23. Mai 2013
Wettbewerbsrecht (UWG)

Grundpreis: „So nahe wie möglich“ zum Endpreis

Nachdem wir vor kurzem über zwei preisangabenrechtliche Entscheidungen des OLG Kölns berichtet hatten (Grundpreisangabe bei kostenloser Zugabe und Werbeplakat: Preisangabe muss „aus dem Stand“ lesbar sein), geht es heute um eine weitere für die Werbeindustrie interessante Entscheidung des OLG Hamburgs, die die räumliche Nähe des Grundpreises zum Endpreis auf eBay thematisiert (OLG Hamburg, Urteil vom 10. Oktober 2012, Az. 5 U 274/11).

Worum geht es?

Auf der Internethandelsplattform eBay wurde Schokolade in einem 300g-Beutel unter Angabe des Endpreises angeboten. Der Grundpreis stand nicht neben dem Endpreis beim „Sofort Kaufen”-Button, sondern im weiteren Text des Angebots unterhalb eines Kastens „Artikelmerkmale”. Die Grundpreisangabe wurde – je nach Bildschirmeinstellung – deshalb erst durch Scrollen sichtbar.

In der Ergebnisliste der Artikelsuche auf der eBay Plattform wurde die Schokolade im 300g-Beutel unter Angabe des Endpreises angeboten. Klickte man auf dieses Ergebnis, gelangte man auf eine weitere Internetseite mit den Produktdetails, in denen der Grundpreis in der vorstehend beschriebenen Weise angegeben war. In der eBay Ergebnisliste selbst wurde der Grundpreis jedoch nicht angegeben. 

Grundpreis und Endpreis „auf einen Blick“

Das OLG Hamburg betont, dass anders als hinsichtlich der Versandkosten für die Angabe des Grundpreises gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV neben dem Endpreis in einem Onlineangebot eine strengere Beurteilung geboten sei. Das Gericht stützt seine Erwägung im Wesentlichen auf zwei Argumente.

Zum einen sei die Pflicht, bei Warenangeboten neben dem Endpreis auch den Grundpreis anzugeben, im Bewusstsein der Verbraucher weniger stark verankert, als die Tatsache, dass im Versandhandel üblicherweise Versandkosten anfallen.

Zum anderen nimmt das Gericht eine systematische Auslegung des Wortlautes der §§ 1 und 2 PAngV vor. Nach dem Wortlaut des §  2 Abs. 1 S. 1 PAngV sei der Grundpreis „in unmittelbarer Nähe“ des Endpreises anzugeben. Demgegenüber müsse die Angabe zusätzlicher Liefer- und Versandkosten gemäß §  1 Abs. 6 S. 2 PAngV dem Angebot oder der Werbung lediglich „eindeutig zuzuordnen“ sein, ohne dass ein unmittelbarer räumlicher Bezug gefordert werde.

Das OLG Hamburg folgert aus der engeren Formulierung des § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV, dass für den Grundpreis strengere Anforderungen gelten als für die Angabe von Versandkosten. Der Grundpreis soll deshalb nur dann „in unmittelbarer Nähe” im Sinne des § 2 PAngV angegeben sein, wenn beide Preise (Endpreis und Grundpreis) auf einen Blick wahrgenommen werden können:

„Sowohl aus dem Gesetzeswortlaut des 2 Absatz 1 Satz 1 PAngV wie auch aus der (…) Rechtsprechung des BGH folgt, dass „in unmittelbarer Nähe” wie auch die vom BGH gewählte Formel „auf einen Blick” nichts anderes bedeuten können als „direkt dabei” oder „so nahe wie möglich”. Denn den Verbrauchern soll durch die Angabe des Grundpreises im Interesse der Preisklarheit eine leichtere Übersicht über die Preisgestaltung für vergleichbare Warenangebote und damit eine vereinfachte Möglichkeit zum Preisvergleich verschafft werden.“

Derartigen Anforderungen genüge das beanstandete eBay Angebot in der konkreten Ausgestaltung nicht. Der Grundpreis sei fernab des Endpreises angegeben worden,

„nämlich konkret – und großzügig zu Gunsten der Beklagten gezählt – etwa neun Absätze weiter unten“.

