1. Februar 2025
Zugang Intranet Gewerkschaft
Arbeitsrecht

BAG: Kein digitales Zugangsrecht von Gewerkschaften 

Arbeitgeber müssen Gewerkschaften betriebsinterne Portale und Kommunikationswege nicht zur Verfügung stellen.

Gewerkschaften sind zur koalitionsgemäßen Betätigung, d.h. der aktiven Ausübung ihrer gewerkschaftlichen Rechte, auf den Kontakt zu den Mitarbeitenden in den Betrieben angewiesen. Mit wachsender Digitalisierung des Arbeitslebens und insbesondere vermehrter Tätigkeit außerhalb der Betriebe durch mobiles Arbeiten verändern sich die Wege der potenziellen Kontaktaufnahme. Schon lange ist das schwarze Brett in der Werkshalle nicht mehr der geeignete Kommunikationsweg. Die Gewerkschaften versuchen entsprechend, die Arbeitnehmerschaft über die digitalen Kommunikationswege des Arbeitgebers zu erreichen. 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jedoch in dem am 28. Januar 2025 (1 AZR 33/24) entschiedenen Fall dem Wunsch der Gewerkschaft nach Zugang zu den Mitarbeitenden über die betriebsinternen digitalen Kommunikationswege eine Absage erteilt. Es schließt sich damit den Vorinstanzen an. Weder aus der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG noch aus sonstigen Rechtsgründen ergibt sich ein Anspruch der Gewerkschaften einen Link auf die Website der Gewerkschaft im arbeitgeberseitigen Intranet, noch darauf, die betrieblichen E-Mail-Adressen der Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt zu bekommen. Auch bestehe kein Anspruch, über die betriebsinternen Kommunikationswege mit der Belegschaft zu kommunizieren.

Streit um Zugang zu Intranet und E‑Mail-Adressen 

Die Gewerkschaft IGBCE begehrt mit ihrer Klage einen entsprechenden Zugang in einem Betrieb eines Sportartikelherstellers, bei dem ca. 5.400 Arbeitnehmer in zwanzig Stores und Outlets beschäftigt sind. Ein Großteil der betriebsinternen Kommunikation erfolgt neben der Verwendung individueller E‑Mail-Adressen und dem Intranet der Beklagten auch über ein betriebsinternes Kommunikationstool („Yammer“). Seit Mai 2020 verlangt die Gewerkschaft Zugang zu diesen digitalen Kommunikationswegen, um mit den Arbeitnehmern in Kontakt treten zu können. Geltend gemacht hat sie die Herausgabe aller aktuellen und künftigen Dienst-E‑Mail-Adressen, bzw. die Einrichtung einer eigenen E‑Mail-Adresse. Zudem beanspruchte die Gewerkschaft Zugang und Nutzung der Plattform Yammer sowie eine Verlinkung der eigenen Website auf der Intranetseite des Arbeitgebers. 

Bestehende rechtliche Grundlagen des gewerkschaftlichen Zugangs 

§ 2 Abs. 2 BetrVG regelt den (analogen) Betriebszugang von Gewerkschaften und deren Vertretern. Der Zugang wird jedoch nicht grenzenlos gewährt. Vielmehr ist er beschränkt auf Fälle der Wahrnehmung der im BetrVG genannten Aufgaben und Befugnisse. Weiter bedarf es der Unterrichtung des Arbeitgebers und es dürfen keine Zugangshinderungsgründe entgegenstehen (z.B. Sicherheitsunteressen, Schutz von Betriebsgeheimnissen).  

Für Aufgaben außerhalb der Betriebsverfassung – also insbesondere bei der tarifpolitischen Betätigung – greift diese Rechtsgrundlage nicht. Mangels planwidriger Regelungslücke scheidet auch an eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 BetrVG aus. 

Allerdings leitet das BAG zugunsten der Gewerkschaften ein Zugangsrecht auch aus dem Schutz der koalitionsmäßigen Betätigung der Gewerkschaften gemäß Art. 9 Abs. 3 GG ab (u.a. BAG, Urteil v. 28. Februar 2006 – 1 AZR 460/04). Danach ist die Werbung von Mitgliedern Teil der grundrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit. Hierzu gehört insbesondere auch die Möglichkeit, unmittelbar im Betrieb um Mitglieder zu werben. Hintergrund ist, dass die Gewerkschaft erst dadurch die koalitionsspezifischen Aufgaben effektiv wahrnehmen kann. Entsprechend hat das BAG das Recht der Gewerkschaften anerkannt, an bekannte dienstliche E‑Mail-Adressen Werbung zu versenden und dadurch die durch die Arbeitgeber geschaffene Infrastruktur zu nutzen (BAG, Urteil vom 20. Janaur 2009 – 1 AZR 515/08).

Kein Anspruch auf digitalen Zugang

Einem Herausgabeanspruch der Gewerkschaft und der Nutzung der digitalen Kommunikationswege des Arbeitgebers hat das BAG allerdings nun eine Absage erteilt. Zwar sei die gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit verfassungsrechtlich geschützt. Allerdings seien bei der Ausgestaltung auch die konkurrierenden Grundrechte des Arbeitgebers (insbesondere das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 und Art. 12 Abs. 1 GG) sowie die allgemeine Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) gegeneinander abzuwägen. Diese sind in einen Ausgleich zu bringen, so dass sie weitestgehend Wirksamkeit entfalten können. Nach Auffassung des Gerichts sind die geltend gemachten Ansprüche hiermit nicht in Einklang zu bringen. Die Belastung der grundrechtlichen Position des Arbeitgebers sei erheblich und begründe ein überwiegendes Schutzbedürfnis gegen eine solche Inanspruchnahme. Auch ohne einen Anspruch auf Herausgabe der E-Mail-Adressen bzw. Nutzung des arbeitgeberseitigen Intranets habe die Gewerkschaft weiterhin die Möglichkeit, das E‑Mail-System des Unternehmens zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen zu nutzen. Denn die Gewerkschaft könne die Arbeitnehmer vor Ort nach ihrer betrieblichen E‑Mail-Adresse befragen. Hierdurch sei – so der Senat – der schonendste Ausgleich der verfassungsrechtlich geschützten Rechtgüter erreicht.

BAG zieht klare Grenze

Das BAG hat eine ausgewogene Abwägung der Interessen vorgenommen und die verfassungsrechtlich geschützten Rechte der Koalitionen und der Arbeitgeber im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich gebracht. Dass Gewerkschaften in den Betrieben aktiv sein sollen und hierbei verfassungsrechtlich geschützt sind, steht außer Frage. Der Gesetzgeber hat ihnen daher bereits umfassende Rechte im Betrieb eingeräumt – etwa ein Initiativrecht zur Bildung eines Betriebsrats, das Antragsrecht zur Bestellung des Wahlvorstands, weitreichende Informationsrechte, die Möglichkeit eine Betriebsversammlung bei Untätigkeit des Betriebsrats zu erzwingen, Antragsrechte bei Verstößen gegen die Betriebsverfassung und viele mehr. Das Gericht zieht jedoch eine klare Grenze. Denn auch die legitimen Interessen des Arbeitgebers an seinem ausgeübten Gewerbebetrieb sind geschützt. Ein Anspruch auf Herausgabe der E-Mail-Adressen, der Nutzung des betrieblichen Intranets und der Aufnahme des Gewerkschaftslinks würden eine unangemessene Beeinträchtigung darstellen. Der Arbeitgeber muss also nicht zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um der Gewerkschaft den Zugriff auf die Mitarbeitenden zu erleichtern. 

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