10. Dezember 2024
Urlaubstage Basar
Arbeitsrecht

Der Urlaubstage-Basar: kaufen, verkaufen, spenden? 

Nicht selten besteht bei Arbeitnehmern* der Wunsch, nicht benötigte Urlaubstage anderweitig zu „verwerten“.

Neben einem entgeltlichen Verkauf an Kollegen spielt hier auch die ganz uneigennützige Spende eine Rolle, mit der beispielsweise Kollegen in Notsituationen ausgeholfen werden soll. Was auf den ersten Blick wie eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten erscheint, wirft zahlreiche Rechtsfragen auf, derer sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen bewusst sein müssen. Nachfolgend soll dem näher auf den Grund gegangen werden. 

Kein grundsätzliches „Verkaufsverbot“, aber: der Arbeitgeber muss mitspielen

Im deutschen Recht gibt es keine gesetzliche Regelung, die die Übertragung vertraglichen Zusatzurlaubs oder bezahlten Freizeitausgleichs für geleistete Überstunden auf Arbeitskollegen (oder auch den Arbeitgeber selbst) explizit untersagt oder aber gestattet. Gerichtliche Entscheidungen über die Zulässigkeit einer solchen Weitergabe existieren bislang ebenso wenig.

Allerdings handelt es sich bei der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern um eine höchstpersönliche Leistungspflicht (vgl. § 613 BGB). Arbeitsentgelte, Urlaubstage und Überstunden stehen im unmittelbaren Austauschverhältnis zur persönlichen Leistungserbringung durch den Arbeitnehmer („Synallagma“). Eine Übertragung der für die Arbeit geschuldeten Gegenleistungen auf andere Beschäftigte erscheint da problematisch.

Das Synallagma muss also durchbrochen werden, was nur funktionieren kann, wenn alle – insbesondere auch der Arbeitgeber – mitspielen. Denn gegebenenfalls möchte der Arbeitgeber einzelnen Beschäftigten eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht, die über die mit diesem vereinbarten Urlaubstage noch hinausgeht, gar nicht ermöglichen (etwa bei Engpässen in bestimmten Abteilungen oder soweit Leistungsträger betroffen sind). Es bedarf also des ausdrücklichen Einverständnisses des Arbeitgebers, entweder von „Fall zu Fall“ oder – auch aus Gründen der Gleichbehandlung vorzugswürdig – gegossen in die Form einer einheitlichen Regelung. Eine einheitliche, systematische Regelung lässt sich etwa durch gleichlautende Klauseln in den Arbeitsverträgen (oder Zusatzvereinbarungen hierzu) erreichen; denkbar sind aber auch eine einseitige Arbeitgeberrichtlinie oder – bei Existenz eines Betriebsrats – eine freiwillige Betriebsvereinbarung.

Rechtliche Grenzen: Finger weg vom Mindesturlaub!

Auch wenn – wie schon ausgeführt – kein generelles Verkaufsverbot gilt: so ganz ohne rechtliche Grenzen geht es dann doch nicht. Einschränkungen ergeben sich vor allem aus den zwingenden Bestimmungen über den gesetzlichen Mindesturlaub. So besagt das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), dass ein Verzicht auf den Urlaub ebenso unwirksam ist wie eine Abtretung oder sonstige Übertragung auf Dritte (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 BurlG); eine finanzielle Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nach den gesetzlichen Vorgaben allenfalls bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses denkbar (vgl. § 7 Abs. 4 BUrlG). Diese Limitierungen beziehen sich allerdings nur auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch, welcher auf Grundlage einer 5-Tage-Woche kalenderjährlich 20 Tage ausmacht. Für einen darüber hinausgehenden vertraglichen Zusatzurlaub können auch hiervon abweichende Regelungen getroffen werden. 

Möchte der Arbeitgeber eine Art Urlaubstage-Basar einführen, ist es ratsam, den Beschäftigten ein Wahlrecht einzuräumen, ob sie ihre zusätzlichen Urlaubstage als bezahlte Freizeit in Anspruch nehmen oder sich lieber auszahlen lassen wollen. Wird den Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Auszahlung von Urlaubstagen eingeräumt, ist auch der Weg zum Handel mit diesen eröffnet. 

Was soll ein Urlaubstag denn kosten?

