5. Februar 2016
Karneval Zweckbetrieb
Steuerrecht

Kölle Alaaf – Sind „De Höhner″ immaterielles Kulturerbe der Menschheit?

Rheinischer Karneval ist Brauchtum! Aber sind Einnahmen einer Karnevalsveranstaltung steuerlich privilegiert? Da muss wohl der Bundesfinanzhof entscheiden.

Die fünfte Jahreszeit hat begonnen. Allen, die dem jecken Treiben am Rhein etwas ratlos gegenüberstehen, sei versichert: Hier wird nicht aus reiner Lust an der Freude gefeiert, hier wird traditionelles Brauchtum gepflegt.

Wie wir darauf kommen?

De Jecken jeje dat Finanzamt

Vor dem Finanzgericht Köln (Urteil vom 20.08.2015, Az: 10 K 3553/13) trafen unlängst ein gemeinnütziger Karnevalsverein und das Finanzamt aufeinander.

Der Karnevalsverein widmete sich satzungsmäßig der Erhaltung und Pflege heimatlichen Brauchtums, insbesondere der Förderung des Karnevals in seinem historischen Sinne. Zur Verfolgung seiner Zwecke führte er karnevalistische und gesellige Veranstaltungen durch.

So auch die „Nacht der Nächte″. Uneinig war man sich nun darüber, ob die Einnahmen aus dieser Veranstaltung als Einnahmen eines Zweckbetriebs (und damit steuerlich privilegiert) oder als Einnahmen aus einer schnöden gewerblichen Veranstaltung (steuerlich nicht privilegiert) anzusehen seien.

Auftritt von Dreigestirn, Prinzengarde und Tanzmariechen

Die „Nacht der Nächte″ fand am Karnevalssamstag in den Räumlichkeiten einer Gesamtschule statt. Die rund 1200 Gäste nahmen ausnahmslos kostümiert teil. Neben karnevalistischem Liedgut (wie die „Mehrzweckblaari″) wurden auf einer Bühne karnevalistische Tanzdarbietungen und Bewegungsanimationen (wie das „Fliegerlied″) geboten.

Es traten unter anderem das Dreigestirn, die Prinzengarde und Tanzmariechen auf. Zwischendurch lief Karnevalsmusik vom Band. Dazu wurde zeitweise in typisch karnevalistischer Art und Weise geschunkelt. Interessierte können den detaillierten Ablauf der Veranstaltung von ihrem Beginn um 19 Uhr mit dem Eröffnungstitel „Jetzt geht’s los!″ von – richtig geraten – „De Höhner″ bis zum Ende um 2 Uhr dem Urteil des Finanzgerichts Köln entnehmen.

Das – offenbar traditionell eingestellte – Finanzamt bemängelte das Fehlen des für eine Karnevalssitzung typischen Charakters. Es hätten wesentliche Elemente wie Bestuhlung, Büttenreden und Elferrat gefehlt. Die „Nacht der Nächte″ diene daher nicht der (im Bereich des Zweckbetriebs anzusiedelnden) Pflege traditionellen Brauchtums. Sie sei vielmehr eine Musik- und Tanzveranstaltung, bei der die allgemeine Unterhaltung der Besucher im Vordergrund stehe – und damit steuerpflichtig.

Dagegen verwahrte sich der Karnevalsverein. Es sei unschädlich, dass einzelne Elemente einer „klassischen″ Karnevalssitzung nicht stattgefunden hätten. Der Karneval sei gerade wegen seiner Verbindung von Tradition und moderner Auslegung sowie wegen seiner vielfältigen Darstellungsformen schützenswert. „Brauchtum″ bedeute nicht nur das Bewahren althergebrachter Traditionen, sondern unterliege einem Wandel und dürfe sich modernen Trends nicht verschließen.

Dies zeige nicht zuletzt auch die im Jahr 2014 erfolgte Aufnahme des Karnevals in eine Liste mit besonders schützenswerten Bräuchen und Künsten der UNESCO.

Der „Rheinische Karneval mit all seinen lokalen Varianten″ ist 2014 tatsächlich in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Deutschen UNESCO-Kommission e.V. aufgenommen worden.

Ist die „Nacht der Nächte″ ein Zweckbetrieb im Sinne des § 65 AO?

Das ähnlich aufgeschlossene Finanzgericht Köln gibt in seiner Entscheidung den Jecken recht: Die „Nacht der Nächte″ sei eine Karnevalsveranstaltung und damit ein steuerlich begünstigter Zweckbetrieb i.S.d. § 65 AO.

Nach § 65 AO ist ein (steuerlich privilegierter) Zweckbetrieb gegeben, wenn

  1. der wirtschaftliche Betrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen,
  2. die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und
  3. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.

