22. Mai 2012
Arbeitsrecht

CGZP: Wann verjähren Nachforderungen des Rentenversicherungsträgers?

Die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) zur Tarifunfähigkeit der CGZP, über die wir  berichtet haben, sorgen weiter für Diskussionen. Umstritten ist dabei vor allem, ob sich ein Personaldienstleister, der in der Vergangenheit die Tarifverträge der CGZP angewendet hat, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Nachforderungen des Rentenversicherungsträgers (erfolgreich) zur Wehr setzen kann. In diesem Zusammenhang berufen sich die Unternehmen nicht nur auf einen Vertrauensschutz in die Wirksamkeit der Tarifverträge der CGZP (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl. v. 20.04.2012 – L 5 KR 9/12 B ER, L 5 KR 20/12 B ER), sondern regelmäßig auch auf eine Verjährung.

Das SG Frankfurt a.M. musste sich in einem jüngst veröffentlichten Beschluss mit dem letztgenannten Aspekt befassen und hat – im Sinne des Personaldienstleisters – entschieden, dass Nachforderungen des Rentenversicherungsträgers für 2006 und 2007 verjährt sind (Beschl. v. 26.04.2012 – S 18 KR 159/12 ER).

Die 18. Kammer führt dabei aus, dass hinsichtlich der Festsetzung für diese Jahre ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Prüfbescheides bestehen. Nach § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Für die Beiträge, die im Jahr 2006 fällig wurden, begann die Verjährung am 01.01.2007, und endete am 31.12.2010, für die Beiträge, die Jahr 2007 fällig geworden sind, begann die Verjährung am 01.01.2008 und endete am 31.12.2011. Der streitbefangene Prüfbescheid, durch den die Nachforderung festgesetzt wurde, erging wohl erst im Jahr 2012.

Auf die in den Jahren 2006 und 2007 entstandenen Ansprüche findet die Verjährungsfrist von 30 Jahren gem. § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV keine Anwendung, weil diese voraussetzt, dass die Ansprüche vorsätzlich vorenthalten wurden. Für die Anwendung dieser Frist lässt es das BSG zwar ausreichen, dass dem Beitragsschuldner der den bedingten Vorsatz auslösende Umstand während der vierjährigen Verjährungsfrist bekannt wird, und stellt insoweit nicht auf die Umstände bei Fälligkeit der Beitragsschuld ab. Dabei  ist bereits hinreichend, dass der Schuldner seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Allerdings muss seitens des Rentenversicherungsträgers das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes des bedingten Vorsatzes festgestellt werden. Indizien, die zwingend auf diesen Vorsatz im vorliegenden Fall schließen lassen könnten, sind seitens der Antragsgegnerin nicht ermittelt. Allein der Umstand, dass das BAG am 14.12.2010 die fehlende Tariffähigkeit der CGZP festgestellt hat, reicht angesichts der Vielzahl der in diesem Zusammenhang kontrovers diskutierten Rechtsprobleme nicht aus. Die Antragstellerin hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass die Entscheidung des BAG erst im Frühjahr 2011 im Volltext zur Verfügung stand. Über die Rechtsfrage, ob dieser Entscheidung Wirkung für die Zeit vor dem 14.12.2010 zukommt, ist sowohl in der Arbeits- als auch in der Folge in der Sozialgerichtsbarkeit erheblicher Streit entbrannt, der den bedingten Vorsatz des Beitragsschuldners hinsichtlich einer subjektiven Komponente anzunehmen, für die Jahre 2010 und 2011 ausschließt.

Die Entscheidung des SG Frankfurt a.M. ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen hat die 18. Kammer in zwei Beschlüssen vom 19.01.2012 (Az. S 18 KR 812/11 ER; S 18 KR 813/11 ER) eine (mögliche) Verjährung nicht angesprochen oder auch nur andiskutiert, obwohl diese nach h.M. von Amts wegen zu beachten ist (vgl. Kasseler Kommentar/Seewald, § 25 SGB IV Rn. 13 m.w.N.). Zum anderen zeigt sich, dass die Verjährung zunehmend von den Sozialgerichten zum Anlass genommen wird, die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Rentenversicherungsträger in Abrede zu stellen (vgl. LSG NRW, Beschl. v. 10.05.2012 – L 8 R 164/12 B ER; a.A. Hessisches LSG, Beschl. v. 23.04.2012 – L 1 KR 95/12 B ER). Dies ist in Anbetracht der nach wie vor ungeklärten und von der Rspr. unterschiedlich beurteilten Folgen der CGZP-Entscheidung des BAG nur billig und recht: den gutgläubigen Tarifanwendern kann mit Blick auf die (vermeintliche) Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Vergangenheit zumindest pauschal kein (auch nur bedingter) Vorsatz unterstellt werden mit der Folge, dass die 30jährige Verjährungsfrist nicht anwendbar ist.

Tags: CGZP Nachforderung Rentenversicherungsträger Tarifunfähigkeit Verjährung Vertrauensschutz