15. Februar 2019
Sitzgarantie Gewerkschaft
Arbeitsrecht

Beteiligungsvereinbarung muss keine Sitzgarantie für Gewerkschaftsvertreter enthalten

SE-Gründung durch Umwandlung - eine Beteiligungsvereinbarung, die keine Sitzgarantie für Gewerkschaftsvertreter enthält, verstößt nicht gegen § 21 Abs. 6 SEBG.

Besonderheit der SE ist der Vorrang einer einvernehmlichen Lösung über die Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung zwischen Firmenleitung und Arbeitnehmervertretern.

Das LAG Baden-Württemberg (Beschluss v. 9. Oktober 2018 – 19 TaBV 1/18) stärkt im Zusammenhang mit der Umwandlung einer deutschen AG in eine SE die Regelungsautonomie der Betriebsparteien bei Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung.

Gewerkschaften sahen Sitzgarantie im Aufsichtsrat in Gefahr

Im Jahr 2014 schlossen Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertreter eine Beteiligungsvereinbarung i. S. v. § 21 SEBG wonach für die SE zunächst ein 18-köpfiger, paritätisch besetzter Aufsichtsrat unter Aufrechterhaltung der zuvor bestehenden Sitzgarantie für Gewerkschaftsvertreter nach dem MitbestG von 1976 errichtet wurde.

Die Vereinbarung sieht jedoch auch vor, dass der Aufsichtsrat per Satzungsänderung auf 12 paritätisch zu besetzende Sitze verkleinert werden kann; in diesem Fall entfällt gleichzeitig die Sitzgarantie der Gewerkschaftsvertreter. Zwei Gewerkschaften beantragten daraufhin unter anderem die Feststellung, dass die Beteiligungsvereinbarung wegen fehlender Berücksichtigung ihrer Sitzgarantie unwirksam sei. Außerdem stellten die Gewerkschaften einen Unterlassungsantrag gegen eine Verkleinerung des Aufsichtsrats durch Satzungsbeschluss.

LAG Baden-Württemberg: SEBG schützt keine Sitzgarantien für Gewerkschaften

Wie bereits in erster Instanz wurden die Anträge auch durch das LAG zurückgewiesen.

Die Vorschrift des § 21 Abs. 6 SEBG ist laut Gesetzesbegründung Ausdruck eines strengen Bestandsschutzes. Dieser ist – so das LAG – im Fall der SE-Gründung durch Umwandlung erforderlich, um eine „Flucht aus der Mitbestimmung″ zu verhindern. Eine SE-Beteiligungsvereinbarung muss daher zumindest das gleiche Ausmaß der Arbeitnehmerbeteiligung garantieren, wie es vor der Umwandlung bestanden hatte.

Ob darunter auch eine etwaige Sitzgarantie für Gewerkschaften nach dem MitbestG von 1976 fällt, ist in der Literatur bislang umstritten. Mit der vorliegenden Entscheidung schließt sich das LAG derjenigen Ansicht an, die das Ausmaß der Arbeitnehmerbeteiligung qualitativ versteht, d. h. geschützt werden soll der proportionale Anteil an Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, nicht jedoch quantitativ deren Gesamtzahl oder gar einzelne Sitzgarantien für Gewerkschaften bzw. leitende Angestellte.

Unter Verweis auf das limitierende Rechtsschutzsystem der §§ 241 ff. AktG weist das LAG schließlich auch den Unterlassungsantrag der Gewerkschaften gegen eine Verkleinerung des Aufsichtsrats als unzulässig zurück. Die Systematik des AktG sehe keine präventive Kontrolle gegen Beschlüsse der Hauptversammlung vor, sondern lediglich die nachträgliche Klage auf deren Nichtigkeit. Dadurch werde dem Rechtsschutzinteresse der Antragsteller ausreichend Rechnung getragen.

BAG wird zu Sitzgarantien von Gewerkschaften oder leitenden Angestellten im SE-Aufsichtsrat Stellung nehmen

Die Gesellschaftsform SE wird in diesem Jahr 15 Jahre alt und erfreut sich mittlerweile insbesondere bei wachsenden Unternehmen großer Beliebtheit, was unter anderem an der Möglichkeit der Flexibilisierung der Unternehmensmitbestimmung liegt.

Das LAG hat in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall – gestützt auf eine geradezu schulbuchmäßige Auslegung von § 21 Abs. 6 SEBG unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden SE-RL (insb. Art. 2 lit. k, Art. 3 Abs. 4 und Art. 4 SE-RL) – ein deutliches Zeichen für das Instrument der Flexibilisierung gesetzt.

Nunmehr wird sich auch das BAG mit der in der Literatur umstrittenen Rechtsfrage, ob eine Sitzgarantie für Vertreter von Gewerkschaften oder leitenden Angestellten im SE-Aufsichtsrat in einer Beteiligungsvereinbarung erhalten bleiben muss, befassen (Rechtsbeschwerde unter Az. 1 ABR 43/18 erhoben). Die kommende höchstrichterliche Entscheidung wird – so oder so – zu der für die Praxis wichtigen Planungs- und Rechtssicherheit bei SE-Gründungen beitragen.

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