27. Dezember 2010
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Endspurt zur Umsetzung des Verteidigungspakets

Mit dem Jahreswechsel beginnt der Endspurt zur Umsetzung des EU-Verteidigungspakets. Rechtzeitig vor Weihnachten melden sich der BDI, der DGB sowie andere Verbände und Organisationen und fordern in einer gemeinsamen Erklärung die Umsetzung des Vergaberechts im Rahmen des bisherigen Systems, d.h. der VOL und der VOB. Damit soll verhindert werden, dass die Bundesregierung die neuen Vergaberegeln im Rahmen einer eigenen Verordnung nach dem Muster der Sektorenverordnung umsetzt. Diese neuen Vergabevorschriften sind ein Teil des Verteidigungspakets, mit dem wir uns in einer Blog-Reihe beginnend mit diesem Pilotbeitrag näher befassen wollen.

Worum geht es?

Das Verteidigungspaket war im Dezember 2007 von der Europäische Kommission als Teil ihrer „Strategie für eine stärkere und wettbewerbsfähigere europäische Verteidigungsindustrie″ (KOM (2007) 764 endgültig) vorgelegt worden. In Ihrer Mitteilung vom 05.12.2007 schlug sie eine Reihe von Maßnahmen vor mit dem Ziel, die europäische verteidigungstechnologische und –industrielle Basis (DTIB – Defence Technology Industry Base) als unverzichtbares Fundament für die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu stärken.

Die Kommission hatte eine weitgehende Marktfragmentierung festgestellt, die insbesondere dadurch geprägt ist, dass die Regierungen in Europa der Verteidigungsindustrie im jeweils eigenen Land in aller Regel den Vorzug geben. Die Kommission sieht insbesondere die Gefahr, dass der europäischen Industrie die erforderlichen Kapazitäten für eine eigenständige europäische Sicherheitspolitik verloren gehen und sie sich zu einem Nischenanbieter entwickelt. Als einen wesentlichen Baustein zur Stärkung der europäischen Kapazitäten hat die Kommission insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung des europäischen Binnenmarkts für Verteidigungsgüter vorgeschlagen. Diese Maßnahmen sollen zum schrittweisen Aufbau eines europäischen Markts für Verteidigungsgüter beitragen, indem in jedem Mitgliedsstaat niedergelassene Hersteller ohne Einschränkungen alle Mitgliedsstaaten beliefern können, um so einen grundlegenden Rahmen für eine wettbewerbsfähigere und stärkere Verteidigungsindustrie zu schaffen.

Im Markt für Verteidigungsgüter sind die Staaten sowohl Aufsichtsbehörde als auch selbst größter Nachfrager. Dem hat die Kommission durch den Vorschlag von zwei Richtlinien Rechnung getragen, die nach Durchlaufen des Gesetzgebungsprozesses 2009 verabschiedet wurden und nunmehr bis Sommer 2011 umgesetzt werden müssen:

  • Die Richtlinie 2009/43/EG zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (Directive 2009/43/EC simplifying terms and conditions of transfers of defence-related products within the Community) zielt auf eine Beseitigung unnötiger Formalitäten bei der Verbringung von Verteidigungsgütern zwischen Mitgliedsstaaten. Anders als beispielsweise im Abfallrecht wird der regulatorische Rahmen für die Verbringung von Verteidigungsgütern nicht durch eine unmittelbar in den Mitgliedsstaaten anwendbare EU-Verordnung, sondern eine durch Richtlinie geregelt, die durch nationale Vorschriften umgesetzt werden muss. Die Genehmigungsbedürftigkeit der grenzüberschreitenden Lieferung von Verteidigungsgütern innerhalb der EU bleibt aufrecht erhalten. Die Richtlinie führt Regelungen ein, wonach neben der Einzelgenehmigung für jeden Liefervorgang auch sog. Allgemeingenehmigungen und Globalgenehmigungen erteilt werden. Darüber hinaus muss ein Zertifizierungssystem für Unternehmen, an die in einem Mitgliedsstaat geliefert werden kann, eingeführt werden.

  • Überwiegende Auftraggeber im Verteidigungssektor sind die Mitgliedsstaaten selbst. Der Anwendung des Vergaberechts wurde in der Vergangenheit meist Art. 296 EG-Vertrag, nunmehr Art. 346 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV), entgegengehalten. Obwohl der EuGH eine enge Auslegung dieser Vorschrift angemahnt hatte (EuGH, Urt. v. 8.4.2008, Rs. C-337/05 – Augusta), wurde von ihr extensiv Gebrauch gemacht. Dem soll die Richtlinie 2009/81/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (Directive 2009/81/EC on the coordination of procedures for the award of certain works contracts, supply contracts and service contracts by contracting authorities or entities in the fields of defence and security) entgegenwirken, indem sie angepasste Vergaberegeln aufstellt.

Die Verbringungsrichtlinie ist am 30.06.2009 in Kraft getreten und bis zum 30.06.2011 in nationales Recht umzusetzen, das allerdings erst ein Jahr später angewendet werden muss. Die Vergaberichtlinie ist am 21.08.2009 in Kraft getreten und bis zum 21.08.2011 umzusetzen.

Dies ist für uns Grund genug, die letzte Phase dieses Umsetzungszeitraums durch eine Reihe zu begleiten, in der wir auf die maßgeblichen Inhalte des neuen Rechts und dessen Umsetzung in Deutschland näher eingehen. In diesem Zeitraum wird sich auch entscheiden müssen, ob die Vergabevorschriften – wie derzeit im zuständigen Fachreferat des BMWi angedacht – im Rahmen einer eigenen Rechtsverordnung umgesetzt werden oder ob sich die Forderung der Verbände nach Aufrechterhaltung des VOL-/VOB-Systems durchsetzt.

Bleiben Sie dran!

Englische Version

Tags: BDI DGB Europäische Sicherheitspolitik Serie Verteidigungsgüter Verteidigungspaket VOB VOL