23. Mai 2014
International

Konsequenzen des Ukraine-Konflikts für das deutsch-russische Geschäft

Nach den im Zuge des Ukraine-Konflikts erfolgten EU- und US-Sanktionen gegen die Russische Föderation kursierten in den Medien Befürchtungen und Mutmaßungen über mögliche Gegenmaßnahmen aus dem Kreml. Nicht zuletzt deshalb ist bei einigen in Russland tätigen deutschen Unternehmen eine gewisse Beunruhigung zu spüren. Es stellen sich Fragen nach den rechtlichen und tatsächlichen, nach unmittelbaren und mittelbaren Konsequenzen des Ukraine-Konflikts für deutsch-russische Geschäfte.

Der derzeitige Ukraine-Konflikt war von Anfang an von ungewöhnlich rasanter Entwicklung der Ereignisse gekennzeichnet. Nicht einmal vier Monate liegen zwischen der Entscheidung der damaligen ukrainischen Regierung, das ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen, und der Ratifikation des Krim-Beitrittsabkommens durch den russischen Föderationsrat am 21. März 2014.

Bisherige EU- und US-Sanktionen

Die ersten EU- und US-Sanktionen gegen die Russische Föderation wurden bereits am 6. bzw. 11. März 2014 erlassen. Unmittelbar nach dem Referendum auf der Krim ging man am 17. März zur sogenannten „zweiten Stufe″ der Sanktionen über, die Kontoeinfrierungen und Reiseverbote für bestimmte Personen zum Gegenstand hatten.

Am 20. März sanktionierten die USA zusätzlich die dem russischen Präsidenten nahe stehende Bank Rossiya; die Kreditkartengesellschaften Visa und Mastercard kündigten die Zahlungsabwicklung. Die Listen der sanktionierten Personen und Unternehmen wurden sukzessive ergänzt, zuletzt im Mai 2014.

Weitergehende Sanktionen durch die EU und die USA sind je nach Entwicklung der Lage allerdings in Aussicht gestellt.

Einschränkungen im Rüstungsbereich

Unabhängig von den verhängten Sanktionen hat die Bundesregierung auf Grundlage des Außenwirtschaftsgesetzes die Rüstungsexporte nach Russland ins Visier genommen. So soll das Bundeswirtschaftsministerium Medienberichten zufolge ein Geschäft des Düsseldorfer Rüstungskonzerns Rheinmetall über die Lieferung und Einrichtung eines Gefechtsübungszentrums in Russland gestoppt haben.

Wie sich dann aber herausstellte, wurde die Rüstungsanlage schon im Jahr 2013 nach Russland ausgeliefert. Daher ist eine echte Beschränkung dieses Projekts wohl nicht erfolgt.

Allerdings hat das Bundeswirtschaftsministerium auf eine offizielle Anfrage eines Bundestagsabgeordneten Ende März 2014 die Auskunft erteilt, dass aufgrund der aktuellen politischen Lage keine Ausfuhrgenehmigungen für den Export von Rüstungsgütern in die Russische Föderation erteilt werden. Von dieser Entscheidung des Ministeriums waren Anfang April 69 Anträge auf Ausfuhr von sogenannten „sonstigen Rüstungsgütern″ betroffen, konkrete Unternehmen oder Projekte werden jedoch wegen Schutzes der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht genannt.

Hinsichtlich bereits erteilter Ausfuhrgenehmigungen für sonstige Rüstungsgüter und für Güter mit doppeltem Verwendungszweck (Dual-Use-Güter) scheint die Bundesregierung in kritischen Fällen zunächst auf Verhandlungen mit den Beteiligten setzen zu wollen statt sogleich mit einem Widerruf der Genehmigung einzuschreiten. Dabei wird stets eine sorgfältige Einzelfallprüfung vorgenommen. Einem generellen Waffenembargo gegen Russland steht die Bundesregierung hingegen derzeit skeptisch gegenüber.

Auswirkungen auf das deutsch-russische Geschäft

Beruhigendes vorweg: Aus juristischer Sicht ist auf der russischen Seite bisher nichts passiert, was unmittelbar gegen das Russland-Geschäft deutscher oder anderer ausländischer Unternehmen gerichtet ist. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte für Enteignungen ausländischer Unternehmen als mögliche Reaktion auf die vom Westen beschlossenen Sanktionen, wie in den Medien gemutmaßt wurde.