Geselligkeit, Musik un Danz sin dem rheinischen Karneval zweckimmanent

Die Veranstaltung habe ausgehend von ihrer Gesamtrichtung dazu gedient, das traditionelle Brauchtum in Form des Karnevals und damit die satzungsmäßigen Zwecke des Karnevalvereins zu fördern (§ 65 Nr. 1 AO). Trotz des Fehlens einzelner Elemente einer typischen Karnevalssitzung sei sie inhaltlich eindeutig karnevalistisch geprägt.

Das Finanzgericht Köln begründet dies damit, dass

auch in der Karnevalswoche stattfindende gesellige Veranstaltungen, die durch Kostümierung der Teilnehmer, musikalische und tänzerische Darbietungen mit typisch karnevalistischem Inhalt und ausgelassenes Feiern geprägt sind, zum Wesen jedenfalls der rheinischen Karnevalstradition und damit zum „traditionellen Brauchtum″ i.S.d. § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO [gehören], welches den Karneval zumindest im Rheinland ausmacht. Anders als in anderen Bereichen des Katalogzwecks der „Förderung des traditionellen Brauchtums″ ist Geselligkeit, Musik und Tanz im Bereich des im Karneval bestehenden traditionellen Brauchtums gerade nicht zweckfremd, sondern vielmehr zweckimmanent. (Hervorhebungen durch die Redaktion)

Wie eingangs erwähnt: Sich zu amüsieren ist jedenfalls im Rheinland kein Selbstzweck. Das Finanzgericht Köln führt weiter aus, dass

als Karneval gemeinhin die Bräuche bezeichnet [werden], mit denen die Zeit vor der sechswöchigen Fastenzeit … ausgelassen gefeiert wird. … Gerade beim Rheinischen Karneval handelt es sich letztlich um ein großes Volksfest, das traditionell von Ausgelassenheit, Musik, Tanz und geselligen Feiern in Kostümierung geprägt ist. Diese Elemente gehören untrennbar zur Kulturgeschichte jedenfalls des rheinischen Karnevals und damit zum regionalen traditionellen karnevalistischen Brauchtum.

Der satzungsmäßige Zweck des Karnevalvereins (Erhaltung und Pflege heimatlichen Brauchtums, insbesondere Förderung des Karnevals in seinem historischen Sinne) könne, so das Finanzgericht Köln weiter, auch nur durch die Durchführung von Karnevalsveranstaltungen verwirklicht werden (§ 65 Nr. 2 AO). Ohne die Durchführung von Karnevalsveranstaltungen wie der „Nacht der Nächte″ sei der steuerbegünstigte Zweck nicht erreichbar. Die „Nacht der Nächte″ diene aus diesem Grund der Zweckerreichung selbst und nicht lediglich der Beschaffung von Mitteln.

Dabei finde ein Wettbewerb mit kommerziellen Anbietern vergleichbarer Veranstaltungen nur in dem Rahmen statt, der bei Erfüllung des satzungsmäßigen Zwecks des Karnevalvereins unvermeidbar erscheine. Veranstaltungen wie die „Nacht der Nächte″ seien für den Karnevalverein ein notwendiges Mittel zum Erreichen der von ihm verfolgten, in der Förderung des Karnevals bestehenden ideellen Zwecke. Daher trete der Wettbewerbsgedanke hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der steuerlichen Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten zurück (§ 65 Nr. 3 AO).

De Karawane zieht weiter

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (!) hat das Finanzgericht Köln die Revision zum Bundesfinanzhof mit Sitz in München zugelassen. Die Frage,

unter welchen Voraussetzungen eine in der Karnevalswoche stattfindende Veranstaltung mit karnevalistischem Inhalt als Zweckbetrieb eines Vereins, dessen satzungsmäßiger Zweck in der Förderung des Karnevals besteht, anzuerkennen ist,

ist dort derzeit unter dem Aktenzeichen V R 53/15 anhängig.

Uns – und vielleicht auch die BFH-Richter – beschäftigt unterdes, ob danach nicht eigentlich auch die Münchner Wiesn als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt werden müsste. Diese Frage ist, nebenbei bemerkt, nicht neu.

Der Deutsche Schaustellerbund e.V. fordert, unterstützt von der Politik, seit Jahren die Anerkennung der deutschen Volksfeste als immaterielles Kulturgut. Schließlich feiern nicht nur die Jecken im Dienste einer höheren Sache. Wir werden weiter berichten.

Bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs zieht die Karawane weiter. Der Sultan hat Durst. Aschermittwoch ist alles vorbei (und auch unser Kölner Büro wieder erreichbar).

Tags: Karneval Zweckbetrieb Zweckbetrieb Karnevalsverein
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Janne Greta Barrelet