3. April 2014
Forschung und Lehre
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Wirtschaftlichkeit vs. Wissenschaftsfreiheit, oder: Der Kampf des Professors gegen die Schließung der Bettenstation

Die grundrechtlich geschützte Freiheit von Forschung und Lehre umfasst laut Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auch das Recht eines Universitätsprofessors, Patienten in einer Universitätsklinik stationär zu behandeln und Studierende am Krankenbett zu lehren. Aber folgt daraus auch ein Recht, sich auch gegen die Schließung der entsprechenden Bettenstation durch die Uniklinik zu wehren? Dies hat nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 19.03.2014 (6 C 8.13) abgelehnt.

Das Urteil beendet vorerst einen bereits acht Jahre dauernden Streit zwischen der Uniklinik Düsseldorf und einem Universitätsprofessor, der zugleich Leiter einer Fachklinik an der Uniklinik ist.

Doppelfunktion von Universitätskliniken: Einvernehmenserfordernis bei Entscheidungen im Bereich Forschung und Lehre

Die organisatorisch häufig von den Universitäten verselbständigten Universitätskliniken haben nach ständiger Rechtsprechung eine Doppelfunktion: Sie sichern einerseits die Krankenversorgung auch für medizinisch anspruchsvolle Fälle, ermöglichen andererseits den betreffenden Medizinprofessoren die Ausübung von Forschung und Lehre. Entscheidungen über die Ausstattung der Fachkliniken, insbesondere über die Errichtung oder Schließung einer Abteilung bzw. der zugehörigen Bettenstation müssen daher nicht nur wirtschaftliche Aspekte, sondern auch die Wissenschaftsfreiheit des jeweiligen Professors als Leiter der Fachabteilung bzw. Fachklinik berücksichtigen. Es bedarf also grundsätzlich einer gesetzlichen Regelung zum Ausgleich des entsprechenden Spannungsverhältnisses. So sind z.B. nach § 31a Abs. 6 Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalen (HG NRW) in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung über die Errichtung des Klinikums Düsseldorf der Universität Düsseldorf Entscheidungen des Universitätsklinikums, die Forschung und Lehre betreffen, im Einvernehmen mit dem Fachbereich Medizin zu treffen.

BVerwG: Zunächst fehlendes Einvernehmen des medizinischen Fachbereichs…

Allerdings hatte das Universitätsklinikum die Entscheidung über die Schließung der Bettenstation zunächst ohne Einvernehmen des medizinischen Fachbereichs gefällt. Der Universitätsprofessor hatte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zunächst – wenn auch erst nach wiederholter Anrufung des BVerfG – Erfolg: Das OVG Nordrhein-Westfalen verpflichtete das Universitätsklinikum im einstweiligen Rechtsschutzverfahren schließlich mit Beschluss vom 10.06.2010 (15 B 2574/06), die Wiederaufnahme der Bettenstation bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu ermöglichen. Das Grundrecht auf freie Forschung und Lehre und das daraus resultierend Teilhaberrecht, also ein Anspruch des Wissenschaftlers auf eine Mindestausstattung, vermittele dem Universitätsprofessor das verfassungsrechtlich begründete Recht, Risikopatienten stationär zu behandeln und entsprechende Forschungsprojekte zu betreuen. Nur dies würde seiner Position als ordentlicher Professor für ein spezielles Fachgebiet der Medizin gerecht. Zudem verletze die Schließung der Bettenstation auch das Recht des Klägers auf verfahrensförmige Gewährleistung individueller Forschungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG, weil das Einvernehmen der medizinischen Fakultät zunächst nicht erteilt und in der Zwischenzeit nicht in einer Weise nachgeholt wurde, die der grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit gerecht werde.

…schadet bei tatsächlicher Nachholung nicht

Das BVerwG hat diesen Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen allerdings nun aufgehoben und dem Universitätsklinikum Düsseldorf im Ergebnis Recht gegeben. Dabei geht das BVerwG auf die Fragen zur Wissenschaftsfreiheit, insbesondere auf das vom OVG Nordrhein-Westfalen hergeleitete Teilhaberecht nicht näher ein. Es stellt vielmehr darauf ab, dass das erforderliche Einvernehmen des Fachbereichs – wenn auch nachträglich – tatsächlich erteilt wurde. Die Uniklinik müsse nicht prüfen, ob das Einvernehmen in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise erteilt wurde. Wenn der Universitätsprofessor das tatsächlich erteilte Einvernehmen für rechtswidrig halte, müsse er sich gegen den Beschluss der medizinischen Fakultät wenden, könne aber keine Aufhebung der durch das Universitätsklinikum zu treffenden Entscheidung über die Schließung der Bettenstation erreichen.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, ob der betroffene Hochschullehrer nun mit einer Leistungsklage versuchen wird, dass das nachträglich erteilte Einvernehmen der medizinischen Fakultät mit der Schließung der Bettenstation rückgängig gemacht wird, oder ob er erneut das BVerfG anrufen wird. Der Fall zeigt jedenfalls einmal mehr, dass die Organisation von Universitätskliniken nicht nur die kliniktypischen, insbesondere wirtschaftlichen und organisatorischen Herausforderungen zu bewältigen hat, sondern sich auch in einem Minenfeld zwischen staatlich zu gewährleistender Krankenversorgung und der verfassungsrechtlich verankerten Wissenschaftsfreiheit bewegt.

Tags: 15 B 2574/06 6 C 8.13 Bundesverwaltungsgericht Forschung und Lehre Medizinprofessor Rechtsprechung Wissenschaftsfreiheit