26. August 2015
Bier, bekömmlich, Wettbewerbsrecht
Wettbewerbsrecht (UWG)

Wohl bekomm’s! – oder doch nur Prost!? – zur Auslobung der Bekömmlichkeit von Bier

Bier darf nach dem Landgericht Ravensburg nicht als bekömmlich beworben werden. Diese Ansicht überdehnt den Begriff der „gesundheitsbezogenen Angabe“.

Das Landgericht (LG) Ravensburg hatte gestern darüber zu entscheiden, ob die Bewerbung von Bier als „bekömmlich“ zulässig ist und verneinte dies nach Presseberichten.

Zu klären war die Frage, ob eine solche Anpreisung eine sog. „gesundheitsbezogene Angabe“ darstellt oder nur einen Verweis auf allgemeine nichtspezifische Vorteile eines Lebensmittels ohne Gesundheitsbezug. Würde es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe handeln, so wäre die Bezeichnung „bekömmlich“ für Bier aufgrund von europäischem Recht unzulässig. Denn Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Vol. % dürfen keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen, vgl. Art. 4 Abs. 3 S. 1 Health Claims Verordnung (HCVO – EG Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel).

Bisher nur Entscheidungen zur Bekömmlichkeit von Wein ergangen

Der Verband Sozialer Wettbewerb, hatte seinen Verfügungsantrag offenbar auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gestützt, die sich – unter anderem – mit der Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ für einen Wein befasste (Urteil vom 06.09.2012 – C-544/10). Im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens einer Winzergenossenschaft gegen die Aufsichtsbehörde war der EuGH damals vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) unter anderem zu den Fragen angerufen worden, ob

  1. eine gesundheitsbezogene Angabe schon dann vorliegt, wenn zwar keine „Wirkung, die auf eine nachhaltige Verbesserung des körperlichen Zustandes abzielt“ ausgelobt wird, sondern nur „eine vorübergehende, namentlich auf die Zeitspanne der Aufnahme und Verdauung des Lebensmittels beschränkte Wirkung“ und
  2. die Auslobung einer nur vorrübergehenden Wirkung gesundheitsbezogen sei, wenn „eine von Lebensmitteln dieser Art allgemein ausgehende, vielfach als nachteilig empfundene Wirkung im konkreten Fall gering ist“.

Der EuGH urteilte daraufhin, dass für den Gesundheitsbezug sowohl vorübergehende als auch langfristige Auswirkungen zu berücksichtigen seien und, dass ein Gesundheitsbezug der Werbeaussage auch dann bestehe, wenn eine positiv von der Wirkung anderer Weine abweichende physiologische Wirkung auf die Verdauung suggeriert werde.

Unmittelbar übertragbar auf das hiesige Verfahren zur Bekömmlichkeit von Bier ist dieses Ergebnis jedoch nicht, denn im von EuGH beurteilenden Fall wurde der Wein gleichzeitig mit Hinweisen auf die gegenüber anderen Weinen bessere Verträglichkeit für den Verdauungsapparat wie „sanfte Säure“ und „Edition Mild“ beworben. Dementsprechend ließ das BVerwG in seinem nachfolgenden Urteil ausdrücklich offen, ob der Hinweis auf die Bekömmlichkeit eines Weins ohne derartige Bezugnahmen „etwa als bloßer Ausdruck von Wohlgeschmack oder eines allgemeinen Wohlbefindens“ zulässig und als Aussage zum allgemeinen Wohlbefinden einzuordnen wäre (Urteil vom 14.02.2013 – 3 C 23/12).

Bedeutet „bekömmlich“, dass Bier die Gesundheit fördert?

Für die Zulässigkeit des Begriffs „bekömmlich“ für Bier als nicht gesundheitsbezogenen Hinweis auf das allgemeine Wohlbefinden sprechen Erwägungen die der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Verfahren betreffend die Bewerbung des Kräuterlikörs Gurktaler Alpenkräuter als „bekömmlich“, „wohltuend“ und eine Kombination aus beidem angestellt hat.

In dem dortigen Vorlagebeschluss an den EuGH, der jedoch im Sande verlief, hatte der BGH die Auffassung vertreten, dass mit der Bewerbung als „bekömmlich“ nur zum Ausdruck gebracht werde, dass der Kräuterlikör den Körper und dessen Funktionen nicht belasten oder beeinträchtigen werde: Damit werde weder direkt noch indirekt erklärt, dass dem Produkt eine die Gesundheit fördernde Funktion zukommt (Beschluss vom 13.01.2011 – I ZR 22/09). Eine solche neutrale Aussage dürfe schließlich aufgrund der Meinungs- und Informationsfreiheit und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht wie eine gesundheitsbezogene Angabe behandelt werden.

Ansicht des LG Ravensburg wird Interessen nicht gerecht

Ausgehend vom überkommenen Wortsinn des Begriffs „bekömmlich“ als „(leicht) verdaulich, verträglich“, erscheint die Ansicht des BGH überzeugender, dass die Verwendung des Begriffs keine gesundheitsfördernde Wirkung von Bier transportiert. Unter „bekömmlich“ dürfte demnach eher zu verstehen sein, dass das beworbene Produkt das Wohlbefinden nicht oder zumindest weniger stark belastet als vergleichbare andere Lebensmittel.

Zwar ist die Begründung des Urteils hier noch nicht bekannt; die aus der Presse bekannt gewordene Auffassung des Landgerichts Ravensburg erscheint jedoch vor diesem Hintergrund zu weitgehend. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe in der nachfolgenden Instanz bzw. einem möglichen Hauptsacheverfahren weniger ausufernd beurteilt und so sowohl dem Informationsinteresse der Verbraucher als auch den Interessen der Lebensmittelbranche Rechnung getragen wird.

Indes lassen die weitergehenden Ausführungen des EuGH zur Zulässigkeit von einschränkenden Maßnahmen betreffend die Werbung für alkoholische Getränke zum Schutze des Gemeinwohls befürchten, dass diese Lebensmittelgruppe zukünftig besonders streng beurteilt werden wird.

Update: OLG Stuttgart bestätigt Wettbewerbsverstoß

Mittlerweile hat das OLG Stuttgart die Entscheidung des LG Ravensburg und damit den Wettbewerbsverstoß bestätigt. Bier dürfe nicht als bekömmlich beworben werden. Dies verstoße gegen die Health Claims Verordnung (HCVO).

Tags: bekömmlich Bier Wettbewerbsrecht