11. Oktober 2016
Allgemeinverbindlicherklärung
Arbeitsrecht

Allgemeinverbindlicherklärungen des Sozialkassentarifvertrages Bau unwirksam – Teil 1

BAG: Allgemeinverbindlicherklärungen des Sozialkassentarifvertrages Bau unwirksam – entfällt damit die SOKA-Pflicht? Teil 1: das Urteil in der Analyse.

Mit Entscheidungen vom 21. September 2016 (10 ABR 48/15) hat das BAG die Allgemeinverbindlicherklärungen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren (VTV) vom 15. Mai 2008, vom 25. Juni 2010 und vom 17. März 2014 für unwirksam erklärt.

BAG: Allgemeinverbindlichkeit war nicht wirksam

Der wichtigste Baustein der Argumentation des BAG lässt sich bereits aus der Pressemitteilung entnehmen: Das BAG hat – anders als noch das LAG Berlin-Brandenburg – entschieden, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Allgemeinverbindlicherklärung nicht mindestens 50% der Arbeitnehmer im Geltungsbereich des VTV von tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt wurden. Deshalb war nach der damals gültigen und maßgeblichen Gesetzesfassung die Allgemeinverbindlicherklärung unwirksam (§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TVG a.F.).

Das BAG kommt zu diesem Ergebnis, weil es – anders als die Vorinstanz – bei der Betrachtung auch Arbeitnehmer berücksichtigt, die von der Vorinstanz aufgrund von Einschränkungen des Geltungsbereichs der Allgemeinverbindlicherklärung (z.B. für die kunststoffver- und bearbeitende Industrie) nicht erfasst worden waren.

Im Falle der Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15. Mai 2008 und vom 25. Juni 2010 bemängelte das BAG außerdem einen formellen Fehler: Der damals zuständige Minister hätte selbst über die Allgemeinverbindlichkeit entscheiden müssen und hätte dies nicht Beamten seines Ministeriums überlassen dürfen.

Urteil gilt nicht für SOKA-Beiträge aus anderen Rechtsgründen

Das BAG hat festgestellt, dass Arbeitgeber nicht kraft der vorgenannten Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15. Mai 2008, vom 25. Juni 2010 und vom 17. März 2014 zur Zahlung von SOKA-Beiträgen verpflichtet sind, weil diese unwirksam sind.

Diese Feststellung gilt für und gegen jedermann. Sie ist für alle laufenden und zukünftigen Rechtsstreitigkeiten mit der SOKA-Bau oder auch dritten Parteien, in denen es auf die Geltung des VTV kraft dieser Allgemeinverbindlicherklärungen ankommt, verbindlich. Keine Berücksichtigung findet die Entscheidung dagegen in bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren – selbst wenn sich das dort jeweils gefundene Ergebnis nun, nach den Entscheidungen des BAG, als falsch herausstellen sollte.

Die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen zur SOKA aus anderen Rechtsgründen – z.B. wegen Tarifbindung des Arbeitgebers oder wegen einer wirksamen Allgemeinverbindlicherklärung zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt – werden durch das Urteil nicht berührt.

Wichtige Entscheidung für Unternehmen, die nach dem 15. Mai 2008 Tätigkeit aufgenommen haben

Für viele Bauunternehmen wird das Urteil weniger revolutionäre Folgen bringen, als zunächst zu vermuten wäre.

Zwar wurde die Beitragspflicht zur Sozialkasse des Baugewerbes aufgrund der für unwirksam erklärten vorgenannte Allgemeinverbindlicherklärung verneint. Damit entfällt die Beitragspflicht aber nicht automatisch vollständig. Vielmehr wird die Beitragspflicht zur Sozial-kasse des Baugewerbes in vielen Fällen auch ohne Tarifbindung des Arbeitgebers gleichwohl bestehen bleiben – jedenfalls dann, wenn die Bauunternehmen bereits zuvor (d.h. unter der Geltung der vorangegangenen Allgemeinverbindlicherklärungen) als Bauunternehmen aktiv waren.

Einen wesentlichen Unterschied macht die Entscheidung aber für Unternehmen, die ihre Tätigkeit erst nach dem 15. Mai 2008 aufgenommen haben, bzw. für ausländische Unternehmen, die seit dem 15. Mai 2008 (wieder) in Deutschland Bauleistungen erbracht haben. Eine Rückforderung von SOKA-Beiträgen kann für diese sehr interessant sein. Gleiches gilt für Generalunternehmer und Auftraggeber, die für Beitragsrückstände ihrer Vertragspartner für die Zeit nach dem 15.Mai 2008 in Anspruch genommen werden. Die Geltendmachung der Rückforderungsansprüche sollte genau analysiert werden.

Das Thema „Allgemeinverbindlichkeit und SOKA-Pflicht″ / „Geltendmachung von Rückforderungs-ansprüchen″ sollte in jedem Fall allerspätestens Anfang Dezember 2016 aufgegriffen werden, damit rechtzeitig Maßnahmen zur Verjährungsunterbrechung etwaiger Rückforderungsansprüche ergriffen werden können.

In Teil 2 zur SOKA-Entscheidung beantworten wir Ihnen morgen folgende Fragen:

  • Müssen damit ab heute keine SOKA-Beiträge mehr gezahlt werden?
  • Können SOKA-Beiträge für die Vergangenheit zurückgefordert werden?
  • Hat die Entscheidung des BAG auch Auswirkungen auf die anderen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Baugewerbes (z.B. BRTV Bau)?
  • Was sind die To-dos?
Tags: Allgemeinverbindlicherklärung SOKA