Ein derartiger Abstand könne jedenfalls nicht mehr unter die gesetzliche Vorgabe „in unmittelbarer Nähe” fallen.

Fehlende räumliche Nähe ist „spürbare Beeinträchtigung“

Das OLG Hamburg erläuterte auch, weshalb die fehlende räumliche Nähe des Grund- zum Endpreis die Interessen der von der Norm geschützten Marktteilnehmer im Sinne des § 3 Absatz 1 UWG „spürbar“ beeinträchtigen soll:

 

  • Der auf ein Kilo bezogene Grundpreis sei nur im Wege des Dreisatzes auszurechnen und keineswegs durch eine einfache Kopfrechenoperation.

 

  • Der Grundpreis war vorliegend besonders weit entfernt vom Endpreis angegeben, sodass ihn der Verbraucher nicht ohne weitere Suche finden konnte.

 

  • Im angegriffenen Angebot war unmittelbar neben der Angabe des Endpreises ein „Sofort kaufen”-Button platziert, mit dessen Betätigung das Angebot bereits verlassen und ein Kaufvertrag geschlossen werden konnte, wodurch zusätzlich die Gefahr befördert werde, dass Verbraucher den wesentlich weiter unten genannten Grundpreis übersehen und sogleich zum Kaufvorgang schreiten könnten.

 

Gleiches gilt auch für die „eBay Ergebnisliste“

Die Pflicht zur Grundpreisangabe setzt gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV unter anderem ein „Anbieten“ der Ware voraus. Nach Auffassung des OLG Hamburgs ist die Anzeige der Schokolade im 300g-Beutel in der eBay Trefferliste ein „Anbieten“ der Ware in diesem Sinne, weshalb bereits in der Trefferliste der Grundpreis angezeigt werden muss.

Das Gericht erläutert, dass die Schokolade durch eine bei eBay generierte Suche nicht nur unter Angabe eines Preises beworben, sondern auch im Sinne der PAngV angeboten werde. Ein „Anbieten“ erfordere nicht, dass auch eine Möglichkeit geboten werde, das Produkt unmittelbar zu erwerben. Der Begriff des Anbietens umfasse nicht nur Vertragsangebote, sondern darüber hinaus jede Erklärung eines Unternehmers, die im Verkehr in einem rein tatsächlichen Sinne als Angebot verstanden würde.

Es reiche bereits aus, wenn die Erklärung schon gezielt auf den Verkauf einer Ware gerichtet ist. Es komme deshalb darauf an, ob die Ankündigung ihrem Inhalt nach so konkret gefasst sei, dass sie nach der Auffassung des Verkehrs den Abschluss eines Geschäfts auch aus der Sicht des Kunden ohne weiteres zulasse.

Fazit

Die Entscheidung ist von zwei Grundprinzipien der Grundpreisangabenpflicht geprägt. Der Verbraucher soll durch die Grundpreisangabe

 

  • Preisklarheit und eine

 

  • leichte Übersicht über die Preisgestaltung

erhalten. Um diese vom Gesetzgeber verfolgten Ziele zu erreichen, soll der Grundpreis nach der Rechtsprechung so nahe wie möglich am Endpreis platziert werden. Der Begriff des „Anbietens“ im Sinne der PAngV ist dabei weit zu verstehen.

Es scheint durchaus möglich, dass die Rechtsprechung die in dieser Entscheidung aufgezeigten Grundsätze auch auf andere Werbemedien überträgt, z.B. auf Werbeplakate oder Werbeprospekte, da der Anwendungsbereich der PAngV nicht auf bestimmte Medien beschränkt ist.

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