31. Juli 2017
AwSV
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen tritt in Kraft – was kommt, was bleibt?

Bundeseinheitliche Vorgaben für Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen treten in Kraft. Auch bei Bestandsanlagen besteht Handlungsbedarf.

Nach einem langwierigen Rechtssetzungsverfahren wurde die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) am 21. April 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Vorschriften über die Anerkennung von Güte- und Überwachungsgemeinschaften und die Bestellung von Fachprüfern gelten bereits seit April. Am 1. August 2017 tritt die Verordnung vollständig in Kraft.

Erstmals bundeseinheitliche Regelungen

Die Verordnung enthält erstmals bundeseinheitliche Regelungen für Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und hebt damit die bisher geltenden landesrechtlichen Vorschriften auf. Zwar orientierten sich die 16 Landesverordnungen – wie nunmehr auch die AwSV – an der Muster-Anlagenverordnung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser. Dennoch wichen die Anforderungen teilweise voneinander ab. Durch die neue Verordnung gelten ab dem 1. August 2017 daher in einigen Bundesländern neue oder veränderte Vorgaben.

Erhebliche Änderungen in NRW und Berlin

Zu erheblichen Veränderungen wird es insbesondere in Nordrhein-Westfalen und Berlin kommen. Die Länder hatten in den jüngeren Verordnungen weitgehend auf die Einteilung in Wassergefährdungsklassen verzichtet. Aufgrund der zahlreichen Chemieunternehmen in NRW wird daher vor allem die chemische Industrie von der Neuregelung betroffen sein. Daneben ist die Verordnung u.a. für die Hafen- und Logistikwirtschaft relevant.

Ablösung der alten Verwaltungsvorschrift über wassergefährdende Stoffe

Die neue Verordnung regelt zum einen die Einstufung von Stoffen und Gemischen und löst die Verwaltungsvorschrift wassergefährdender Stoffe (VwVwS) ab. Zum anderen enthält sie die technischen Anlagenanforderungen, die organisatorischen und administrativen Vorgaben für Betreiber sowie Regelungen für Sachverständigenorganisationen, Güte- und Überwachungsgemeinschaften und Fachbetriebe.

Einstufung – neue Kategorie wird eingeführt

Die bisherige Einstufung in die drei Wassergefährdungsklassen (WGK)

  1. stark wassergefährdend (WGK 3),
  2. deutlich wassergefährdend (WGK 2) und
  3. schwach wassergefährdend (WGK 1)

bleibt bestehen. Gleiches gilt für die Einordnung als nicht wassergefährdend. Mit den „allgemein wassergefährdenden″ Stoffen wird zudem eine neue Kategorie eingeführt. Diese gilt für Stoffe und Gemische wie insbesondere Wirtschaftsdünger. Denn deren Einstufung wäre ansonsten mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Darüber hinaus gilt die neue Kategorie für bestimmte aufschwimmende flüssige Stoffe, die durch das Umweltbundesamt noch festgelegt werden.

Hintergrund der Aufnahme aufschwimmender flüssiger Stoffe ist die von solchen Stoffen ausgehende potentielle Gefährdung von Wasserorganismen, Insekten und Vögeln, deren Sauerstoffaufnahme und Mobilität durch einen Stofffilm auf der Wasseroberfläche beeinträchtigt werden kann. Aufschwimmende flüssige Stoffe sind daher ausschließlich im Zusammenhang mit oberirdischen Gewässern relevant. Aus diesem Grund gelten die Vorschriften der AwSV für aufschwimmende flüssige Stoffe teilweise nicht, wenn ausgeschlossen ist, dass die Stoffe und Gemische aus einer Anlage in ein oberirdisches Gewässer gelangen können.

Die Einstufung von Stoffen und Gemischen hat anhand der in Anlage 1 der Verordnung genannten Kriterien zu erfolgen. Die AwSV passt die Einstufungskriterien an das bereits 2015 in Europa vollständig eingeführte weltweit harmonisierte Einstufungssystem der CLP Verordnung an.

