31. Oktober 2024
Textform Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
Arbeitsrecht

BEG IV: Die Schriftform geht, die Textform für Arbeitnehmerüberlassungsverträge kommt!

Die Entbürokratisierung durch das BEG IV kommt in der Zeitarbeit an. Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bedarf zukünftig nur noch der Textform. 

Der Weg war steinig, der politische Prozess dürfte als eher zäh zu bezeichnen sein, wenn man über das „Vierte Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“, das sog. BEG IV, nachdenkt. 

Seitdem die Bundesregierung auf deren Kabinettsklausur in Meseberg im August 2023 beschlossen hat, den Bürokratieaufwand insbesondere für Unternehmen zu verringern, ist inzwischen über ein Jahr vergangen – doch der Weg ist das Ziel.

Und für die Zeitarbeitsbranche hat sich das Warten durchaus gelohnt. § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG, der seit 1972 nicht „angepackt“ worden ist, wird inhaltlich geändert – nach über 50 Jahren. Nachdem der Bundestag in zweiter und dritter Lesung am 26. September 2024 zugestimmt hat, passierte das Gesetz am 18. Oktober 2024 den Bundesrat. Zukünftig lautet die Vorschrift wie folgt (Art. 55 BEG IV):

Der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher bedarf der Textform.

Bislang erforderte der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag grundsätzlich eine Originalunterschrift beider Parteien, also „wet ink“ 

Gerade bei kurzfristigen Personalabfragen stellte das Formerfordernis (Schriftform gem. § 126 BGB) eine Herausforderung für die Praxis dar. Es wurden Boten geschickt, um vor dem Einsatzbeginn noch rechtzeitig die Unterschrift des Kunden unter den Vertrag zu bekommen – viel Zeit und Aufwand. Wichtig ist dabei: die bloße Unterzeichnung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages durch beide Parteien ist nicht ausreichend. Die jeweilige Willenserklärung der einen Partei (Angebot bzw. Annahme) muss der jeweils anderen Partei auch zugegangen sein, d.h. diese muss so in deren Herrschaftsbereich gelangt sein, dass sie zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem Inhalt hatte. 

Zwar kann die Originalunterschrift durch eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 126a BGB) ersetzt werden; über dieses Vorgehen kann zumindest der Faktor „Zeit“ in den Griff bekommen werden. Arbeitnehmerüberlassungsverträge können mit der qualifizierten elektronischen Signatur recht spontan geschlossen werden. Indes: eine flächendeckende Verbreitung hat dieses Vehikel nicht erfahren. (Vorgeblich) zu kompliziert, zu teuer – oftmals war die IT-Infrastruktur des Kunden auf einen solchen Prozess schlicht nicht ausgelegt. 

Darüber hinaus wurden in der Praxis Vertragsmodelle entwickelt, die einen kurzfristigen Personalbedarf abbilden konnten, nämlich sog. Vollmachtmodelle (der Personaldienstleister zeichnet den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag für sich und in Vollmacht für den Kunden als sog. Insichgeschäft) oder ein Rahmenvertrag mit einem Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Kunden. Beide Vertragsstrukturen haben sich bewährt, zumindest wenn diese „vernünftig“ aufgesetzt worden sind. Auch die Prüfbehörden akzeptieren selbige, jedoch hatten diese auch ihre (rechtlichen und vertrieblichen) Tücken. 

Zukünftige Rechtslage: Die Textform kommt und gilt für den Abschluss, aber auch für die Anpassung eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages

Künftig sollen laut Gesetzesbegründung für entsprechende Vertragsschlüsse durch die Mindestanforderung „Textform″ der Aufwand und die Kosten für den Personaldienstleister und den Kunden weiter reduziert werden können. Mit der Änderung können Überlassungsverträge zukünftig z.B. per E-Mail abgeschlossen werden. Dies stellt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen eine deutliche Erleichterung dar. Das Arbeitsvertragsverhältnis des Zeitarbeitnehmers ist von der Änderung nicht berührt (BT-Drucksache 20/13015, S. 124).

Damit kommt der Gesetzgeber – so heißt es in der Gesetzesbegründung weiter – Wünschen der Praxis nach. Unangemessene negative Folgen, insbesondere für den Schutz der Kunden, sind durch den Wegfall des Schriftformerfordernisses und dessen Warn- und Beweisfunktion nicht zu erwarten. § 126b BGB bestimmt, dass – wenn die Textform durch Gesetz vorgeschrieben ist – eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden muss. Dadurch, dass der Inhalt des Überlassungsvertrags bei der Abfassung in Textform dauerhaft in Schriftzeichen wiedergegeben werden kann, wird dem Schutzbedürfnis der Kunden vor unseriösen Personaldienstleistern sowie dem Arbeitsschutz ausreichend Rechnung getragen. Darüber hinaus soll der Übergang von der Schrift- zur Textform für den Überlassungsvertrag erhebliche Entlastungseffekte für die Wirtschaft von rund EUR 30 Millionen jährlich realisieren (BT-Drucksache 20/13015, S. 124).

