23. September 2010
Arbeitsrecht

Bis der Tod uns scheidet?

Mitarbeiter von Einrichtungen, die von der katholischen Kirche getragen werden, müssen ihr Privat- und Familienleben in gewissem Maße einschränken. Dies gilt allerdings nicht grenzenlos. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich jüngst ausführlich zu den Grenzen der Loyalität geäußert. Er hatte über den Fall eines Organisten in einer katholischen Pfarrgemeinde in Essen zu entscheiden. 1994 trennte dieser sich von seiner Ehefrau und lebte ab 1995 mit einer neuen Partnerin zusammen. Diese bekam später ein Kind von ihm. Die Gemeinde kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin wegen Ehebruchs und Bigamie. Dagegen wehrte sich der Mann – nachdem er vor Landesarbeitsgericht und Bundesarbeitsgericht gescheitert war – vor dem EGMR.

Der EGMR monierte zunächst, dass in der Entscheidung der Arbeitsgerichte eine fundierte Begründung dafür fehle, warum die Tätigkeit des Organisten so eng mit der Mission der katholischen Kirche verbunden sei, dass sie ihn nicht weiter beschäftigen könne, ohne jede Glaubwürdigkeit zu verlieren. Zudem hätten die Richter den Schutz des Familienlebens aus Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention nicht hinreichend gewürdigt. Ebenfalls nicht berücksichtigt worden sei, dass der Mann außerhalb der katholischen Kirche als Organist kaum Chancen auf Einstellung habe. Die Tatsache, dass der Organist sich arbeitsvertraglich zur Loyalität gegenüber der Kirche verpflichtet habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Hierdurch habe er zwar sein Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in gewissem Maße eingeschränkt; der Abschluss des Arbeitsvertrages könne aber nicht als eindeutiges Versprechen verstanden werden, im Falle einer Trennung oder Scheidung ein enthaltsames Leben zu führen. (EGMR vom 23. September 2010 – Beschwerde Nr. 1620/03)

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