16. Januar 2015
Justitia-Waage
Dispute Resolution

Zulässige Klageerhebung ohne vorherige Befolgung einer AGB-mäßigen Mediationsklausel?

Können vertragliche Mediationsklauseln dazu führen, dass eine Klage ohne Vorschaltung eines Mediationsverfahrens unzulässig ist?

Können vertragliche Mediationsklauseln dazu führen, dass eine Klage ohne Vorschaltung eines Mediationsverfahrens unzulässig ist? Eine allgemeine Übersicht und ein Praxisbericht über eine vor kurzem stattgefundene mündliche Güteverhandlung vor dem LG Wuppertal – in der die vom Gericht vertretene Ansicht nicht überzeugte – geben die Antwort.

Vertragsparteien können sich auf einen vorübergehenden („dilatorischen″) Klageverzicht einigen, indem sie dies ausdrücklich und mit eindeutigen inhaltlichen und zeitlichen Voraussetzungen an die Zulässigkeit der späteren Klageerhebung regeln. Wurde eine Mediationsklausel (oder eine breiter angelegte Eskalationsklausel) dahingehend eindeutig formuliert, ist die Klage vor Erfüllung dieser Voraussetzungen unzulässig.

Doch genügt auch eine Mediationsklausel ohne ausdrückliche und eindeutige weitere Voraussetzungen, um der klagewilligen Partei einen dilatorischen Klageverzicht „unterzujubeln″?

Rechtsprechung: Mediationsklausel muss eindeutig sein; „bloße Förmelei″ kann Klage nicht hindern

Das hatten LG Heilbronn, Urteil vom 10.09.2010, Az. 4 O 259/09 (ZKM 2011, 29, Juris-Rn. 17 f.) und OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 12.05.2009, Az. 14 Sch 4/09 (NJW-RR 2010, 788, Juris-Rn. 13) verneint, indem sie die dort vertraglich vorgesehenen Mediationen jeweils als „bloße Förmelei″ verwarfen. Denn gemäß den dort streitbefangenen Vertragsinhalten hätte das Mediationsverfahren jederzeit einseitig beendet werden können. Warum dann den Kläger zu dieser bloßen Förmelei zwingen, bevor er Klage erheben kann?

Seitdem wurde die Freiwilligkeit und jederzeitige einseitige Beendbarkeit der Mediation sogar in §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 5 S. 1 des Mediationsgesetzes festgeschrieben. Das spricht weiterhin für die Argumentation mit der „Förmelei″, wenn uneindeutige Mediationsklauseln zu beurteilen sind.

Zusätzlich hatte das LG Heilbronn a.a.O. – zu Recht – die AGB-rechtliche Intransparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) der zu beurteilenden Mediationsklausel gerügt; sie sei für den Gegner undurchschaubar, da sich nicht einmal die elementaren Verfahrensregeln (Kostentragung, Dauer, Durchführungszeitpunkt etc.) daraus ergeben würden.

Ganz überwiegende Literatur: Mediationsklauseln sind großzügig zu bewerten

Die ganz überwiegende Literatur verweigert dem LG Heilbronn und OLG Frankfurt a. M. die Gefolgschaft. Sie misst Mediationsklauseln großzügig die Wirkung eines dilatorischen Klageverzichts bei (vgl. exemplarisch Unberath, NJW 2011, 1320, 1322, II 3, bei Fn. 24; Loos/Brewitz, SchiedsVZ 2012, 305, 309, V 3; Töben, RNotZ 2013, 321, 330, B I 6 a aa, bei Fn. 114). AGB-rechtliche Probleme, wie insbesondere die etwaige Intransparenz, werden dabei bestenfalls stiefmütterlich behandelt.

Nur der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass die BGH-Rechtsprechung für den Sonderfall der Schlichtungsklausel einen dilatorischen Klageverzicht mehrfach bejaht hat, was manche Autoren eins zu eins auf Mediationsklauseln übertragen wollen, andere nicht. Das soll hier nicht vertieft werden.

Fazit ist insoweit: Ein wirksamer dilatorischer Klageverzicht kann vertraglich vorgesehen werden; strittig ist nur, inwieweit dazu bereits eine bloße Mediationsklausel als solche genügt, der es hinsichtlich des Klageverzichts an Ausdrücklichkeit und klaren Voraussetzungen fehlt.

Güteverhandlung vor dem LG Wuppertal

Überraschend und nicht überzeugend kam das LG Wuppertal im Fall einer zweifelhaften Mediationsklausel zu einem Resultat im Sinne der überwiegenden Literatur.

