8. März 2016
Price-Signaling
Kartellrecht Europarecht

Price Signaling Fall vor dem Abschluss

Die EU-Kommission und die von ihr ins Visier genommenen Containerlinien stehen im Price Signaling Fall kurz vor einem abschließenden Kompromiss.

Die EU-Kommission will den sog. Price Signaling Fall nach fast 5-jähriger Verfahrensdauer kurzfristig beenden. Die betroffenen Containerlinien haben Verpflichtungsangebote gemacht, zu denen Dritte bis zum 16. März 2016 Stellung nehmen können.

Es bahnt sich ein Kompromiss an, der den Fall für die EU-Kommission gesichtswahrend beendet, den Kunden wenig nutzt, die Linien kaum belastet und keine weitere Rechtssicherheit schafft.

Als Tiger durchsucht

Die EU-Kommission hatte ihre Durchsuchungsmaßnahme vom Mai 2011 insbesondere mit dem Verdacht auf Preis- und Kapazitätsabsprachen sowie auf einen Missbrauch marktbeherrschender Stellungen begründet. Trotz mehrtägiger Suche haben die Beamten keine „Smoking Guns″ gefunden, die auf schwerwiegende Kartellrechtsverstöße hindeuten würden.

Später nur noch wegen Price Signalings ermittelt

So hat die EU-Kommission am 21. November 2013 nur ein Verfahren wegen sog. Price Signalings eingeleitet und zwar gegen China Shipping, CMA CGM, COSCO, Evergreen, Hamburg Süd, Hanjin, Hapag Lloyd, HMM, Maersk, MOL, MSC, NYK, OOCL, UASC und ZIM.

Dabei ging es der EU-Kommission allein um die Besorgnis, die Linien hätten sog. General Rate Increase Announcements („GRI″) zur Preisabstimmung genutzt.

In der Tat hatten die Linien nacheinander mit einem zeitlichen Vorlauf von 3 bis 5 Wochen Preiserhöhungen angekündigt. Inhalt war kein neuer Preis, sondern nur eine prozentuale Preisänderung oder der Betrag der Erhöhung, die betreffende Route und der Tag, ab dem die Erhöhung wirksam werden sollte.

Nach den Feststellungen der EU-Kommission hätten einigen Linien von ihnen bereits angekündigte GRI durch eine Terminverschiebung oder sonstige Änderungen an die von anderen Linien angekündigten GRI angeglichen. Die Kommission befürchtet, die Linien hätten sich gegenseitig durch Price Signaling über ihre Absichten informiert und dadurch Preiserhöhungen zum Schaden der Kunden erreicht.

Ohne Zähne keine Beute gemacht

Mit dem bloßen Verdacht des Price Signaling stand das Verfahren von Anbeginn auf tönernen Füßen. Der Europäische Gerichtshof hatte schon im Jahr 1993 in einem vergleichbaren Fall betreffend Zellstoff entschieden, dass öffentliche Preisankündigungen grundsätzlich nicht geeignet sind,

die Unsicherheit jedes Unternehmens darüber, welche Haltung seine Konkurrenten einnehmen werden, zu verringern.

Im Zeitpunkt ihrer Vornahme durch das einzelne Unternehmen habe dieses nämlich keine Gewissheit über das künftige Verhalten der anderen Unternehmen. Das auf dem Zellstoffmarkt bestehende System der vierteljährlichen Preisankündigungen sei daher nicht zu beanstanden.

Entsprechend schwer sollte es für die EU-Kommission werden, einen Kartellrechtsverstoß nachzuweisen. Nachdem ihr dieser Nachweis nicht gelungen ist, will sie die Linien darauf verpflichten, ihre Preisankündigungen künftig so zu gestalten, dass kein Verdacht eines abgestimmten Verhaltens besteht.

Den gesichtswahrenden Kompromiss gesucht

Die EU-Kommission hat mit den betroffenen Linien bereits unmittelbar nach Verfahrenseröffnung Gespräche über Verpflichtungszusagen geführt. Jetzt haben die Linien entsprechende Angebote finalisiert, ohne einen Kartellrechtsverstoß einzuräumen.

Im Gegenteil treten sie den entsprechenden Befürchtungen entschieden entgegen. Sie behalten sich vor, unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin öffentliche Preisankündigungen zu machen. Sie wollen ohne jede Einschränkung Mitteilungen an Kunden machen, die zu dem betreffenden Zeitpunkt eine gültige Preisvereinbarung für die Route haben, auf die sich die Mitteilung bezieht. Ebenso wollen sie ohne jede Einschränkung mit ihren Kunden bilateral über die künftige Preisentwicklung sprechen.

Angebot auf mehr Transparenz akzeptiert

Die Linien sind im Kundeninteresse bereit, künftige Ankündigungen transparenter zu gestalten. Sie sollen mindestens die fünf wichtigsten Bestandteile des Gesamtpreises enthalten (Grundpreis, Bunkerzuschläge, Sicherheitsgebühren, Terminalumschlagsgebühren und ggf. Hochsaisonzuschlag).

Im angegebenen Geltungszeitraum sollen die angekündigten Preise als Höchstpreise verbindlich sein und frühestens 31 Tage vor der geplanten Einführung der neuen Preise veröffentlicht werden.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Kommission bis zum 16. März 2016 weitere Stellungnahmen erhält, die sie daran hindern werden, die angebotenen Verpflichtungszusagen für bindend zu erklären und das Verfahren damit abzuschließen. Dann müssen die Linien in den nächsten drei Jahren die eingegangenen Verpflichtungen einhalten.

Im Fall eines Verstoßes gegen die Verpflichtung könnte die Kommission ein Bußgeld verhängen, ohne zugleich einen Verstoß gegen die Kartellvorschriften nachweisen zu müssen.

Als Bettvorleger gelandet

Die Freight Transport Association (FTA), die sich als eine der ersten über das Verhalten der Linien beschwert haben will, hat in einer Pressemitteilung die Zusagen der Linien bereits als „major victory″ bezeichnet. Tatsächlich scheint die Bedeutung weitaus geringer. Am Preisverhalten der Linien wird sich nichts ändern.

Es geht im Kern nur um eine Erhöhung der Transparenz. Ob daran ein echter Bedarf besteht und ob das zu noch niedrigeren Preisen führt, erscheint mehr als fraglich. Es sollte den Linien nicht allzu schwerfallen, sich an ihre eng begrenzten Zusagen zu halten.

Allerdings können sie künftig keine bestimmten Preise mehr ankündigen, dann abwarten, ob andere Linien noch höhere Preise ankündigen und schließlich selbst noch einmal mit einer weiteren Erhöhung nachziehen. Ein solches Verhalten hat es nach der Einlassung der Linien aber ohnehin nicht gegeben. Es erscheint angesichts der seit vielen Jahren vorhandenen Überkapazitäten auch kaum durchsetzbar.

Relevante Einschränkung des Price Signalings nicht zu erwarten

Durch den vorgesehenen Kompromiss ist für die Rechtsfortbildung nichts gewonnen. Der relevante Sachverhalt ist streitig geblieben und die EU hat ihn nicht abschließend bewertet.

Im Grundsatz bleibt es damit bei der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der es grundsätzlich zulässig ist, künftige Preisvorstellungen zu veröffentlichen, das Preisverhalten der Konkurrenz zu beobachten und darauf möglichst intelligent zu reagieren.

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