19. Juli 2016
Drittplattformverbot
Kartellrecht

Verstoß gegen Drittplattformverbot kann zur Kündigung führen

Bezirksgericht Gelderland hält Kündigung in Belieferungsstreit für wirksam und ignoriert Ausführungen des Bundeskartellamtes zu Drittplattformverboten.

Das niederländische Bezirksgericht Gelderland hat mit Urteil vom 13. Mai 2016 eine Klage gegen die Shure Distribution Benelux auf Belieferung zurückgewiesen (ECLI:NL:RBGEL:2016:2861). Die Klägerin hatte mit Verweis auf Ausführungen des Bundeskartellamtes in den Fällen Asics und Adidas argumentiert, die Beklagte dürfe ihr den Vertriebsvertrag nicht wegen Verkäufen auf Drittplattformen kündigen. Diese Argumentation hat das Bezirksgericht Gelderland zurückgewiesen.

In Deutschland wäre der Streit kaum anders ausgegangen. Nach deutschem Recht ist es grundsätzlich möglich, Vertriebsverträge ohne Angabe von Gründen innerhalb der vereinbarten Frist zu kündigen.

Parteien vereinbarten Drittplattformverbot

Die Klägerin und die Beklagte standen seit Juni 2010 in Geschäftsverbindung. Am 1. April 2013 schlossen die Parteien für ein Jahr einen Vertriebsvertrag. Entsprechende Verträge schlossen die Parteien in den beiden nachfolgenden Jahren.

Der zuletzt geschlossene Vertrag verbot der Klägerin den Verkauf über Drittplattformen. Die Klägerin durfte die Produkte im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems nur an Endkunden oder andere autorisierte Partner verkaufen. Jede Partei konnte den Vertrag ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von drei Monaten kündigen.

In den vergangenen Jahren wandte sich die Klägerin fast täglich an die Beklagte und meldete ihr Händler, die unter ihrer Preisempfehlung verkauften. Die Beklagte antwortete regelmäßig, dass ihr eine Preisbindung der Händler verboten sei. Stattdessen verlangte die Beklagte von der Klägerin, den Verkauf über Drittplattformen wie Amazon und Hittmeister.de zu unterlassen. Die Klägerin behauptete, diese Plattformen dienten ihr nicht zum Verkauf, sondern nur zur Werbung. Schließlich kündigte die Beklagte den Vertrag im Dezember 2015 unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist. Die Beklagte teilt der Klägerin Mitte März 2016 auf Nachfrage mit, dass sie an der Kündigung festhalte.

Bezirksgericht Gelderland: Kündigung war wirksam

Das Bezirksgericht Gelderland vertrat die Auffassung, dass eine Vertragskündigung auch dann angemessene Gründe voraussetzen könne, wenn die Parteien sich auf eine Kündigungsmöglichkeit ohne solche Gründe verständigt haben.

Umstände, die besondere Kündigungsgründe erforderten, seien indes von der Klägerin darzulegen. Das war ihr aus Sicht des Gerichts nicht gelungen. Die Geschäftsbeziehung bestand erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit (5-6 Jahre) und der Vertrag stand nur für 5 % des klägerischen Umsatzes. Außerdem hatte die Klägerin keine relevanten Investitionen in die Fortsetzung der Geschäftsverbindung vorgenommen.

Keine sachwidrigen Motive erkennbar

Nach Auffassung des Gerichts hatte die Klägerin schon nicht ausreichend dargelegt, dass ihre Preise niedriger als die ihrer Konkurrenten gewesen seien oder dass ihre Konkurrenten auf Preiserhöhungen hingewirkt hätten. Die Korrespondenz mit der Beklagten würde eher das Gegenteil nahelegen.

Ausführungen des Bundeskartellamtes zu Drittplattformen ignoriert

Demgegenüber habe die Beklagte Gründe für die Kündigung vorgetragen. Ein Grund sei der Verstoß gegen das Plattformverbot. Das Plattformverbot sei aus Sicht der Beklagten gerechtfertigt, um dem Endkunden einen hohen Servicestandard zu gewähren. Diese Argumentation erkannte das Gericht an und wies den Hinweis auf gegenteilige Ausführungen des Bundeskartellamtes in den Fällen Asics und Adidas als unbeachtlich zurück.

Ferner argumentierte die Beklagte mit Erfolg, dass sich die Klägerin als schwieriger Kunde erwiesen habe, der sie über lange Zeit mit E-Mails belästigt hätte. Schließlich berücksichtigte das Gericht auch den Vortrag der Beklagten, dass die Klägerin Vertragsware an unautorisierte Wiederverkäufer verkauft habe.

Keine andere Bewertung nach deutschem Recht

Der vom Bezirksgericht Gelderland entschiedene Fall hätte auch in Deutschland spielen können. Ein deutsches Gericht hätte den Fall wahrscheinlich ebenso entschieden.

Grundsätzlich ist es auch nach deutschem Recht möglich, Vertriebsverträge ohne Angabe von Gründen innerhalb der vereinbarten Frist zu kündigen. Nur ausnahmsweise, im Fall der Abhängigkeit des Händlers vom Lieferanten, bedarf die Kündigung einer Rechtfertigung. Diese Rechtfertigung liegt grundsätzlich schon darin, dass der Lieferant den Vertrieb seiner Waren frei gestalten kann und grundsätzlich kein Händler eine Ewigkeitsgarantie auf Belieferung hat.

Problematisch wäre es auch nach deutschem Recht gewesen, einen Händler wegen niedriger Preise zu kündigen. Jedenfalls dürfte dies nicht als Grund genannt werden. Ein Lieferant tut gut daran, Vorwürfe der Preisbindung sofort zurückzuweisen.

Verstöße gegen einen Vertriebsvertrag sind regelmäßig nachvollziehbare Kündigungsgründe. Das gilt in einem selektiven Vertriebssystem insbesondere bei Verkäufen an Außenseiter.

Auch Verstöße gegen das Verbot von Drittplattformverkäufen rechtfertigt eine Kündigung, wenn ein solches Verbot für die Aufrechterhaltung eines hohen Kundenservice notwendig ist. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn ein Händler im Rahmen des selektiven Vertriebs nur von seinem festen Ladengeschäft aus verkaufen darf und nicht außerhalb auf den Verkaufsflächen Dritter. Dies entspricht der Rechtsauffassung der EU-Kommission.

Es verwundert also nicht, dass das Bezirksgericht Gelderland eine anderslautende Rechtsauffassung des Bundeskartellamtes ignoriert hat.

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