Aber was heißt „Textform“ konkret? Gemeint ist dabei § 126b BGB, der – etwas kryptisch – wie folgt lautet:

Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. 

Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.

Übersetzt bedeutet dies Folgendes (nachfolgend zitiert nach: Jauernig/Mansel, § 126b BGB Rn. 2):

Die Erklärung muss lesbar sein; eine mündliche Erklärung, z.B. auf einem Anrufbeantworter, ist mangels Lesbarkeit ungenügend. Seit dem 13. Juni 2014 besteht ein ausdrückliches gesetzliches Erfordernis der Speicherung auf einem dauerhaften Datenträger. Der Begriff wird in § 126 b S. 2 BGB legaldefiniert. Datenträger können dabei insbesondere sein: Papier, elektronische Speichermedien wie CD-ROM, (externe) Festplatte, USB-Stick, Computerfax, E-Mail, SMS, Speicherkarten oder ein Fax. Die Person des Erklärenden muss bezeichnet (durch den Namen oder eine andere individualisierte Bezeichnung, wie Spitzname oder Funktionsbezeichnung, z.B. „Entleiher“) und der Abschluss der Erklärung erkennbar gemacht werden. Kein erforderlicher Abschluss liegt vor, wenn die Erklärung in Form einer Datei als Anhang einer E-Mail versendet wird, aber die Erklärung selbst keinen Abschluss hat.

Aber Obacht: Es ist darauf hinzuweisen, dass sich nur die Form für den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ändern wird. Sonst bleibt alles beim Alten. Dies bedeutet, dass die jeweiligen Erklärungen der an dem Vertragsschluss beteiligten Parteien der jeweils anderen Partei zugehen müssen und der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vor dem Einsatzbeginn formal abgeschlossen sein muss.

Grundsätzlich stehen in diesem Zusammenhang die modernen Kommunikationsformen bereit, um zukünftig formgerecht – ohne „wet ink“ – den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abzuschließen. Doch bei aller Freude sollten folgende Aspekte beachtet werden, bevor nunmehr munter Arbeitnehmerüberlassungsverträge per Textform vorbereitet werden:

  • Es sollte klargestellt und festgelegt werden, wer zukünftig berechtigt sein soll, für das Zeitarbeitsunternehmen bei dem Abschluss eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages aufzutreten und entsprechende Erklärungen abzugeben bzw. zu empfangen. 
  • Es sollte ein Prozess festgelegt werden, den es bei dem Abschluss eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages einzuhalten gilt. 
  • Es sollten die laufenden (Rahmen-)Arbeitnehmerüberlassungsverträge geprüft und ggf. angepasst werden. Sollte dort – wie in der Praxis bisher üblich – ein strenges Schriftformerfordernis vorgesehen worden sein, wird dieses durch die gesetzliche Änderung nicht automatisch auf die Textform reduziert. 

Änderung der Schrift- in die Textform wird mit Wirkung zum 1. Januar 2025 erfolgen (Art. 74 Abs. 1 BEG IV)

Bis Anfang Januar 2025 gilt weiterhin uneingeschränkt die strenge Schriftform beim Abschluss und bei der Änderung eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages – dies ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 BEG IV. Diese sollte bis zu dem o.g. Zeitpunkt streng beachtet werden. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass der Kontroll- und Verfolgungsdruck durch die Behörden mit Blick auf die Wahrung der Schriftform nachlassen wird. Dies ist aber eher eine Vermutung – insoweit sollte das Zeitarbeitsunternehmen keine rechtliche Flanke eröffnen und sich angreifbar machen.

Bei aller Freude über diesen Erfolg verbleibt ein fader Beigeschmack, wenn man sich die weiteren Änderungen des BEG IV ansieht, die eine Relevanz für Zeitarbeitsunternehmen haben. Dabei sind insbesondere die komplett verzogenen Änderungen für den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen nach dem NachwG zu nennen. Der Gesetzgeber hat hier einen bunten und unübersichtlichen Flickenteppich geschaffen, bei dem man sich die Frage stellen muss, ob damit überhaupt noch eine Entlastung der Unternehmen verbunden ist oder ob damit – aus rein ideologischen Gründen – nicht erst ein weiterer Aufwand geschaffen wird. Hier gilt es dringend nachzuarbeiten bzw. -schärfen, damit aus der „bunten Mischung“ von Formerfordernissen eine textförmliche Einheit geschaffen wird, mit der in der Praxis, insbesondere in der Zeitarbeit, leicht gearbeitet werden kann. 

Dieses Szenario mag noch Wunschdenken sein, jedoch ist nach dem BEG IV vor dem BEG V – möglicherweise werden die Karten mit einer anderen Farblehre in Berlin nach der nächsten Bundestagswahl neu gemischt.

Tags: Arbeitnehmerüberlassungsvertrag Arbeitsrecht AÜG Textform