18. Januar 2011
Vergaberecht

Zuschlag zur vereinbarten Zeit

Zum kleinen Einmaleins im Jurastudium gehört der Grundsatz, dass ein Vertrag durch die Annahme eines Angebots zustande kommt. Dies gilt auch im Vergabeverfahren, in dem die Annahme des Angebots durch den Zuschlag erfolgt. Dies gilt allerdings nur, wenn Angebot und Zuschlag sich decken. In diesem Spannungsfeld ergeben sich immer wieder Rechtsfragen, mit denen sich der BGH aktuell mehrfach in Fällen zu befassen hatte, in denen der Bauherr das Bauunternehmen trotz Verschiebung der Bauzeiten am Preis festhalten wollte. Dem hat der BGH in seinen Urteilen vom 25.11.2010 (VII ZR 201/08) und 22.10.2010 (VII ZR 213/08)  unter Rückgriff auf den Grundsatz der vergaberechtskonformen Auslegung Einhalt geboten.

Relevant wurde dies in der durchaus öfter anzutreffenden Konstellation, dass sich bereits im oder zum Ende des Vergabeverfahrens abzeichnet, dass die Bauzeiten, die dem Angebot des Bieters zugrundeliegen, nicht mehr einzuhalten sind, z. B. weil die erforderlichen Genehmigungen für das Vorhaben noch nicht vorliegen. Bauzeiten sind wesentliche kalkulationsrelevante Bestandteile des Angebots und haben unmittelbare Auswirkungen aus den Angebotspreis. Der Auftragnehmer hat daher in der Regel ein erhebliches Interesse, die mit Bauzeitverzögerungen verbundenen Mehrkosten über einen Nachtrag geltend zu machen (§ 2 Abs. 5 VOB/B). Es fragt sich daher, ob in den Fällen, in denen die Bauzeitverzögerung bei Zuschlag bereits bekannt ist, die ursprünglichen Bauzeiten aus dem Angebot des Bieters oder die neuen Bauzeiten, die bereits im Vergabeverfahren erkennbar sind, zugrunde zu legen sind.

In seinem Urteil vom 25.11.2010 gibt der BGH dem Bieter recht: Im Zweifel erfolgt der Zuschlag zu den ausgeschriebenen Fristen und Terminen. Im konkreten Fall hatte der öffentliche Auftraggeber in seinem Zuschlagsschreiben zwar darauf hingewiesen, dass die Ausführungszeiten noch festgelegt werden. Darin hat der BGH allerdings keine Abänderung des Angebots, sondern einen Hinweis auf die (nach Vertragsschluss) erforderliche Anpassung des Vertrags nach § 2 Nr. 5 VOB/B a.F. (nunmehr § 2 Abs. 5 VOB/B) gesehen. Er begründet diese Auslegung des Zuschlagsschreibens damit, dass dem Auftraggeber eine solche Abänderung des Angebots wegen des strikten Verhandlungsverbots des § 24 Nr. 3 VOB/A a.F. (nunmehr § 15 Abs. 3 VOB/A) nicht erlaubt war, zumal er dem Bieter, der aufgrund der ursprünglichen Bauzeiten kalkuliert hatte, damit unter Verstoß gegen § 9 Nr. 2 VOB/A a.F. (nunmehr § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A) ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet hätte.

In seinem Urteil vom 22.10.2010 war der BGH sogar noch weiter gegangen: Der Auftraggeber hatte in seinem Zuschlagsschreiben ausdrücklich den neuen Baubeginn mit Datum angeführt. Auch hier kam der BGH zu dem Ergebnis, dass die ursprünglichen Bauzeiten, die dem Angebot des Bieters zugrunde lagen, vereinbart wurden.

Ob auch so entschieden worden wäre, wenn sich der Bieter in der Auftragsbestätigung nicht den ihm grundsätzlich zustehenden Anspruch auf Anpassung der Leistungszeit und der Vergütung ausdrücklich vorbehalten hätte, erscheint durchaus fraglich. Anders wäre der Fall wohl zu sehen, wenn der öffentliche Auftraggeber – entgegen der vom BGH in den entschiedenen Fällen angenommenen Auslegung des Zuschlagsschreibens – ausdrücklich und unmissverständlich den Willen erklärt hätte, den Zuschlag nur unter Abänderung der Bauzeiten bei gleichem Angebotspreis zu erteilen. Nach dem BGH wäre darin ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot zu sehen. Dieses Verbot dient auch dem Schutz der Bieter vor einer Ausnutzung der Zuschlagssituation durch den öffentlichen Auftraggeber.

Es fragt sich allerdings, ob der Bieter sich hierauf noch berufen kann, wenn er dieser Änderung der Vertragsbedingungen rüge- und vorbehaltslos zustimmt und damit erst einmal ein – vergaberechtswidriger – Vertrag zustande kommt.

Es ist daher Vorsicht geboten, wenn man als Bieter in eine solche Situation gerät.

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