Geänderte Schwellenwerte sorgen für teilweise neue Einordnungen

Durch die Anpassung des Einstufungssystems an die CLP Verordnung kann es aufgrund abweichender Schwellenwerte zu geänderten Einstufungen in die Wassergefährdungsklassen kommen. Die für die Einstufung benötigten Informationen sollten sich aus dem Sicherheitsdatenblatt ergeben, welches der Lieferant gemäß der REACH Verordnung zur Verfügung zu stellen hat.

Überprüfung der Selbsteinstufung

Wie bisher sind die Unternehmen zur Selbsteinstufung der gehandhabten Stoffe und Gemische verpflichtet. Neu ist jedoch, dass nunmehr das Umweltbundesamt über die endgültige Einstufung von Stoffen entscheidet. Es kann sich von einer einzurichtenden Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe beraten lassen. Die getroffene Entscheidung wird sowohl dem Anlagenbetreiber als auch öffentlich im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

Die durch den Anlagenbetreiber vorgenommene Einstufung von Gemischen kann durch die jeweils zuständige Landesbehörde überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Daneben hat das Umweltbundesamt die Möglichkeit, bundeseinheitliche Einstufungen von Gemischen festzulegen. Hierdurch soll vermieden werden, dass sich unterschiedliche Standards entwickeln.

Das Umweltbundesamt soll nach der Vorstellung des Verordnungsgebers von der bundeseinheitlichen Einstufung von Gemischen nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen.

Keine erneute Bewertung bereits eingestufter Stoffe und Gemische

Bereits gemäß VwVwS eingestufte Stoffe und Gemische gelten nach der Übergangsregel als eingestuft. Eine erneute Bewertung ist daher nicht erforderlich. Änderungen bestehender Einstufungen sind jedoch möglich.

Sofern sich die Einstufung und damit die Wassergefährdungsklasse nach dem 1. August 2017 ändert, müssen etwaig erforderliche Anlagennachrüstungen allerdings erst auf Anordnung der Behörde erfolgen. Erst einmal besteht daher kein unmittelbarer Handlungsbedarf.

Zu beachten ist jedoch auch, dass Anlagenbetreiber verpflichtet sind, die ihnen vorliegenden Erkenntnisse, die eine andere Stoffeinstufung begründen können, dem Umweltbundesamt mitzuteilen. Neue Erkenntnisse können sich hierbei insbesondere im Zuge der Datengenerierung oder Dossier- und Stoffbewertung nach den Vorgaben der REACH Verordnung ergeben.

Derzeit als wassergefährdend bzw. nicht wassergefährdend eingestufte Stoffe können in der Onlinedatenbank Rigoletto des Umweltbundesamtes recherchiert werden. Eine konsolidierte Liste aller nach VwVwS eingestuften Stoffe soll Mitte August im Bundesanzeiger veröffentlicht werden.

Technische Anforderungen

In technischer Hinsicht bleibt es bei den Grundsatzanforderungen, dass Anlagen dicht sein und austretende wassergefährdende Stoffe zurückgehalten werden müssen. Für bestimmte Anlagen mit größerem Risikopotential gelten zudem besondere Anforderungen. Die Anforderungen an die Schutzmechanismen variieren je nach Anlagenart und sind abhängig von der Gefährdungsstufe der Anlage. Erhöhte Anforderungen gelten bei Anlagenstandorten in Schutz- und Überschwemmungsgebieten.

Detaillierte Vorgaben enthält die Verordnung für Rückhalteeinrichtungen wie zum Beispiel Auffangwannen. Diese müssen flüssigkeitsundurchlässig sein und dürfen in der Regel nicht über Abläufe verfügen. Das Rückhaltevolumen muss grundsätzlich so groß sein, dass austretende wassergefährdende Stoffe vollständig zurückgehalten werden. Sofern durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird, dass ein vollständiges Auslaufen verhindert wird, kann ein geringeres Volumen genügen. Die muss dann aber auch unter ungünstigen Umständen, wie beispielsweise einer Betriebsstörung an Wochenenden oder Feiertagen, sichergestellt sein.