Auf dem bunten Urlaubstage-Basar stellt sich die Frage: Wie lässt sich der Wert eines einzelnen Urlaubstags bei Verkauf oder Spende überhaupt bemessen? Scheidet ein Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus, wird der einzelne Urlaubstag im Fall einer zu leistenden Urlaubsabgeltung nach der durchschnittlichen Regelvergütung der letzten dreizehn Wochen vor dem Urlaubsbeginn berechnet (§ 11 Abs. 1 BUrlG). Allerdings würde eine solche – höchst individuelle – Wertermittlung von Urlaubstagen nicht gerade deren Handelbarkeit fördern: die Preisbestimmung im Vorfeld wäre zu komplex; außerdem wäre es den potenziellen Käufern schwer zu vermitteln, dass sich der Preis eines zusätzlichen Urlaubstages danach richten soll, wer im Betrieb einen solchen abzugeben hat. Als Alternative bietet es sich an, bei Verkauf oder Spende eines Urlaubstags durchweg den gleichen Wert für jeden Urlaubstag anzusetzen, unabhängig davon, welches Gehalt der jeweilige Verkäufer oder Spender bezieht, sprich: „Jeder Urlaubstag ist gleich viel Wert!“. Das muss freilich im maßgeblichen Regelwerk verankert werden – so kann der Arbeitgeber auch verhindern, dass es bei den Urlaubstagen in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage zu ungewollten Dumping- oder aber Wucherpreisen kommt.

Augen auf bei geltenden Tarifverträgen

Dem Urlaubstage-Basar können weitere Hürden entgegenstehen, wenn auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden: nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) kann in betrieblichen Regelungen oder einzelvertraglichen Vereinbarungen nicht zum Nachteil tarifgebundener Arbeitnehmer von Tarifverträgen abgewichen werden. Ein Verzicht auf tarifvertragliche Rechte ist wiederum nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien zulässig (§ 4 Abs. 4 TVG).

Aber stellt der Verkauf von Urlaubstagen an Kollegen aus Sicht des veräußernden Arbeitnehmers wirklich eine nachteilhafte Abweichung vom Tarifvertrag oder gar einen Verzicht auf tariflich eingeräumte Rechte dar? Da der veräußernde Arbeitnehmer in Form des vereinbarten Kaufpreises eine unmittelbare Gegenleistung für seine Urlaubstage erhält, erscheint das zumindest zweifelhaft. Dieses Argument entfällt zwar bei einer rein altruistischen Spende von Urlaubstagen – auch hier scheint die Annahme eines Verzichts im Rechtssinne aber nicht so richtig zu passen, denn: die Urlaubstage sind ja (anders als beim klassischen Verzicht) nicht „weg“, sondern sollen nur einem anderen Arbeitnehmer desselben Unternehmens zustehen. Mangels einschlägiger Rechtsprechung verbleibt an dieser Stelle jedoch zumindest eine Unsicherheit, die sich zuverlässig nur durch die Einholung der Zustimmung der Tarifvertragsparteien ausschließen lässt. Das wiederum ist freilich häufig nicht gewollt. 

Hat der Betriebsrat mitzureden?

Allgemeine Urlaubsgrundsätze unterliegen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG. Gemeint sind damit die übergeordneten Leitlinien, anhand derer über die Bewilligung oder Versagung von Urlaub entschieden wird. Das Mitbestimmungsrecht dient dem Zweck, die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer mit dem Interesse des Arbeitgebers an einem ungestörten Betriebsablauf zu vereinbaren und Konfliktlagen innerhalb der Belegschaft (Bsp.: Eltern schulpflichtiger Kinder wollen bevorzugt in den Schulferien Urlaub nehmen) sinnvoll aufzulösen. Mit dieser Zielbestimmung hat das Aufstellen betrieblicher Regeln für Kauf, Verkauf und Spende von Urlaubstagen wenig zu tun, so dass ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG richtigerweise abzulehnen ist. Die individuelle Vertragsvereinbarung zwischen den an der Übertragung von Urlaubstagen Beteiligten ist der Mitbestimmung des Betriebsrats ohnehin entzogen.

Fazit: klare Vorgaben für den Urlaubstage-Basar sind unumgänglich

Die Einführung eines Urlaubstage-Marktplatzes im Betrieb gibt den Beschäftigten größere Flexibilität im Umgang mit ihren (übergesetzlichen) Urlaubsansprüchen und ermöglicht eine „Umverteilung“ von Urlaubstagen auch unter Berücksichtigung des tatsächlichen Erholungsbedarfs. Klar ist aber auch, dass sich derlei Konzepte schnell verselbständigen, wenn der Arbeitgeber hier keine klaren Vorgaben macht. Ein entsprechendes betriebliches Regelwerk sollte aus Arbeitgebersicht in jedem Fall Instrumente beinhalten, die eine grenzenlose Anhäufung oder zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme erworbener Urlaubstage vermeiden; auch sollte der Arbeitgeber (im Sinne eines Veto-Rechts) die Möglichkeit haben, eine konkrete Transaktion aus sachlichem Grund auch zu untersagen. Freilich sind neben arbeitsrechtlichen Fragestellungen beim Handel mit Urlaubstagen auch sozialversicherungs- sowie steuerrechtliche Implikationen mitzudenken. Der Urlaubstage-Basar weist also eine gewisse Komplexität auf und muss sich zudem in den vom BUrlG und dem TVG gesetzten Rechtsrahmen einfügen. Stellen sich Arbeitgeber jedoch den Herausforderungen, die mit der Einführung derlei Konzepte einhergehen, werden sie womöglich mit einer gesteigerten Mitarbeiterzufriedenheit belohnt.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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