Die Mediationsklausel kam als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) der beklagten Lieferantin daher. Sie war Bestandteil eines AGB-Formulars US-amerikanischen Ursprungs und Inhalts mit dementsprechend evident unwirksamen sonstigen Klauseln (es galt allerdings unstreitig deutsches Recht):

The parties will attempt in good faith promptly to resolve any dispute by negotiations between representatives who have authority to settle the dispute. If unsuccessful, the parties will attempt in good faith to settle the dispute by non-binding third-party mediation, with mediator fees and expenses apportioned equally to each side. Any dispute not resolved by negotiation or mediation may then be submitted to a court of competent jurisdiction in accordance with the terms provided in this Agreement. These procedures are the exclusive procedures for the resolution of disputes between the parties.

Kann diese Klausel die Klage des Kunden unzulässig machen, wenn kein Mediationsverfahren vorgeschaltet wurde? Zu einer zitierfähigen Entscheidung kam es nicht, denn der Rechtsstreit wurde in der Güteverhandlung mit einem Vergleich beendet – im Wesentlichen aus anderen Gründen als dem Fehlen des Mediationsverfahrens, welches freilich mit etwas Zeit- und Kostenaufwand hätte nachgeholt (und – siehe oben – im Handumdrehen einseitig beendet!) werden können.

So blieb es bei einem mündlichen und unbegründeten Hinweis der Vorsitzenden auf ihre vorläufige Rechtsauffassung: Sie halte die Mediationsklausel für voraussichtlich wirksam, so dass die Klage voraussichtlich als unzulässig abgewiesen werde. Auf die entgegenstehenden Urteile des LG Heilbronn und OLG Frankfurt a. M. wurde leider nicht eingegangen.

Auffassung des LG Wuppertal überzeugt nicht

Ist dieser Auffassung zuzustimmen? Das kann man mit guten Gründen verneinen. Denn die oben zitierte Mediationsklausel ist AGB-rechtlich wohl intransparent (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB), da sie nichts zum konkreten Mediationsverfahren oder -institut, der Mindestdauer, dem Mindestumfang und – hier aufgrund der Einzelfallumstände besonders fraglich und im Vorfeld strittig – der Sprache eines Mediationsverfahrens sagt.

Bei derartigen Formulierungen ist nicht ausreichend klargestellt und somit für die AGB-Gegenseite unkalkulierbar, ob, wie lange und um welche Einzelheiten eines Mediationsverfahrens man sich im Vorfeld streiten muss. Ferner passt auch hier die Argumentation mit der „bloßen Förmelei″. Und schließlich ist der Bestand und Umfang der Hemmungswirkung (§ 203 BGB) derart bloß verfahrenstechnischer Verhandlungen auf die Verjährung des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs risikobehaftet.

Eine solche Mediationsklausel wirkt sich als Verschleierung und Verzögerung sowohl des Zugangs zum vermeintlich zwingenden Mediationsverfahren als auch zum späteren staatlichen Rechtsschutz aus. Transparenz ist jedoch ein elementares Gebot des AGB-Rechts.

Die Mediationsklausel ist daher nach überzeugenderer Auffassung und im Einklang mit LG Heilbronn und OLG Frankfurt a. M. AGB-rechtlich unwirksam.

Mit transparenten Klauseln Rechtssicherheit schaffen

Wer einem Gerichtsverfahren (oder alternativ Schiedsgerichtsverfahren) eine obligatorische Mediation vorschalten möchte, muss auf eine transparente Klauselgestaltung achten, die die Eskalationsstufen und deren Umfang und Dauer genau beschreibt.

Im hier berichteten Praxis-Fall fehlte es daran. Trotzdem zeigte sich das LG Wuppertal überaus mediationsfreundlich – ungeachtet der entgegenstehenden Rechtsprechung und der objektiv gebotenen, AGB-rechtlichen Zweifel.

Doch natürlich bietet auch eine zweifelhafte Mediationsklausel dem Gericht eine attraktive Möglichkeit, das Verfahren (jedenfalls zunächst) zu erledigen. Der abgewiesene Kläger muss dann mindestens „mal kurz″ (also als „bloße Förmelei″) in die Mediation gehen und/oder gegen das klageabweisende Urteil Berufung einlegen.

Bei der Festlegung der prozessualen Gesamtstrategie ist an die Möglichkeit einer offenen Teilklage (aus Kostengründen) und die Verjährungsthematik zu denken.

Tags: AGB dilatorisch mediation Mediationsklausel