privatversicherten bleibe alles beim alten.

Der Bundesrat beschloss daher am 5. Juli 2013 einen eigenen Gesetzentwurf gegen Korruption im Gesundheitswesen. Dieser sah vor, Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen als eigene Straftatbestände ins Strafgesetzbuch zu integrieren.

Den zuvor vom Bundestag beschlossene Entwurf stoppte er hingegen wenig später und überwies ihn an den Vermittlungsausschuss. Das geschah am 20. September 2013 und damit zwei Tage vor den Bundestagswahlen – was das faktische (vorläufige) Ende der Initiative bedeutete.

Wegen des Prinzips der Diskontinuität müssen alle Gesetzesvorhaben, die nicht endgültig während einer Wahlperiode verabschiedet wurden, von vorn begonnen werden.

Kommentar

Es ist wahrscheinlich, dass die neue Regierung das Thema Korruption im Gesundheitswesen bald wieder aufnehmen wird. Das Thema spielt schon bei den Koalitionsverhandlungen eine Rolle: Strafrechtliche Regelungen zur Verhinderung der Korruption im Gesundheitswesen stehen etwa auf der Themenliste der SPD zum Thema Gesundheit und Pflege.

Es empfiehlt sich, die politische Entwicklung aufmerksam zu verfolgen: Da die Argumente der politischen Akteure schon weitgehend ausgetauscht sind, könnten strengere Vorschriften eher früher als später in Kraft treten.

Tags: Ärzte Bestechung Gefälligkeiten Gesetzgebung Gesundheitssektor Korruption Krankenkassen Pharmaindustrie