Ebenso wenig haben die EU-Sanktionen selbst das Russlandgeschäft in irgendeiner Weise unmittelbar behindert, da sie eben bisher nur gegen Einzelpersonen und zwei konkrete Unternehmen gerichtet waren. Insoweit sollte aber sichergestellt werden, dass keine Geschäfte mit den sanktionierten Unternehmen sowie mit einer der sanktionierten Personen oder mit einem Unternehmen, das der sanktionierten Person gehört oder von ihr kontrolliert wird, geführt werden.

Mittelbare Folge: Wirtschaftlicher Abschwung?

Viel mehr Sorgen bereiten den ausländischen Unternehmen zurzeit die mittelbaren Folgen des Ukraine-Konflikts für die russische Wirtschaft und damit für das Russland-Geschäft. Der Konflikt hat nämlich die vorher bereits vorhandenen Tendenzen der russischen Wirtschaft zur Abschwächung deutlich verstärkt.

Im ersten Quartal 2014 wurde eine Kapitalflucht aus Russland in Höhe von 70 Milliarden US-Dollar verzeichnet. Im gesamten Jahr 2014 könnten es bis zu 150 Milliarden US-Dollar Kapitalabfluss werden. Der Rubel sank zwischenzeitlich um etwa 20 Prozent auf einen Kurs von rund 50 Rubel / 1 Euro. Dies bringt wiederum Zins- und Preissteigerungen, Liquiditätsschwierigkeiten und Verlust von Kaufkraft mit sich, weshalb der Rubelverfall derzeit wohl die größte Sorge deutscher Exporteure im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt sein dürfte.

Auch für den russischen Bankensektor wird das Jahr 2014 schwierig. Der Kapitalabfluss und die Rubelabwertung werden hier hohe Verluste einbringen. Schätzungsweise 70 Milliarden US-Dollar werden im Jahr 2014 für die Refinanzierung des Bankensektors benötigt. Klassische Kreditfinanzierungen für deutsche Exporteure nach Russland sind von diesen Sorgen bisher allerdings nicht betroffen. Mit den bereits zugesagten staatlichen Hilfen dürften die Schwierigkeiten zu meistern sein.

Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung

Neben den negativen Auswirkungen auf die russische Wirtschaft spielt das Vertrauen beim Umgang mit russischen Geschäftspartnern eine wichtige Rolle für betroffene deutsche Unternehmen. Aus juristischer Sicht stellt sich vor allem die Frage, ob vorhandene oder künftige Vertragsbeziehungen angesichts des Ukraine-Konflikts entsprechend angepasst werden sollten. Ausgehend von der aktuellen Lage gibt es aus juristischer Sicht wenig Anlass, bestehende oder künftige Vertragsbeziehungen nunmehr spezifisch auf den Konflikt anzupassen.

Beide Rechtsordnungen (die deutsche und auch die russische) sehen ausreichende rechtliche Instrumente zur Bewältigung von sich ändernden unvorhersehbaren Umständen vor. Auch eine Absicherung gegen mangelnde Leistungsfähigkeit oder Leistungsbereitschaft des Vertragspartners sollte bei der Vertragsgestaltung immer, und nicht erst angesichts der aktuellen Lage, ein Thema sein.

Schließlich ist auch das Inflationsrisiko beim Rubel kein Umstand, der erst mit dem Ukraine-Konflikt aktuell geworden ist. Daher sollte an Instrumente zur effektiven Minimierung von Insolvenz- und Inflationsrisiken bei der Vertragsgestaltung stets und nicht erst anlässlich des Ukraine-Konflikts gedacht werden.

Fazit und Ausblick

Der Ukraine-Konflikt wirkt sich deutlich negativ auf die russische Wirtschaft aus. Das liegt nicht an echten westlichen Sanktionen, sondern an einem deutlichen Vertrauensverlust in die Verlässlichkeit Russlands als Investitionsstandort.

Die bereits vor dem Konflikt schwächelnde russische Wirtschaft befindet sich jedoch keinesfalls im freien Fall. Wie es wirtschaftlich weitergeht, hängt von der weiteren Entwicklung des Konflikts ab.

Tags: deutsch-russische Handelsbeziehungen Inflationsrisiko Kapitalflucht Rubelabwertung Russland Russlandgeschäft Sanktionen Ukraine-Konflikt Ukraine-Krise Wirtschaftssanktionen