15. April 2015
Rechtsschutz gegen Pressemitteilungen
Kartellrecht Presserecht

Rechtsschutz gegen Pressemitteilungen der Kartellbehörde

Das OLG Düsseldorf hat die Reichweite der Informationspflichten der Kartellbehörde und Möglichkeiten des Rechtsschutzes betroffener Unternehmen präzisiert.

Das OLG Düsseldorf hat in einem aktuellen Beschluss vom 9. Oktober 2014 (VI-Kart 5/14 (V)) die Reichweite der Informationspflichten der Kartellbehörde und die Möglichkeiten des Rechtsschutzes betroffener Unternehmen präzisiert.

Bundeskartellamt veröffentlichte Namen betroffener Unternehmen

Das Bundeskartellamt veröffentlichte am 15. Juli 2014 eine Pressemitteilung zum Abschluss eines Bußgeldverfahrens. In der Pressemitteilung gibt das Amt bekannt, dass es wegen illegaler Preisabsprachen Geldbußen in Höhe von insgesamt rund € 338 Mio. gegen 21 Unternehmen sowie gegen 33 verantwortlich handelnde Personen verhängt habe. Dabei werden 21 Unternehmen namentlich aufgeführt. Abschließend wird in der Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass die Geldbußen noch nicht rechtskräftig seien und gegen die Bescheide innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt werden könne.

Gegen die Veröffentlichung legten zwei der bebußten und in der Pressemitteilung genannten Unternehmen gemäß § 63 GWB Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein. Sie beantragten zugleich im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Bundeskartellamt zu untersagen, bis zum rechtskräftigen Abschluss der gegen sie gerichteten Bußgeldverfahren ihre Beteiligung an dem Kartellrechtsverstoß als eine unstreitige Tatsache darzustellen.

Nach der mündlichen Verhandlung zum Eilantrag zogen die Unternehmen ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurück. Im Rahmen der Kostenentscheidung entschied das OLG Düsseldorf, dass der Antrag der Unternehmen in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.

Kartellbehörde berichtete wahrheitsgemäß

Das OLG Düsseldorf lehnte einen Anordnungsanspruch ab. Die Veröffentlichung der Pressemitteilung führe nicht zu einer Verletzung der Rechte der Antragstellerinnen aus §§ 839 Abs. 1, 823 Abs. 1, 1004 BGB, Art. 34 GG.

Die Tätigkeit der Kartellbehörde sei staatliches Informationshandeln, das trotz faktischer Beeinträchtigungen keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage bedürfe. Wie jedes staatliche Handeln sei es allerdings an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Willkürverbot gebunden. Die mitgeteilten Tatsachen müssten daher wahr sein. Diesen Anforderungen genüge die Pressemitteilung des Bundeskartellamts.

Der Ansicht des OLG zufolge habe die Kartellbehörde wahrheitsgemäß über den Umstand berichtet, dass gegen die genannten Unternehmen wegen des Vorwurfs illegaler Preisabsprachen Bußgeldbescheide erlassen worden seien. Das Ermittlungsverfahren habe mit dem Erlass der Bußgeldentscheidung seinen Abschluss gefunden. Damit sei ein rechtskraftfähiger Titel geschaffen worden, aus dem bei Eintritt der Rechtskraft auch vollstreckt werden könne. Der Umstand, dass der Bußgeldbescheid mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs angefochten werden könne, ändere hieran nichts.

Keine Verdachtsberichterstattung

Die presserechtlichen Grundsätze der Verdachtsberichtserstattung seien nach Auffassung des Kartellsenats nicht einzuhalten gewesen, da die Pressemitteilung feststehende, wahre Tatsachen wiedergebe. Notwendig sei allerdings ein Hinweis darauf, dass die mitgeteilte Entscheidung anfechtbar sei und mit der ihr zugrundeliegenden Feststellung gerichtlich überprüft werden könne. Diesen Hinweis hatte das Bundeskartellamt aber erteilt.

Darüber hinaus musste die Kartellbehörde nicht mit der Veröffentlichung der Pressemitteilung bis zur Rechtskraft der erlassenen Bußgeldbescheide zuwarten. Eine solche Verpflichtung würde eine zeitnahe Verbraucherinformation der Behörde über die bei ihr abgeschlossenen Verfahren oftmals unmöglich machen.

Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehe der Pressemitteilung nicht entgegen. Es bestehe ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis kartellrechtswidriger Absprachen. Insbesondere die Verbraucher als Letztabnehmer seien durch das Kartell „erheblich geschädigt“. Etwaige ihnen gegen die Kartellanten zustehenden Schadensersatzansprüche könnten sie jedoch nur geltend machen, wenn sie über die verhängten Geldbußen unter Namensnennung der Unternehmen auch informiert würden.

Hinweise für die Praxis

Beachtlich sind dabei die Ausführungen des Kartellsenats zur Verhältnismäßigkeit der Pressemitteilung mit Blick auf die „erhebliche Schädigung“ der Verbraucher. Das OLG Düsseldorf hat offensichtlich keinen Zweifel, dass die Verbraucher durch das Kartell einen wirtschaftlichen Schaden erlitten und ihnen Schadensersatzansprüche gegen die Kartellanten zustehen.

Diese Sichtweise überrascht vor dem Hintergrund des BGH-Urteils im ORWI-Verfahren (BGHZ 190, 145 ff.), wonach es keine Vermutungsregel dafür gebe, dass ein beim direkten Abnehmer (hier dem Handel) eingetretener Kartellschaden auf die indirekten Abnehmer (hier die Verbraucher) zu deren wirtschaftlichen Lasten weitergeleitet werde. Vielmehr müsse der indirekte Abnehmer im Einzelfall den Nachweis dafür führen, dass es ihm gegenüber zu einer kartellbedingten Preiserhöhung durch den direkten Abnehmer gekommen sei.

Diese Sichtweise des BGH, welche Klagen von indirekten Abnehmern erheblich erschwert, wird aufgrund europarechtlicher Vorgaben allerdings bald aufgeweicht. Denn die neue EU-Richtlinie zum Kartellschadensersatz, die vom Bundesgesetzgeber bis zum 27. Dezember 2016 umgesetzt werden muss, enthält in Artikel 14 Abs. 2 eine – unter vergleichsweise niedrigen Voraussetzungen stehende – Vermutungsregel für eine Weiterwälzung des Kartellschadens auf den indirekten Abnehmer. Nach der Umsetzung der Richtlinie wird es daher wohl faktisch Sache von Kartellanten sein, den Beweis dafür zu erbringen, dass es nicht zu einer Weiterwälzung auf die indirekten Abnehmer gekommen ist.

Tags: Bußgeld Kartellamt Pressemitteilung Rechtsschutz Verhältnismäßigkeit