10. Oktober 2016
weservertiefung wasserrecht
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Weservertiefung: Neues Urteil des BVerwG

Das BVerwG hat den Planfeststellungsbeschluss zur Vertiefung der Weser mit Urteil vom 11. August 2016 für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vorgelegt, die der EuGH mit Urteil vom 1. Juli 2015 (Az.: C-461/13) beantwortete.

Seit Kurzem liegen die Entscheidungsgründe vor (Az.: 7 A 1.15). In wasserrechtlicher Hinsicht enthält die Urteilsbegründung keine großen Überraschungen. Das BVerwG orientiert sich eng an der Entscheidung des EuGH.

Zwei Aspekte sind dennoch eine genauere Betrachtung wert:

Ausweisung von Ausnahmen im Bewirtschaftungsplan vor der Vorhabenzulassung nicht notwendig

Das BVerwG stellt klar, dass wasserrechtliche Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot nach § 31 Abs. 2 WHG (vgl. Art. 4 Abs. 7 WRRL) nicht bereits vor der Zulassung eines Vorhabens im Bewirtschaftungsplan ausgewiesen sein müssen.

Der Wortlaut des § 83 Abs. 2 Nr. 3 WHG erfordere zwingend erst eine nachträgliche Aufnahme bereits erteilter Ausnahmen. „Ob“ und „wie“ eines Vorhabens stünden bei der Verabschiedung eines Bewirtschaftungsplans regelmäßig noch nicht fest. Ohne Kenntnis der konkreten Umstände sei eine Einbeziehung eines Vorhabens in die Bewirtschaftungsplanung nicht möglich.

Auch aus dem Urteil des EuGH ergebe sich nichts Gegenteiliges. Dieser hatte lediglich festgestellt, dass Art. 4 Abs. 7 WRRL nur „unter der Bedingung (gilt), dass (…) die Bewirtschaftungspläne entsprechend angepasst wurden“ (Rn. 74).

Der deutliche Urteilsspruch wird die Rechtsanwendung erleichtern. Für Diskussionen um die Frage der Zulässigkeit von Ausnahmen, die zum Zeitpunkt der Vorhabenzulassung noch nicht im Bewirtschaftungsplan vorgesehen sind, gibt es künftig keinen Anlass mehr.

Mittelbar stellt das BVerwG in seinem Urteil zur Weservertiefung zudem klar, dass für die Erteilung von Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot die Genehmigungsbehörde – und nicht die für die Bewirtschaftungsplanung verantwortliche Stelle, also im Zweifel die Flussgebietsgemeinschaft – zuständig ist. Damit rückt das BVerwG das Verhältnis von Bewirtschaftungsplanung und Vorhabenzulassung in das rechte Licht.

Um sicherzustellen, dass die Belange der Bewirtschaftungsplanung bei der Erteilung von Ausnahmen ausreichend berücksichtigt werden, wird die Genehmigungsbehörde aber vor Erteilung einer Ausnahme Rücksprache mit der Flussgebietsgemeinschaft halten müssen, zumal diese unionsrechtlich für die Einhaltung der Bewirtschaftungsziele verantwortlich ist.

Von sonstigen Verbesserungsmaßnahmen losgelöste Prüfung des Verbesserungsgebots

Das Gericht liefert in seinem Urteil zur Weservertiefung außerdem eine für die Praxis wertvolle Klarstellung zur Prüfung des Verbesserungsgebots. Ein Verstoß gegen das Verbesserungsgebot liegt nach dem Urteil des BVerwG nicht schon dann vor, wenn ein Vorhaben den in der Bewirtschaftungsplanung vorgesehenen Verbesserungsmaßnahmen zuwiderläuft. Das Verbesserungsgebot entfalte eine Sperrwirkung vielmehr nur, wenn sich absehen lasse, dass ein Vorhaben die Möglichkeit der fristgerechten Zielerreichung ausschließe.

Zur Begründung führt das BVerwG recht knapp aus, dass das Verschlechterungsverbot keinen eigenständigen Gehalt hätte, wenn jede Verschlechterung zugleich einen Verstoß gegen das Verbesserungsverbot darstelle. Mit „jede Verschlechterung“ dürfte in diesem Zusammenhang die Beeinträchtigung vorhabenunabhängiger, in der Bewirtschaftungsplanung vorgesehener Verbesserungsmaßnahmen gemeint sein.

Das Gericht stellt damit klar, dass das Verbesserungsgebot allein auf die Erreichung des Bewirtschaftungsziels abzielt. Die Prüfung des Verbesserungsgebots ist insoweit von den sonstigen in der Bewirtschaftungsplanung, insbesondere Maßnahmenprogrammen, vorgesehenen Verbesserungsmaßnahmen losgelöst. Zu Recht fängt das BVerwG so Bedenken ein, das Verbesserungsgebot könnte zur unüberwindbaren Hürde für künftige Vorhaben werden.

Größere Rechtssicherheit bei wasserrechtlichen Vorhaben

Erstmals wurde höchstrichterlich entschieden, dass Ausnahmen nach § 31 Abs. 2 WHG erst im Rahmen der Vorhabenzulassung geprüft werden müssen und auch noch nachträglich in den Bewirtschaftungsplan aufgenommen werden können. Außerdem steht nun höchstrichterlich fest, dass bei der Prüfung des Verbesserungsgebots auf die Zielerreichung in ihrer Gesamtheit, und nicht die Vorgaben des Maßnahmenprogramms, abzustellen ist. Beides sind wertvolle Klarstellungen für Vorhabenträger und Genehmigungsbehörden, die die Vorhabenzulassung insgesamt erleichtern.

Ungeachtet dessen bleiben Vorhabenträger und Genehmigungsbehörden in Zulassungsverfahren gehalten, die Einhaltung der Bewirtschaftungsziele sorgfältig zu prüfen und nachvollziehbar zu dokumentieren. Angesichts der strengen Rechtsprechung werden die wasserrechtlichen Hausaufgaben der Genehmigungsbehörde – und damit auch der Vorhabenträger – immer größer.

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