Da eine vollständige Rückhaltung aber nicht immer möglich oder erforderlich ist, gelten für bestimmte Anlagen weitere Erleichterungen, beispielsweise für Fass- und Gebindelager, bei denen das Einzelvolumen der gelagerten Behälter und Verpackungen von 1,25 Kubikmeter nicht überschritten wird. Hier genügt ein deutlich geringeres Rückhaltevolumen. Bei kleineren Behältern und Verpackungen kann zudem eine flüssigkeitsundurchlässige Fläche ohne konkretes Rückhaltevolumen genügen.

Weitere Sonderregelungen greifen für Umschlaganlagen. Umschlagsflächen für flüssige wassergefährdende Stoffe müssen flüssigkeitsundurchlässig sein; ein konkretes Rückhaltevolumen ist nicht erforderlich. Weitere Erleichterungen gelten zudem für Umschlaganlagen des intermodalen Verkehrs. Zu den betroffenen Umschlaganlagen zählen solche, auf denen wassergefährdende Stoffe in gefahrgutrechtlich gekennzeichneten Ladeeinheiten oder Straßenfahrzeugen auf einen anderen Verkehrsträger umgeladen werden, also beispielsweise von Zug auf LKW. Hier genügt es, wenn die Flächen in Beton- oder Asphaltbauweise befestigt sind, sodass das dort anfallende Niederschlagswasser nicht auf der Unterseite austreten kann. Zudem müssen Havariebereiche vorhanden sein. Insofern ist es bei der für die Hafen- und Logistikwirtschaft günstigeren Regelung geblieben (vgl. hierzu bereits unseren Blogbeitrag zum kombinierten Verkehr).

Abgrenzung von Umschlag- und Lageranlagen

Darüber hinaus enthält die Verordnung eine Abgrenzung von Umschlag- und Lageranlagen. Flächen, auf denen Transportmittel mit wassergefährdenden Stoffen abgestellt werden, sind keine Lageranlagen. Gleiches gilt für Flächen, auf denen Behälter oder Verpackungen mit wassergefährdenden Stoffen vorübergehend im Zusammenhang mit dem Transport abgestellt werden. Letztere werden weiterhin der Umschlaganlage zugeordnet.

Diese Abgrenzung ist nicht nur im Rahmen der AwSV, sondern auch für die Anwendbarkeit des Störfallrechts relevant. Die Abgrenzung entspricht den Vorgaben des Störfallrechts. Dieses ist u.a. auf die Beförderung gefährlicher Stoffe und deren damit unmittelbar in Zusammenhang stehende, zeitlich begrenzte Zwischenlagerung nicht anwendbar. Umschlaganlagen fallen daher in der Regel nicht unter den Anwendungsbereich der Störfallverordnung; Lageranlagen hingegen schon. Wann von einem vorübergehenden Abstellen auszugehen ist, wird auch in der AwSV nicht definiert. Ausgangspunkt dürfte auch hier die 24-Stunden-Regel der Gefahrstoffverordnung sein.

Organisatorische und administrative Vorgaben

Die neue Verordnung enthält insbesondere folgende organisatorische und administrative Vorgaben:

  • Anforderungen beim Befüllen und Entleeren von Anlagen
  • Vorgaben für Schadensbegrenzungsmaßnahmen bei Betriebsstörungen und zur Instandsetzung
  • Anzeigepflicht bei Neuanlagen, wesentlichen Änderungen und Betreiberwechsel
  • Verpflichtung zum Führen einer Anlagendokumentation
  • Erstellung und Aktualisierung von Betriebsanweisungen
  • Fachbetriebspflichten
  • Überwachungs- und Prüfpflichten
  • Vorgaben zur Beseitigung von Mängeln

Insbesondere die Vorgaben für die Anlagendokumentation und die Erstellung von Betriebsanweisungen wurden konkretisiert. Auch die Prüfpflichten haben sich teilweise verändert. Abfüll- und Umschlaganlagen sind nunmehr bereits ab der Gefährdungsstufe B wiederkehrend prüfpflichtig. Die Inbetriebnahmeprüfung und die Prüfung nach wesentlichen Änderungen wird für diese Anlagen zudem ausgeweitet. Hierzu gehört nun auch die Nachprüfung nach einjähriger Betriebszeit.

