26. September 2016
Weißes und schwarzes Schachpferd stehen sich gegenüber
Corporate / M&A

Die Treuepflicht als Leitplanke im Gesellschafterstreit

Bei zerstrittenen Gesellschaftern wird häufig die Treuepflicht bemüht. Dass diese nicht in jedem Fall greift, zeigen aktuelle Entscheidungen.

Grundsätzlich gilt, dass jeder Gesellschafter sein Stimmrecht frei nach eigenem Belieben ausüben darf. Dieser Grundsatz erfährt jedoch bei der GmbH seine Grenzen in den Stimmverboten des § 47 Abs. 4 GmbHG und in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.

Treuepflicht beschränkt Ausübung des Stimmrechts

Die Treuepflicht folgt unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag, also der Vereinbarung der Gesellschafter in der Gesellschaft zusammen einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Die Gesellschafter sind aufgrund dieser Verabredung verpflichtet, das gemeinsame Interesse zu fördern und Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.

Mit Hilfe der Treuepflicht werden sowohl die Gesellschaft als auch die Mitgesellschafter vor Schädigungen durch das Abstimmungsverhalten einzelner geschützt. So ist es anerkannt, dass die Verfolgung ausschließlich eigennütziger Zwecke und das Streben nach ungerechtfertigten Sondervorteilen treuwidrig ist.

Das Stimmrecht des Gesellschafters kann aufgrund der Treuepflicht ausgeschlossen sein oder die Treuepflicht kann ein bestimmtes Abstimmungsverhalten gebieten. Problematisch wird es, wenn die persönlichen Interessen einzelner Gesellschafter den Interessen der Mitgesellschafter oder dem Zweck der Gesellschaft zuwiderlaufen. Dann gilt es abzuwägen: Muss der einzelne Gesellschafter seine Interessen zugunsten der Gesellschaft zurückstellen oder darf er mit seinem Stimmrecht Maßnahmen verhindern bzw. durchsetzen, wenn er dies für richtig hält.

Aktuelle Entscheidungen konkretisieren Fallgruppen der Treuepflicht

Kürzlich haben sich der BGH und das OLG München mit dem Stimmrecht der Gesellschafter beschäftigt. In beiden Fällen musste geklärt werden, ob ein Gesellschafter einer GmbH aufgrund der Treuepflicht zu einer bestimmten Stimmabgabe in einer Gesellschafterversammlung verpflichtet war.

In dem Fall, über den der BGH am 12. April 2016 (II ZR 275/14) geurteilt hat, ging es um Beschlüsse über die Neueröffnung von Standorten eines Elektrofachhändlers. In einem Urteil des OLG München vom 23. Juni 2016 (23 U 4531/15) ging es um die Suche nach einem Geschäftsführer einer GmbH, die drohte, führungslos zu werden.

Beiden Fällen gemeinsam war, dass schon länger Uneinigkeit zwischen zwei Gesellschaftern bzw. Gesellschaftergruppen bestand und sich dies in kontroversen Beschlussfassungen manifestierte. Jeweils eine Seite lehnte den Beschlussantrag der anderen Seite ab. Die Gesellschafter, die den Beschluss befürworteten, hielten die Ablehnung der anderen für rechtswidrig. Die Maßnahmen seien im Interesse der Gesellschaft geboten und sachliche Gründe für die Ablehnung nicht ersichtlich. Daher seien die Gesellschafter aufgrund der Treuepflicht zur Zustimmung verpflichtet gewesen und die Beschlüsse entsprechend gefasst worden.

Enger Anwendungsbereich der Treuepflicht

Der BGH zog die Grenzen für die Anwendung der Treuepflicht eng. Er nahm dabei Bezug auf die hohen Anforderungen, die an die Zustimmungspflicht bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages gestellt werden. Diese gelten nach Ansicht des BGH auch für die Zustimmung der Gesellschafter zu Maßnahmen der Geschäftsführung.

Es genügt demnach nicht, dass eine Maßnahme erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für die Gesellschaft hat, die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter durch die Maßnahme übermäßig belastet würden oder dass eine Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt und geeignet ist, die Zwecke der Gesellschaft zu fördern. Es ist vielmehr erforderlich, dass der Zweck und die Interessen der Gesellschaft die konkrete Maßnahme zwingend erfordern. Die Maßnahme muss zur Erhaltung wesentlicher Werte der Gesellschaft oder zur Vermeidung erheblicher Verluste objektiv unabweisbar erforderlich sein. Weiterhin muss die Zustimmung dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen Belange zumutbar sein. Dies ist der Fall, wenn der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert.

Der BGH hielt in dem von ihm am 12. April 2016 entschiedenen Fall die ablehnende Stimmabgabe nicht für treuwidrig. Anders als noch die Vorinstanz befand der BGH, dass es für die Beurteilung durch das Gericht unerheblich sei, ob die Beweggründe für die Ablehnung sachwidrig oder unverständlich erscheinen. Auch die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Maßnahme liegt allein bei den Gesellschaftern und wird durch das Gericht nicht überprüft.

Die Zweckmäßigkeit allein genügt nicht

In seinem aktuellen Urteil vom 23. Juni 2016 hat sich das OLG München der Ansicht des BGH angeschlossen. Das Gericht dürfe einen Beschluss nicht deshalb beanstanden, weil er unzweckmäßig oder nicht im Interesse der Gesellschaft erscheine. Umgekehrt sei die Zustimmung zu einem Beschluss nicht durch die Treuepflicht geboten, wenn der Beschluss lediglich zweckmäßig sei und im Interesse der Gesellschaft liege.

Im konkreten Fall waren nach Ansicht des Gerichts auch andere Maßnahmen möglich, um den von den Gesellschaftern beabsichtigten Zweck zu erfüllen. Die beantragte Maßnahme war demnach nicht unabweisbar erforderlich. Eine Zustimmungspflicht zu gerade dieser Maßnahme bestand daher nicht.

Hürden für Verletzung Treuepflicht hoch

Die neuen Gerichtsentscheidungen zeigen, dass die Treuepflicht zwar grobe Schädigungen durch einzelne Gesellschafter verhindern kann, aber keine Allzweckwaffe ist. Die Hürde für eine Verletzung der Treuepflicht ist hoch. Es bleibt abzuwarten, ob weitere Entscheidungen die Grenzen der Treuepflicht weiter konkretisieren.

Unabhängig davon haben auch die vorliegenden Entscheidungen bestätigt, dass die Austragung von grundsätzlichen Gesellschafterstreitigkeiten vor Gericht mühsam und oft nicht zielführend ist. Die Verfahren sind mitunter kostenintensiv und langwierig, so dass die Entscheidung im konkreten Fall meist zu spät kommt.

Sie lösen auch das eigentliche Problem, nämlich die Zerstrittenheit der Gesellschafter, nicht. In unserer Beitragsreihe zur Unternehmensnachfolge haben wir uns kürzlich mit Alternativen zur Konfliktlösung bei Gesellschafterstreitigkeiten beschäftigt.

Tags: Gesellschaftsrecht Treuepflicht