2. Juni 2017
mySAP
IT-Recht Urheberrecht

High Court of Justice zum Umfang von mySAP ERP-Lizenzen

Bei einer indirekten Nutzung von mySAP ERP über eine Drittsoftware mittels SAP PI kann eine gesondert zu lizensierende Handlung vorliegen.

Durch Urteil vom 16. Februar 2017 ([2017] EWHC 189 (TCC), Case No.: HT-2015-000340) hat der High Court of Justice – Technology and Construction Court – entscheiden, dass bei einem Lizenzvertrag über mySAP Enterprise Resource Planning („mySAP ERP″), eine nicht vom Lizenzvertrag umfasste Nutzung von mySAP ERP vorliegen kann, wenn Personen, die keine Named User sind, über eine Drittsoftware mittels SAP PI indirekt auf mySAP ERP zugreifen oder mySAP ERP indirekt nutzen.

Grund dafür sei, dass die Nutzung der Software auf von dem Kunden benannte Nutzer („Named User″) beschränkt sei und die Lizenz daher auch nur für diese Nutzer gelte.

Das Lizenzmodell – Lizenzgebühren richten sich nach der Anzahl der „Named User“

Der Entscheidung liegt ein Rechtsstreit zwischen der SAP UK Limited („SAP″) und der DIAGEO Great Britain Limited („DIAGEO″), einem weltweit tätigen Getränkehersteller, zugrunde. Die Parteien schlossen 2004 einen Softwarelizenzvertrag und einen Wartungsvertrag, die unter anderem mySAP ERP betrafen. Die so lizenzierte mySAP ERP-Software umfasst eine zentralisierte Datenbank und eine Anwendungsschicht, die auf den Servern des Kunden (DIAGEO) laufen.

Nach den Regelungen in dem Softwarelizenzvertrag bemessen sich die Lizenzgebühren unter anderem anhand der Anzahl der vom Kunden benannten Named User. Es gibt verschiedene Named User Kategorien, denen je nach Zugriffs- und Nutzungsumfang unterschiedliche Lizenzgebühren zugeordnet sind.

Die Wartungsgebühr wird durch einen bestimmten Prozentsatz an den Lizenzgebühren ermittelt. Sowohl für die Gebühren aus dem Lizenzvertrag als auch aus dem Wartungsvertrag ist es folglich ausschlaggebend, wie viele Personen von DIAGEO als Named User angegeben werden.

Lizenzvertrag gewährt Nutzung von SAP PI

Weiterhin gewährt der Lizenzvertrag DIAGEO die Nutzung einer sogenannten „Software-engine″, einschließlich SAP Exchange Infrastructure („SAP PI″). Durch die Software-engine SAP PI können andere Systeme mit dem mySAP ERP-System des Kunden kommunizieren. Die Lizenzgebühr für SAP PI entsteht zusätzlich zu der für mySAP ERP und bemisst sich anhand der monatlich verarbeiteten Kommunikationen.

Die für den Rechtsstreit relevante Nutzung von mySAP ERP durch DIAGEO

Um Vertretern und Kunden von DIAGEO eine zeitgemäße Zusammenarbeit zu ermöglichen, hat DIAGEO im Jahr 2011 zwei Software-Produkte entwickelt; „Connect″ und „Gen2″. Über die Software-Plattform Salesforce.com, einem Konkurrenten von SAP, greifen Connect und Gen 2 mittels SAP PI auf in mySAP ERP hinterlegte Daten zu. Zudem nutzen sie diese und senden teilweise auch neue Daten zurück, die wiederum in mySAP ERP hinterlegt werden.

Zwar benutzen die Vertreter und Kunden von DIAGEO bei Verwendung von Connect und Gen 2 nicht direkt mySAP ERP, da sie für ihre Aktionen lediglich Funktionalitäten der Software-Plattform Salesforce.com bedienen. Damit die über die Software-Plattform Salesforce.com vorgenommenen Aktionen der Vertreter und Kunden jedoch bearbeitet und umgesetzt werden können, greifen Connect und Gen2 mittels SAP PI immer wieder auf für die Bearbeitung erforderliche Daten zu. Diese Daten sind nur in mySAP ERP hinterlegt und es werden zudem Daten an mySAP ERP versandt und dort hinterlegt.

Die entscheidende Frage, die das Gericht zu klären hatte, war, ob die Vertreter und Kunden von DIAGEO über Connect und Gen 2 einen vom Lizenzvertrag umfassten  indirekten Zugriff und eine indirekte Nutzung von mySAP ERP vornehmen und somit als zu bezeichnende Named User im Sinne des Lizenzvertrags zu qualifizieren sind. Würde der Zugriff und die Nutzung der Kategorisierung eines Named Users entsprechen, müssten diese als solche von DIAGEO angegeben werden. Allerdings würde dies selbstverständlich auch die Lizenzgebühren entsprechend beeinflussen. In dem Urteil ging es um Lizenznachforderungen in Höhe von ca. £ 55 Mio.