Wirtschaftsfreundliche Übergangsregelungen für Bestandsanlagen

Für Bestandsanlagen gelten zahlreiche wirtschaftsfreundliche Übergangsregelungen. Sofern die Behörde nicht etwas anderes anordnet, gelten die bisherigen technischen Anforderungen fort, die sich aus dem Landesrecht und den jeweiligen Bescheiden ergeben. Als neue Anforderungen gelten ab dem 01. August 2017 lediglich die organisatorischen und administrativen Anforderungen der AwSV. Sofern Anlagen bereits den geltenden Anforderungen entsprechen, besteht daher zunächst keine Nachrüstpflicht.

Bei Bestandsanlagen, die einer wiederkehrenden Prüfpflicht unterliegen, hat der Sachverständige zum einen zu prüfen, inwieweit die Vorgaben des bisherigen Landesrechts eingehalten werden. Zum anderen ist bei der ersten Prüfung nach Inkrafttreten der neuen Verordnung zu überprüfen, inwieweit die über das bisher geltende Landesrecht hinausgehenden Anforderungen der AwSV eingehalten werden. Das Ergebnis der letztgenannten Prüfung hat keine unmittelbare Auswirkung. Der Abgleich dient vor allem der Information des Betreibers und der Behörde. Betreiber sollten sich aber ggf. frühzeitig auf Nachrüstungen einstellen und mit der Behörde zum beabsichtigten Zeitpunkt abstimmen. Insbesondere bei Anlagen mit höherem Gefährdungspotential ist mit behördlichen Anordnungen zu rechnen.

Die Befugnis der Behörde, Betreiber per Anordnung zur Anlagennachrüstung zu verpflichten, ist allerdings durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingeschränkt. Anpassungsmaßnahmen, die einer Neuerrichtung gleichkämen, können nicht verlangt werden. Beispielsweise kann bei Umschlagsanlagen auf Gleisen nicht verlangt werden, dass bestehende Anlagen flüssigkeitsundurchlässig nachgerüstet werden.

Handlungsbedarf für betroffene Anlagenbetreiber

Zwar sind technische Nachrüstungen erst bei einer entsprechenden behördlichen Anordnung erforderlich. Die organisatorischen und administrativen Anforderungen der AwSV gelten ab dem 01. August 2017 jedoch uneingeschränkt. Folgendes ist daher bereits jetzt zu beachten:

  • Aufgrund der enthaltenen Konkretisierungen der Vorgaben zur Dokumentation und für Betriebsanweisungen besteht ggf. ein Anpassungsbedarf. Insbesondere die zu erstellende Anlagendokumentation kann für die Anlagenbetreiber mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein.
  • Sofern der Behörde eine anzeigepflichtige Anlage noch nicht bekannt ist, hat die erforderliche Anzeige zudem umgehend zu erfolgen.
  • Es sollte geprüft werden, ob bzw. wann Anlagen erneut geprüft werden müssen. Für Anlagen, die bereits wiederkehrend prüfpflichtig waren, ist für die Bestimmung des Prüfzeitpunkts auf den Abschluss der letzten nach landesrechtlichen Vorschriften durchgeführten Prüfung abzustellen. Die Prüffrist für Anlagen, die bisher nicht wiederkehrend prüfpflichtig waren, hängt von dem Inbetriebnahmezeitpunkt der Anlage ab.
  • Sofern ein Stoff oder Gemisch noch nicht eingestuft ist, sollte die Einstufung nachgeholt werden.
  • Sofern dem Betreiber neue Erkenntnisse vorliegen, die Einfluss auf die Stoffeinstufung haben, sind diese dem Umweltbundesamt mitzuteilen.
  • Schließlich sollte geprüft werden, ob bzw. inwiefern die Anforderungen der AwSV über das bisher geltende Landesrecht hinausgehen. Etwaige Nachrüstungen sollten ggf. frühzeitig geplant und mit der Behörde abgestimmt werden.

Verstöße gegen die Vorgaben der Verordnung können mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Dies gilt auch für Verstöße gegen die Prüf- oder Anzeigepflicht. Besondere Bedeutung sollte den Vorschriften der AwSV zudem aufgrund der Strafbarkeit von Gewässerverunreinigungen beigemessen werden. Verstöße gegen die Vorschriften können einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen.

Tags: AwSV Umweltrecht wassergefährdende Stoffe