20. Februar 2014
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Don’t be a Glasshole – rechtliche Fragen zu Google Glass

„Sei nicht gruselig oder unhöflich“, gibt Google den Testnutzern der Datenbrille Google Glass dieser Tage mit auf den Weg – eine gutgemeinte Empfehlung. Doch welche rechtlichen Bestimmungen regeln die Nutzung der Datenbrille?

Google Glass ist das derzeit wohl berühmteste Wearable, auch wenn es noch gar nicht allgemein erhältlich ist. Bei einem Wearable Computer handelt es sich um ein Computersystem, das während der Nutzung am Körper des Trägers befestigt ist. Die hauptsächliche Tätigkeit des Trägers liegt nicht in der Nutzung des Computers selbst, sondern in einer durch den Computer unterstützten Tätigkeit in der realen Welt.

Technische Möglichkeiten von Google Glass und öffentliche Diskussion

Google Glass enthält sowohl ein eingebautes Mikrofon als auch eine eingebaute Kamera und bietet die Möglichkeit, Audio- und Videoaufnahmen zu erstellen und sowohl in der Datenbrille selbst als auch in der Google-Cloud abzuspeichern. Darüber hinaus wird es unter anderem die Möglichkeit geben, das Internet über Google Glass zu nutzen und die Datenbrille als mobiles Navigationssystem zu verwenden.

Google Glass kann neben Sprachbefehlen auch über Kopfbewegungen und ein Touch-Pad am Brillenbügel gesteuert werden. Ein Display zur Anzeige von Informationen befindet sich über dem rechten Auge. Apps von Drittanbietern (sogenannte „Glassware″) sollen den Funktionsumfang der Datenbrillen erweitern.

Bereits heute gibt es massive gesellschaftliche Vorbehalte gegen Google Glass. Eine Google-Recherche des Begriffs „Glasshole″ – eine Symbiose aus „Google Glass″ und „Asshole″ – lieferte am Tag der Veröffentlichung des eingangs zitierten Hinweises von Google bereits weit über 500.000 Treffer. Es sind bereits Fälle bekannt, in denen Testnutzer der Datenbrille während eines Kinobesuchs wegen des Verdachts verbotener Aufnahmen polizeilich verhört wurden. Erste Spielkasinos haben ihren Besuchern verboten, Datenbrillen zu tragen und in London wurde die Initiative „Stop the Cyborgs″ gegründet, die Google Glass aus Teilen des öffentlichen Raums verbannen möchte.

Auch in der Politik gibt es Vorbehalte gegen Google Glass: Mitglieder des US Congress haben Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes gegenüber Google geäußert. Namentlich ging es um die Frage, wie Google verhindert, dass Personen in der Öffentlichkeit ohne deren Wissen aufgenommen werden können.

Vor diesem Hintergrund überlegt Google, auf eine Funktion zur Gesichtserkennung zu verzichten. Allerdings gibt es bereits Forderungen, Gesichtserkennungsfunktionen zuzulassen, etwa im medizinischen Umfeld, um Verwechslungen von Patienten zu vermeiden.

Trotz dieser Diskussionen konnten sich bereits im vergangenen Jahr 20 Prozent der Deutschen vorstellen, Google Glass zu nutzen.

Dies sollte Anlass genug sein, sich einmal mit den rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung der Datenbrille zu befassen.

Verantwortlichkeit der Nutzer

Die Träger einer Datenbrille und anderer Wearables müssen eine Reihe rechtlicher Vorgaben beachten und dürfen nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht unbeteiligter Dritter eingreifen. Andernfalls drohen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, einschließlich Ansprüchen auf Schmerzensgeld.

Nach §§ 22, 23 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG) dürfen Bildnisse, etwa Fotos oder Filme, grundsätzlich nur mit Einwilligung der abgebildeten Person verbreitet oder veröffentlicht werden. Bereits das Fotografieren und Filmen selbst kann in bestimmten Situationen verboten sein, zum Beispiel aufgrund des Hausrechts oder wenn die abgebildete Person ein überwiegendes Interesse daran hat, in der konkreten Situation nicht fotografiert oder gefilmt zu werden. Unbefugte Aufnahmen von Personen in Wohnungen oder in gegen Einblicke gesondert geschützten Räumen sind überdies nach § 201a Abs. 1 StGB strafbar.