Feststellungen des High Court of Justice – nur Named User dürfen auf mySAP ERP Zugriff nehmen

Der High Court of Justice stellt zunächst fest, dass aufgrund der Regelungen im Lizenzvertrag nur diejenigen auf mySAP ERP Zugriff nehmen und die Software nutzen dürfen, die als Named User eingetragen sind. Der Umfang der vertraglich erlaubten Lizenznutzung hängt demnach grundsätzlich von den durch DIAGEO bezeichneten Named Usern ab.

Daran anknüpfend kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass durch die Lizenz für SAP PI keine alternative Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeit für mySAP ERP neben derjenigen durch die Bezeichnung von Named Usern geschaffen wird. Der Lizenzvertrag gestatte einen Zugriff auf mySAP ERP oder eine Nutzung von mySAP ERP mittel SAP PI daher nur Named Usern.

Für diese Bewertung spreche bereits, dass die Lizenzgebühr für SAP PI zusätzlich zu der Lizenzgebühr für mySAP ERP anfalle und damit keine alternative Nutzungsmöglichkeit darstellen könne. Daneben enthält der Lizenzvertrag keine ausdrückliche Ausnahme von der Bezeichnungspflicht von Named Usern soweit auf mySAP ERP mittels SAP PI zugegriffen werde. Soweit daher mittels SAP PI ein Zugriff oder eine Nutzung im Sinne des Lizenzvertrags auf mySAP ERP stattfinde, müsse dies durch eine Eintragung als Named User gerechtfertigt sein.

High Court of Justice definiert den Zugriff und die Nutzung der Software

Da in dem Lizenzvertrag allerdings nicht bestimmt ist, was einen Zugriff oder eine Nutzung darstellt, legt das Gericht die Begriffe selbst aus. Zugriff sei der Erhalt von Sichtbarkeit oder Verbindung. Nutzung sei hingegen die Anwendung oder die Bearbeitung der Software. Nach Ansicht des Gerichts erfüllt das Zugreifen auf in mySAP ERP hinterlegte Daten und die Übersendung von Daten mittels SAP PI bei Verwendung der neuen Software Connect und Gen2 durch Zulieferer und Kunden diese Kriterien.

Mittels SAP PI werde indirekt Zugriff genommen und es finde eine indirekte Nutzung statt. Dass die Aktionen der Zulieferer und Kunden und der Zugriff auf mySAP ERP und die Nutzung von mySAP ERP teilweise asynchron erfolgen, ist für das Gericht irrelevant. Die Zulieferer und Kunden seien folglich als Named User zu bezeichnen.

Auf das Argument von DIAGEO, dass als Konsequenz einer Qualifizierung von Vertretern und Kunden als Named User, die mittels einer Drittsoftware auf mySAP ERP zugreifen, fast das gesamte Unternehmen eingetragen werden muss, geht das Gericht nicht ein. Das Argument ist jedoch ohnehin nicht überzeugend. Würde das Dazwischensetzen einer Drittsoftware genügen, um die Qualifikation als Named User zu beseitigen, könnte ganz leicht erreicht werden, dass niemand mehr als Named User zu benennen wäre.

Bedeutung des Urteils für deutsche Unternehmen

Deutsche Unternehmen, die ebenfalls mySAP ERP Lizenzen beziehen, sollten gegebenenfalls die konkreten Zugriffs- und Nutzungsstrukturen im Zusammenhang mit mySAP ERP überprüfen. Ob wirklich Handlungsbedarf besteht, hängt zunächst jedoch von dem jeweiligen Lizenzvertrag mit SAP ab. Nur wenn dieser ebenfalls an Named User anknüpft und zudem Strukturen bestehen, bei denen über Drittsoftware auf mySAP ERP zugegriffen wird, sollten tatsächlich interne Prüfungshandlungen in Betracht gezogen werden.

Ohnehin ist es fraglich, ob das Urteil auch in Deutschland derart ausgefallen wäre. Im Gegensatz zum britischen Recht kennt das deutsche Recht das Institut der AGB-Kontrolle. Insofern könnte insbesondere fraglich sein, ob der Lizenzvertrag im Hinblick auf eine Nutzung von SAP PI und eine entsprechende Bezeichnung von Named Usern nicht unklar formuliert war und dementsprechend zu Lasten des AGB-Verwenders geht. Da im Rechtsstreit zwischen SAP und DIAGEO nur Ausschnitte der relevanten Verträge vorliegen, ist eine abschließende rechtliche Bewertung nicht möglich.

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