10. Juli 2013
Aktienrecht

Insiderinformationen im Profifußball

Ganz Fußball-Deutschland spekulierte seit Beginn der Rückrunde über einen möglichen Wechsel Robert Lewandowskis zum FC Bayern. Erst Anfang Juni fanden die Diskussionen ein (vorläufiges?) Ende, als der BVB dem Wechselwunsch seines Stürmers eine Absage erteilte, und zwar (laut Süddeutscher Zeitung) mit der Begründung, dass Dortmund „aus börsenrechtlichen Gründen″ ein schriftliches Angebot der Bayern benötigt hätte, ein solches aber nie erhalten habe. Doch was hat das Börsenrecht mit dem Wechsel eines Fußballprofis zu tun?

Eigentlich schien das „Wechseltheater″ um Lewandowski, welches seinen vorläufigen Höhepunkt im Duell beider Vereine im Champions League-Finale am 25. Mai 2013 fand, mit der Aussage des Dortmunder Geschäftsführers Hans-Joachim Watzke, Lewandoswki werde in diesem Jahr „definitiv nicht zum FC Bayern wechseln″, vom Tisch zu sein. Angeheizt wird die Diskussion aber nun wieder von den Bayern. Spiegel Online zufolge weisen diese die „Vorwürfe des BVB″, sie seien verantwortlich für den gescheiterten Wechsel, zurück. Von der Sport-Bild wird Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge dazu mit folgenden Worten zitiert:

„Mit einem Märchen muss ich jetzt mal aufräumen. Ich bin zwar jetzt kein Börsen-Spezialist von A bis Z, aber dass man als börsennotierter Klub ein schriftliches Angebot braucht, um an die Aktionäre eine Ad-hoc-Mitteilung zu machen, ist einfach nicht korrekt. Das wird erst nötig, wenn der Verkauf feststeht.″

Und weiter:

„So, wie das dargestellt wurde, funktioniert das Fußballgeschäft nicht. Wir haben noch nie ein Angebot schriftlich gemacht. Das hat Gründe, und daran wird sich auch nichts ändern. Aber wir waren bereit, uns mit dem BVB an einen Tisch zu setzen.″

Der fußballinteressierte Jurist fragt sich nun:

Wer hat recht? Und welche Rolle spielen börsenrechtliche Publizitätspflichten bei dem Verkauf eines Fußballprofis?

Letztere Frage ist relativ einfach zu beantworten:

Der BVB ist längst nicht mehr nur ein einfacher „eingetragener Verein″ im Sinne der §§ 21 ff. BGB. Vielmehr wurde seine Lizenzspielerabteilung bereits im Jahr 2000 in die neu gegründete „Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA″ eingebracht und als erster Fußballclub in Deutschland an die Börse gebracht. Da die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA heute im General Standard der Deutschen Börse AG gelistet ist, unterliegt sie den wertpapierhandelsrechtlichen Publizitätspflichten, ist also insbesondere dazu verpflichtet, Insiderinformationen gemäß § 15 WpHG unverzüglich als Ad-hoc-Mitteilung der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Sinn und Zweck der Ad-hoc-Publizität ist es dabei, Transparenz zu schaffen und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu schützen, indem für „realistische″ Börsenkurse gesorgt und Insiderhandel verhindert wird.

Unter Insiderinformationen sind nach § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG „konkrete Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände″ zu verstehen, „die sich auf einen […] Emittenten von Insiderpapieren [Anm.: wie etwa die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA] oder auf die Insiderpapiere [wie etwa die BVB-Aktie] selbst beziehen und geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen″. Gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG gelten dabei als derartige Umstände auch solche, „bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden.″

Der Verkauf eines wertvollen Fußballprofis, der eine Ablöse von mehreren Millionen Euro in die Kasse eines Fußballvereins mit einem Börsenwert von derzeit rund 195 Millionen Euro spült, ist natürlich geeignet, dessen Aktienkurs erheblich zu beeinflussen, und stellt daher eine Insiderinformation im Sinne des § 13 WpHG dar. Folgerichtig hat der BVB etwa den Wechsel von Mario Götze zum FC Bayern für einen Kaufpreis von 37 Millionen Euro per Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht, ebenso wie den Einkauf des armenischen Torjägers Henrikh Mkhitaryan für eine – geschätzte – Ablösesumme von 25 Millionen Euro.

Doch was bedeutet das nun für den gescheiterten Wechsel von Lewandowski zu den Bayern? Und wer hat nun recht, Watzke oder Rummenigge?

Zunächst ist klarzustellen: Ein schriftliches Angebot ist keine Voraussetzung für eine Ad-hoc-Mitteilung. Auch ein mündliches Angebot kann zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung verpflichten. Dabei gibt es, wie zuletzt der Beschluss des BGH vom 23. April 2013 (zum Rücktritt von Schrempp als Vorstandsvorsitzendem von Daimler) zeigt, grundsätzlich zwei Ansatzpunkte, um eine Mitteilungspflicht zu begründen:

Zum einen kann ein derartiges Angebot als Zwischenschritt im Rahmen des § 13 Abs. 1 S. 1 und S. 3 WpHG veröffentlichungspflichtig sein, und zwar, wenn infolge dieses Angebots von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit eines Spielertransfers auszugehen ist. Dass ein Angebot lediglich mündlich abgegeben wird, spricht dabei nicht per se gegen eine entsprechende Wahrscheinlichkeit, denn auch mündliche Angebote sind grundsätzlich bindend.

Zum anderen ist ein Angebot (auch ein mündliches) als bereits eingetretener Umstand eine konkrete Information im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG. Wenn diese für sich (das heißt unabhängig davon, ob infolge dieses Angebots zukünftig ein Spielertransfer zustande kommt) bereits kursrelevant ist, folgt allein daraus eine Veröffentlichungspflicht.

Allerdings: Die bloße Bereitschaft, sich „an einen Tisch zu setzen″, um über einen Transfer von Lewandowski zu verhandeln, stellt kein verbindliches Angebot dar. Kursrelevant ist eine solche Information nicht. Der BVB musste deswegen auch keine Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen.

Fazit

Ein bisschen recht haben irgendwie beide, Watzke und Rummenigge. Wer nun allerdings für den gescheiterten Wechsel von Lewandowski noch in diesem Jahr verantwortlich ist, der BVB oder der FC Bayern, lässt sich mit einem Blick ins Gesetz leider nicht aufklären. Festgehalten werden kann aber: Insiderinformationen im Sinne des § 13 WpHG können auch im Fußball eine Rolle spielen.

Tags: Ad hoc-Publizität Ad-hoc-Mitteilung BVB Dortmund FC Bayern Fussball Insiderinformation Lewandowski Mario Götze WpHG