Die heimliche Aufzeichnung von nichtöffentlichen Gesprächen ist nach § 201 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB ebenfalls strafbar, auch wenn die Aufzeichnung anschließend nicht veröffentlicht oder anderweitig genutzt wird.

Die Träger einer Datenbrille müssen allerdings die datenschutzrechtlichen Vorgaben des BDSG nur dann beachten, wenn sie die Datenbrille nicht ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten nutzen. Entscheidend für die Frage, ob eine private Nutzung vorliegt, ist die allgemeine Verkehrsanschauung.

Ist deutsches Datenschutzrecht zu beachten, ist jede Nutzung der Datenbrille zu unterlassen, bei der personenbezogene Daten Dritter erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, etwa Foto- und Videoaufnahmen von Menschen, Nutzung von Gesichtserkennung etc., sofern der Dritte nicht eingewilligt hat oder diese Nutzung im Rahmen einer Interessenabwägung nicht zulässig ist. Dabei ist allerdings zu beachten, dass manche davon ausgehen, der rein private Raum werde bereits dann verlassen, wenn Bilder in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht werden.

Google Glass darf von Autofahrern im Straßenverkehr wohl nicht genutzt werden, auch wenn das deutsche Recht ein ausdrückliches Verbot, Datenbrillen beim Autofahren zu tragen (noch) nicht kennt. Der Führer eines Fahrzeugs ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 StVO generell dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör nicht durch technische Geräte beeinträchtigt werden.

Verantwortlichkeit der Hersteller

Google als Hersteller der Datenbrillen ist in aller Regel nicht für Rechtsverstöße durch die Nutzer der Datenbrillen verantwortlich.

Datenschutzrechtliche Anforderungen können durch Google oder die Entwickler von Glassware jedoch dann zu berücksichtigen sein, wenn personenbezogene Daten im Zusammenhang mit der Nutzung von Google Glass in der Google-Cloud gespeichert werden. Diese Fälle sind rechtlich so zu beurteilen, als ob Träger der Datenbrillen die Cloud Services von Google oder die Anwendungen von Drittanbietern über einen Desktop-PC, ein Smartphone oder einen Tablet-PC nutzen würden.

Die Hersteller (und ggf. die Importeure) von Hard- und Software haften im Rahmen des Produkthaftungsrechts. So können etwa Sicherheitslücken einer App, die von Dritten ausgenutzt werden, unter bestimmten Voraussetzungen einen Konstruktionsfehler der App darstellen, für den der Hersteller haftet.

Darüber hinaus muss der Hersteller seine Produkte beobachten und Sicherheitsmängel gegebenenfalls beheben, etwa durch Sicherheitsupdates. Zudem muss er die Nutzer so instruieren und vor Risiken warnen, dass diese die Datenbrille und die zugehörigen Anwendungen gefahrlos nutzen können. Solche Hinweise enthält etwa die eingangs zitierte Veröffentlichung von Google.

Handlungsbedarf für Unternehmen

Es ist davon auszugehen, dass ein Verbot, Kameras in einem bestimmten Umfeld mit sich zu führen, auch Datenbrillen erfasst. Unternehmen, die mit vertraulichen Informationen arbeiten, sollten zur Vermeidung von Unklarheiten gleichwohl überlegen, ggf. bestehende Verbote ausdrücklich auf Datenbrillen auszuweiten.

Fazit

Jenseits der dargestellten Produktverantwortlichkeit liegt die Hauptverantwortung für eine rechtskonforme Nutzung von Google Glass bei den jeweiligen Nutzern. An ihnen wird es auch liegen, ob Datenbrillen eine breite gesellschaftliche Akzeptanz erfahren.

Seid nicht gruselig oder unhöflich! Don´t be a Glasshole!

Tags: Datenbrille Gesichtserkennung Glasshole Glassware Google Glass Persönlichkeitsrecht wearable Computer wearables