27. November 2013
Aktienrecht

Reguläres Delisting: BGH erleichtert Rückzug von der Börse

BGH zu den Voraussetzungen eines Delisting und dem Rückzug von der Börse. Wird der Wert einer Aktie von der Möglichkeit geprägt, sie zu veräußern?

Das reguläre Delisting in diesem Sinne ist der Widerruf der Zulassung der Aktien zum Handel im regulierten Markt auf Veranlassung der Gesellschaft (§ 39 Abs. 2 BörsG). Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle des „Cold Delisting“, bei denen die Zulassung aufgrund von Strukturmaßnahmen – etwa dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre im Wege eines „Squeeze-out“ oder dem Wechsel der Gesellschaft in eine nicht börsenfähige Rechtsform (z.B. eine GmbH) – automatisch endet, sowie der Widerruf der Zulassung von Amts wegen (§ 39 Abs. 1 BörsG).

Handelbarkeit einer Aktie betrifft lediglich die Veräußerungschancen am Markt

Seit der „Macrotron“-Entscheidung aus dem Jahr 2002 hatte der BGH die Auffassung vertreten, der Verkehrswert und die jederzeitige Möglichkeit seiner Realisierung seien Eigenschaften des Aktieneigentums, die wie dieses selbst verfassungsrechtlichen Schutz genössen. Daher gebiete der Schutz des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), dass die Hauptversammlung der Gesellschaft über den Widerruf entscheidet. Darüber hinaus müsse den Aktionären der Kauf ihrer Aktien gegen Zahlung einer im Spruchverfahren überprüfbaren Barabfindung angeboten werden. Dass diese Maßgaben erhebliche Hürden für die Durchführung eines Delisting bilden, liegt auf der Hand. Nicht zuletzt eröffneten sie kritischen Aktionären durch Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen gegen den Hauptversammlungsbeschluss bzw. die Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung im Spruchverfahren Betätigungsfelder.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dieser Argumentation bereits im Jahr 2012 den Boden entzogen, indem es klargestellt hat, dass die tatsächliche Handelbarkeit der Aktie lediglich die Veräußerungschancen am Markt betreffe, für den Bestand und die Zuordnung des Aktieneigentums jedoch ohne Bedeutung sei (Urteil v. 11.07.2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08). Daher berühre ein Delisting, der Widerruf der Börsenzulassung, nicht den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG.

Weder Downlisting noch Delisting von der Börse bedarf eines Beschlusses der Hauptversammlung oder eines Abfindungsangebots

Der BGH hat dem Urteil des BVerfG in seiner aktuellen Entscheidung Rechnung getragen (Beschluss v. 8.11.2012 – II ZB 26/12). In dem zugrundeliegenden Fall gab die FRoSTA AG den vom Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats beschlossenen Wechsel vom regulierten Markt der Berliner Wertpapierbörse in den weniger streng regulierten Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) bekannt. Es handelte sich also nicht um einen vollständigen Börsenrückzug, sondern lediglich um einen Wechsel des Börsensegments (sog. „Downlisting“).

Gleichwohl hat der BGH unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG seine im „Macrotron“-Urteil aufgestellten Grundsätze aufgegeben: Da der Schutzbereich der Eigentumsgrundrechte der Aktionäre nicht berührt werde, bedürfe weder ein Downlisting – ob in Qualitätssegmente wie den Entry Standard der FWB bzw. den m:access der Börse München oder in den regulären Freiverkehr – noch der vollständige Börsenrückzug, also das Delisting, eines Beschlusses der Hauptversammlung oder eines Abfindungsangebots.

Durch die Entscheidung des BGH wird die Durchführung des regulären Delisting deutlich erleichtert. So ist kein Abfindungsangebot in Höhe des Verkehrswerts durch die Gesellschaft oder ihren Großaktionär mehr erforderlich. Auch kann das Delisting auf der Grundlage eines einfachen Vorstandsbeschlusses, ggf. mit Zustimmung des Aufsichtsrats, erfolgen. Den Aktionären bleibt künftig nur die Möglichkeit, den Widerruf der Zulassung im Verwaltungsverfahren per Widerspruch oder Anfechtung anzugreifen – insoweit ist eine deutliche Verlagerung von den Zivil- zu den Verwaltungsgerichten zu erwarten.

Tags: Aktienrecht und Corporate Börse Delisting