20. Januar 2012
Noch einer, oder schon drei Streitgegenstände?
Gewerblicher Rechtsschutz

Wenn das Streitgegenstandsmenü nicht mundet

 Kläger und Anwalt sind gezwungen, aus den zur Verfügung stehenden Zutaten von Rechten und in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen ein mundgerechtes Menü in der „richtigen″ Reihenfolge zusammenzustellen. Schmeckt dem Gericht die Reihenfolge nicht, so drohen dem Kläger mindestens Kostennachteile und vielleicht auch eine hübsche Streitwertexplosion (über die Einzelheiten hatten wir hier und die Kollegen vom LBR-Blog hier berichtet). Für die im Wettbewerbsrecht tätigen Anwälte war die Furcht nach der für das Markenrecht ergangenen TÜV-Entscheidung noch größer, dass künftig eine unkalkulierbare Zergliederung von Streitgegenständen erfolgen könnte. Denn eine unlautere Werbeanzeige drohte – überträgt man „TÜV″ 1:1 auf das Wettbewerbsrecht – bereits dann in verschiedene Gegenstände zu zerfallen, wenn man mehrere Argumente für eine Irreführung benennt. Der BGH scheint mit einem neueren Urteil (v. 30.06.2011, I ZR 157/10 – Branchenbuch Berg), das bisher vor allem aufgrund des Reizworts „Branchenbuchabzocke″ die Runde gemacht hat, nun jedenfalls im Wettbewerbsrecht wieder ein wenig „zurückzurudern″. Das Gericht führt aus:

„Auch wenn die Klägerin das Werbeschreiben unter zwei unterschiedlichen tatsächlichen Gesichtspunkten als irreführend beanstandet hat, hat sie damit nicht mehrere Streitgegenstände in den Rechtsstreit eingeführt. Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren – wie zuvor dargelegt – auf eine konkrete Verletzungshandlung gestützt. Sie hat nur einen einzigen Lebenssachverhalt zur Begründung ihres Unterlassungsbegehrens vorgetragen und damit auch nur einen Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt. Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt zugleich die Voraussetzungen mehrerer Verbotsnormen erfüllt, ist für die Frage, ob nur ein Streitgegenstand vorliegt oder mehrere Streitgegenstände gegeben sind, nicht maßgeblich, da die rechtliche Würdigung der beanstandeten konkreten Verletzungshandlung Sache des Gerichts ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 2005 – I ZR 252/02, GRUR 2006, 164 Rn. 17 = WRP 2006, 84 – Aktivierungskosten II).″

Die Auswirkungen der Tüv-Rechtsprechung auf das UWG sind also glücklicherweise begrenzt. Schreck lass nach.

Tags: alternative Klagehäufung BGH Branchenbuch Berg I ZR 157/10 Streitgegenstand