1. Juli 2014
Wettbewerbsrecht (UWG)

Wann ist ein Kondom deutsch?

Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das OLG Hamm zu befassen. Es ging um den Vorwurf der Irreführung durch die Bewerbung von Kondomen als „deutsche Markenkondome″ „Made in Germany″. Die Kondome wurden im Ausland als Rohlinge hergestellt, nach Deutschland importiert und hierzulande befeuchtet, auf Dichtigkeit und Reißfestigkeit geprüft sowie verpackt. Dem OLG war dies nicht deutsch genug – es untersagte die angegriffene Werbung.

Das Merkmal „Made in Germany″

Die Bezeichnung „Made in Germany″ genießt nach wie vor weltweit hohes Ansehen. Sie wird von Herstellern und Vertreibern unterschiedlichster Produkte gern verwendet – nicht zuletzt auch deshalb, weil „Made in Germany″ in den Augen vieler für besondere Qualität und präzise Verarbeitung steht, was tendenziell die Erzielung höherer Preise ermöglicht.

Doch ist auch immer „Deutschland″ drin, wo „Made in Germany″ draufsteht? Oder wird der Verkehr durch den Claim in die Irre geführt? Die deutschen Gerichte haben sich schon häufig mit dieser Frage auseinandergesetzt und Kriterien dafür entwickelt, wie „deutsch″ ein Produkt sein muss, damit es das Qualitätsmerkmal „Made in Germany″ tragen darf. Seit kurzem ist diese Rechtsprechung um einen kurios anmutenden Fall reicher.

„Deutsche Markenkondome″ aus dem Ausland

Geklagt hatte ein in Rotenburg ansässiger Verein, der die Interessen von Unternehmen vertritt, die in Deutschland Kondome herstellen und vertreiben, und der über die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs auf dem deutschen Kondommarkt wacht.

Beklagte ist ein in Bielefeld ansässiges Unternehmen, das einen Online-Shop für Erotikartikel betreibt und auf dieser Seite auch Kondome eines in Arnstadt ansässigen Unternehmens anbietet. Die Beklagte bewirbt diese Kondome als „deutsche Markenware″, „deutsche Markenkondome″ und „Made in Germany″.

Das Arnstädter Unternehmen wiederum bezieht die fraglichen Kondome als Rohlinge aus dem Ausland. In ihrem deutschen Werk werden die Rohlinge je nach Ausführung teilweise befeuchtet, einer Qualitätskontrolle im Hinblick auf Dichtigkeit und Reißfestigkeit unterzogen und im Anschluss daran verpackt und eingesiegelt.

Der klagende Verein hielt diese Werbeaussagen für irreführend, weil der Verkehr über die wahre Herkunft der Produkte getäuscht werde.

OLG Hamm hält Werbung für irreführend

Das OLG Hamm sah dies genauso. Nachdem es in einem vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren bereits dem Arnstädter Hersteller der Kondome untersagt hatte, diese mit dem Claim „Made in Germany″ zu bewerben (Urteil vom 20. November 2012, 4 U 95/12), hat das Gericht mit am 25. Juni 2014 veröffentlichten Urteil vom 13. März 2014 nun auch den beklagten Online-Shop dazu verurteilt, die Werbung mit den Herkunftsbezeichnungen zu unterlassen.

Nach Auffassung des OLG Hamm seien die Werbeaussagen „Made in Germany″ sowie die Bezeichnungen „deutsche Markenware″ und „deutsche Markenkondome″ im konkreten Fall irreführend. Die Aussagen vermittelten den angesprochenen Verkehrskreisen einen von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichenden Eindruck über die geografische Herkunft der Kondome.

Es werde der Eindruck erweckt, die Kondome seien in Deutschland hergestellt worden, Deutschland sei gleichsam das „Ursprungsland″ der Ware. Von einem so beworbenen Produkt erwarte der Verbraucher, dass alle wesentlichen Fertigungsschritte, zumindest jedoch der maßgebliche Herstellungsvorgang, bei dem die Ware ihre bestimmenden Eigenschaften erhalte, in Deutschland stattgefunden hätten.

Diese Erwartung werde hier enttäuscht. Denn die streitgegenständlichen Kondome würden im Ausland vorgefertigt und als Rohlinge nach Deutschland importiert. Der einzige in Deutschland stattfindende Herstellungsschritt sei die Befeuchtung eines Teils der Kondome. Dadurch werde aber lediglich eine Alternative zum Endprodukt hergestellt, die die generelle Bezeichnung der Produkte als „Made in Germany″ nicht rechtfertige.

Die in Deutschland vorgenommenen Schritte Qualitätskontrolle auf Reißfestigkeit und Dichtigkeit, das Einsiegeln sowie das Verpacken hätten mit dem eigentlichen Fertigungsprozess von vorn herein nichts mehr zu tun. Die für die Qualität prägenden Eigenschaften würden nicht in Deutschland erbracht, sondern dort nur kontrolliert.

Dass der Produktionsprozess den Anforderungen des Gesetzes über Medizinprodukte genüge, ändere nichts an der festgestellten Irreführung. Denn die Tatsache, dass die für das Inverkehrbringen der Kondome als Medizinprodukt maßgeblichen Vorgaben des Medizinproduktes eingehalten würden und damit auch eine zuverlässige Aussage über die Sicherheit des Produktes getroffen werde, sei nicht Gegenstand des wettbewerbsrechtlichen Vorwurfs.

Praxishinweis: wesentliche Fertigungsschritte in Deutschland durchführen

Die lesenswerte Entscheidung des OLG Hamm liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung zur Werbung mit Herkunftsbezeichnungen. Die ausführliche Begründung des Gerichts in diesem ungewöhnlichen Fall ist zwanglos auf andere Produkte übertragbar, auch und gerade im Medizinproduktebereich.

Soll mit der Angabe „Made in Germany″ geworben werden, ist sicherzustellen, dass die wesentlichen Fertigungsschritte, die dem Produkt ihre bestimmenden Eigenschaften verleihen, auch tatsächlich in Deutschland stattfinden.

Tags: geografische Herkunftsangabe Herkunftsbezeichnung Made in Germany maßgeblicher Herstellungsvorgang