19. Juni 2015
Musik in Zahnarztpraxis
Urheberrecht

Hintergrundmusik in Zahnarztpraxis vergütungsfrei!

Wiedergabe von Musik in einer Zahnarztpraxis nicht vergütungspflichtig. GEMA-Beitrag ist nur in Ausnahmefällen zu zahlen.

Nach der Entscheidung des BGH vom 18.6.2015 (Az. I ZR 14/14) werden Zahnarztpraxen in aller Regel keinen GEMA-Beitrag mehr entrichten müssen. Bei anderen Praxen kommt es aber wohl weiterhin auf den Einzelfall an.

Anlass: Hintergrundmusik-Rechtsprechung des EuGH

Der EuGH hatte vor wenigen Jahren entschieden, dass der Zahnarzt Del Corso aus Neapel keine Gebühren für die Radio-Hintergrundmusik in seiner Zahnarztpraxis zu zahlen habe. Der Gerichtshof hatte damals über die Verletzung von Leistungsschutzrechten zu urteilen und in diesem Zusammenhang eine etwas ungewöhnliche Voraussetzung aufgestellt. Die Hörer einer Wiedergabe müssten in dem Sinne „aufnahmebereit″ sein, dass sie die Musik „nicht nur zufällig erreicht″.

Das Gericht befand, dass Patienten im Wartezimmer einer Zahnarztpraxis Hintergrundmusik eher unfreiwillig konsumieren. Auch werde der Arzt durch die Musik kaum mehr Patienten anlocken. Es fehle daher an einer „Aufnahmebereitschaft″.

Das Urteil schlug hohe Wellen. Vielerorts wurde angenommen, dass nun Ärzte ganz pauschal keinerlei Abgaben für ihre Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen zu zahlen hätten. Teilweise wurde sogar angenommen, dass der Tarif der GEMA ganz allgemein mangels „Aufnahmebereitschaft″ der Hörer bei Hintergrundmusik nun obsolet sei. Wie der EuGH jedoch in seinem OSA-Urteil klarstellte, bezog sich das Urteil nur auf musikalische Leistungsschutzrechte, nicht aber auf die (von der GEMA wahrgenommenen) Urheberrechte (wir hatten berichtet).

BGH: Patienten im Wartezimmer regelmäßig keine Öffentlichkeit

All dies hielt jedoch einen Zahnarzt hier in Deutschland nicht davon ab, gerichtlich feststellen zu lassen, dass er dennoch keine GEMA-Gebühr zahlen müsse. Der BGH gab ihm nun Recht.

Bisher ist nur eine Pressemitteilung veröffentlicht. Schon aus dieser lässt sich aber entnehmen, dass das Gericht nicht auf das Fehlen einer „Aufnahmebereitschaft″ abgestellt hat. Der BGH hat vielmehr entschieden, dass die wartenden Patienten in einer Zahnarztpraxis keine Öffentlichkeit darstellen und deswegen von dem Zahnarzt keine Urheberrechtsabgabe zu begleichen war.

Auch der EuGH hat in seiner „Zahnarzt-Entscheidung″ neben der Aufnahmebereitschaft das Vorliegen einer „Öffentlichkeit″ verneint. Es lag dort jedoch auch ein besonderer Fall vor: Del Corso hatte dem Sachverhalt zufolge eine vergleichsweise kleine, jedenfalls aber ungewöhnlich abgeschottete private Zahnarztpraxis, bei der die Patienten kategorisch nur mit Termin oder „auf alle Fälle mit Zustimmung des Zahnarztes“ Zugang(!) bekommen haben (vgl. das SCF-Urteil unter Rz. 33 am Ende).

Der BGH hatte nun etwas Spielraum. Er hätte eine enge Grenze ziehen können und die Patienten einer gewöhnlichen Zahnarztpraxis mangels einer solchen Abschottung als „Öffentlichkeit″ im Rechtssinne ansehen können. Er hatte aber auch die Möglichkeit, die gleichzeitig wartenden Patienten in Zahnarztpraxen verallgemeinernd nicht unter den Öffentlichkeitsbegriff zu subsumieren. Er hat sich für Letzteres entschieden.

Musik nicht in jeder Praxis GEMA-frei

Ob der BGH damit für mehr Rechtsklarheit gesorgt hat, bleibt abzuwarten; ebenso wie die genaue Begründung des Urteils. Denn fest steht: irgendwo (knapp jenseits) einer Zahnarztpraxis ist die Grenze der Öffentlichkeit dann doch zu ziehen. Schon die Gäste eines Hotels sind nach dem EuGH eine Öffentlichkeit, ebenso wie die Gäste einer Kureinrichtung.

Das Urteil wird sich deswegen wohl nicht auf jede beliebige Arztpraxis übertragen lassen. Eine große Gemeinschaftspraxis, bei der viele Patienten im Wartezimmer sitzen, weil die Behandlungszeiten erheblich kürzer sind als beim Zahnarzt, dürfte womöglich weiterhin mit ihrer Hintergrundmusik eine Öffentlichkeit erreichen. Aber auch das wird noch zu klären sein.

GEMA dürfte Regelungen zu Musik in Arztpraxen ändern

Jedenfalls (kleine) Zahnarztpraxen werden im Fazit künftig keine GEMA-Gebühren für Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen mehr zahlen müssen. Die GEMA dürfte daher wohl die Überschrift ihres Tarifs anpassen und künftig jedenfalls Zahnarztpraxen ausnehmen müssen.

Betreiber größerer Praxen sollten abwarten, wie die GEMA den Anwendungsbereich umdefiniert und vorsichtshalber besser nicht allzu unreflektiert die Zahlung einstellen. Denn zu Unrecht unterlassene Zahlungen an die GEMA sind mit einem 100%igen „Verletzerzuschlag″ belegt.

Jenseits von Arztpraxen, Kanzleien und dergleichen wird das Urteil nicht zur Anwendung kommen, soweit nicht in vergleichbarer Weise eine besondere Beziehung zwischen Gästen/Patienten/Kunden und Betreiber vorhanden ist. Denn dieses Band hat neben der geringen Personenzahl den EuGH seinerzeit bewogen, nicht von „Personen allgemein″ zu sprechen – und dürfte auch jetzt beim BGH eine wichtige Rolle gespielt haben. In Geschäften mit gewöhnlichem Kundenverkehr wie den vom GEMA-Tarif exemplarisch genannten Einzelhandelsgeschäften wird der Tarif daher weiterhin zu entrichten sein.

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