21. November 2014
Grenzwerte Luftschadstoffe
Real Estate

Luftqualität: Subjektives Klagerecht, aber behördlicher Wertungsspielraum

Umweltverbände und Betroffene können Aufstellung eines Luftqualitätsplans verlangen und überprüfen lassen. Der Wertungsspielraum bleibt Sache der Behörden.

Der EuGH hat nun – wie das BVerwG in seinem Urteil zum Luftreinhalteplan Darmstadt (BVerwG, Urteil vom 05.09.2014 – 7 C 21.12) – entschieden, dass Umweltverbände und Betroffene die Aufstellung eines Luftqualitätsplans verlangen und anhand der vom EuGH konkretisierten Vorgaben überprüfen lassen können. Die Auswahl der konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität ist aber weiterhin Sache der Behörde.

In der Richtlinie 2008/50 werden Grenzwerte für verschiedene Luftschadstoffe, u.a. für Stickstoffdioxid in der Luft festgelegt. Können diese nicht eingehalten werden ist eine Fristverlängerung von fünf Jahren möglich. Zugleich muss ein Luftqualitätsplan aufgestellt und bei der Kommission eingereicht werden, in dem Maßnahmen zur Erreichung der Grenzwerte in dem Verlängerungszeitraum dargelegt werden. Dies ist auch für viele deutsche Ballungsräume geschehen.

Großbritannien verpasste Fristverlängerung

Für Zwecke der Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität wurde das Vereinigte Königreich in 43 Gebiete und Ballungsräume eingeteilt. In 40 dieser Gebiete und Ballungsräume kam es im Jahr 2010 zu einer Überschreitung von einem oder mehreren in der Richtlinie festgelegten Grenzwerte für Stickstoffdioxid. Großbritannien hatte jedoch für 16 Ballungsräume keine Fristverlängerung beantragt. Ein Umweltverband verlangte mit seiner Klage Nachbesserung der tatsächlich vorhandenen Luftqualitätspläne, die für die Einhaltung der Grenzwerte einen Zeitraum von 2015 bis 2025 vorsehen.

Parallele Verpflichtung zum Antrag auf Fristverlängerung und zur Aufstellung von Luftqualitätsplänen

Der EuGH bestätigt mit seinem Urteil vom 19. November 2014 (C-404/13) im Grundsatz die Rechtsauffassung des Umweltverbandes. Bei Nichterreichen der Grenzwerte zum 01.01.2015 müsse zwingend eine Fristverlängerung beantragt werden und ein nach den Vorgaben der Richtlinie ausgearbeiteter Luftqualitätsplan vorgelegt werden – nur den Plan auszuarbeiten, reiche nicht.

Er bestätigt – insoweit schon durch die Urteile „Janecek″ und „Slowakischer Braunbär″ (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 – Rs. C-237/07; Urteil vom 8. März 2011 – Rs. C-240/09) entschieden –, dass sich der betroffene Einzelne oder auch ein Umweltverband auf einen Verstoß berufen kann.

Der EuGH hat nun zudem die Anforderungen an einen Luftqualitätsplan konkretisiert. Er unterscheidet zwischen Maßnahmen, die der Plan umfassen muss, und solchen, die er umfassen kann. Insbesondere müsse der Plan aufzeigen, wie die Einhaltung der Grenzwerte vor Ablauf der neuen Frist (für Stickstoffdioxid ist in der Richtlinie eine Verlängerung um maximal fünf Jahre vorgesehen) erreicht werden kann. Der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte müsse so kurz wie möglich bemessen sein.

Schließlich müsse das vom Einzelnen oder auch einem Umweltverband angerufene Gericht

jede erforderliche Maßnahme, wie eine Anordnung, […] erlassen, damit die Behörde den nach dieser Richtlinie erforderlichen Plan gemäß den in der Richtlinie vorgesehenen Bedingungen erstellt.

Fazit: Kein Anspruch auf bestimmte Luftverbesserungsmaßnahmen

Damit dürfte der EuGH einem Anspruch auf bestimmte Luftverbesserungsmaßnahmen eine Absage erteilt haben. Die Richter haben vielmehr auf den Wertungsspielraum der Behörden bei der Planerstellung verwiesen.

Damit hat der EuGH die Rechtsprechung des BVerwG in Sachen Luftreinhalteplan Darmstadt (BVerwG, Urteil vom 05.09.2014 – 7 C 21/12 – wir berichteten hier und hier) bestätigt. Gleichwohl dürften Klagen wegen unzureichender Luftqualitätsverbesserung Rückenwind durch das EuGH-Urteil erhalten. Es wird sich zeigen, ob sich die nationalen Gerichte an die vom EuGH aufgezeigte Grenze des behördlichen Wertungsspielraums halten oder doch im Einzelfall konkrete Maßnahmen anordnen.

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